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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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auf den Boden der Thatsachen gestellt. Kurz das verflossene Decennium hat in ge¬
nügender Weise den Beweis geliefert, daß die demokratischen Errungenschaften des
Jahres 1848 über den Gesichtskreis und die durchschnittliche politische Bildungsstufe
des deutschen Volkes Hinansgingen und deshalb, in so weit dies der Fall war, dem
Gesetze des Entwicklungsganges der Nationen erliegen mußten. Es ist dies -- das
muß man hierbei festhalten -- nichts Absonderliches, sondern nur der natürliche
Gang der Dinge. Sobald nach längerer Stagnation ein gewaltiger Ruck in dem
Leben der Völker entsteht, schießt man sofort über das Ziel hinaus. In Zeiten,
wo das Geisterreich in seinen Tiefen erregt ist, werden edle Geister immer das Höchste
erstreben, aber noch niemals ist dies wirklich erreicht worden. Es ist diese höchste
Spannung auch nothwendig, weil sonst der Widerstand des Bestehenden gar nicht
überwunden, also gar nichts erreicht würde. Wirklich und auf die Dauer errungen
wird aber eben nur so viel des Erstrebten, als der jeweiligen politischen Bildungs¬
stufe eines Volkes adäquat ist. So ist denn auch die deutsche Märzbewcgung nicht
vergeblich gewesen, wir haben sehr werthvolle Errungenschaften aus dem Schiffbruche
gerettet. Man hätte uns zwar mehr lassen oder "geben" können, aber es wäre
dann eben nur ein "Geschenk" gewesen, und mit Gnadengeschenken vermag ein
Volk nicht viel anzufangen. Man hat uns aber genommen, so viel man konnte;
mehr konnte man nicht: was wir also haben, das ist in Wahrheit unsere "März-
crrungenschaft". Ja unsere Verfassungen, wenn auch ..octrouirt", sind doch unsere
Errungenschaft! Und nun ...... den unleugbaren und unwiderlegbaren Thatsachen
g'.v'linder -- wollen wir alten Demokraten an unserm alten Protestircn festhalten?
wollen die Hände in den Schoß legen und warten, bis uns irgend ein Heiliger die
alten Verfassungen und Wahlgesetze wieder vom Tode auferweckt? Ein solches Pro¬
testircn wäre in der That jetzt völlig sinnlos, würde, wenn es überhaupt irgend
einen Eindruck machte, nur dazu dienen, die träge, faule, principlosc Masse in
ihrer politischen Apathie zu bestärken und zu erhalten. Man soll aber wohl zusehen,
was man thut, wenn man ein Volk, welches durch drcihundcrtjöhrigc Zersplitterung
und fremde Beeinflussung fast allen politischen und namentlich allen nationalen Geist
eingebüßt hat, geflissentlich in diesem trostlosen Zustande festhält! Und nun gar, ihr
Wähler Preußens! Wahrlich, ihr habt die allermindeste Ursache, mit dem Geschicke zu
schmollen, ihr habt durch das Jahr 1848 gerade am meisten gewonnen. Man hätte
euch ja viel mehr wieder nehmen können, aber man hats nicht gethan. Ihr wäret
vor jenem Jahre so arm, wie Hiob, und jetzt seid ihr reiche Leute, habt eine Verfassung,
habt einige Preßfreiheit, und in der Kammer eine Tribune, von der das freie Wort
dnrch alle deutschen Lande gehen kann; ihr habt eine Verfassung, die ihr nur iknem
Meiste und den praktischen Bedürfnissen entsprechend auszubauen und vor künstlichen, ihrem
Geiste widersprechenden Interpretationen zu bewahren braucht. Und ihr solltet grollen
wollen, weil ihr einmal ein paar Wochen lang mehr hattet, als ihr tragen und behaupten
konntet, und es daher wieder verlöret? solltet euch weigern, von euern kostbaren
Gütern Gebrauch zu macheu, weil in einem alten, vergilbten Inventarium euer Ver¬
mögen höher angesetzt ist? Nein, das könnt ihr nicht wollen; denn grade dadurch
würdet ihr beweisen, daß ihr noch immer zu viel hättet, daß man euch füglich noch
ein gutes Stück mehr hätte abziehen können; ihr würdet eine politische Unreife
documentiren, die man uns Deutschen zwar im Jahr 1848 zu Gute halten konnte,
die man aber jetzt, nach dem theuren Lehrgeld, das wir gezahlt haben, bei keinem,
der mit: den wirtlichen Verhältnissen des Vaterlandes bekannt ist, mehr voraussetzen
darf. Darum können wir nicht glauben, daß ihr preußischen Demokraten an leeren
Abstractionen festhalten werdet. it>-, die ihr den größten der neuern Philosophen
eurer Mitte hattet, der uns das concrete Denken gelehrt, der uns in seiner unüber¬
trefflichen Dialektik bewiesen hat, daß das, "was wirklich ist. auch vernünftig
d. h. der jeweiligen Durchschnittsvernunft entsprechend ist. Ihr könnet unmöglich


auf den Boden der Thatsachen gestellt. Kurz das verflossene Decennium hat in ge¬
nügender Weise den Beweis geliefert, daß die demokratischen Errungenschaften des
Jahres 1848 über den Gesichtskreis und die durchschnittliche politische Bildungsstufe
des deutschen Volkes Hinansgingen und deshalb, in so weit dies der Fall war, dem
Gesetze des Entwicklungsganges der Nationen erliegen mußten. Es ist dies — das
muß man hierbei festhalten — nichts Absonderliches, sondern nur der natürliche
Gang der Dinge. Sobald nach längerer Stagnation ein gewaltiger Ruck in dem
Leben der Völker entsteht, schießt man sofort über das Ziel hinaus. In Zeiten,
wo das Geisterreich in seinen Tiefen erregt ist, werden edle Geister immer das Höchste
erstreben, aber noch niemals ist dies wirklich erreicht worden. Es ist diese höchste
Spannung auch nothwendig, weil sonst der Widerstand des Bestehenden gar nicht
überwunden, also gar nichts erreicht würde. Wirklich und auf die Dauer errungen
wird aber eben nur so viel des Erstrebten, als der jeweiligen politischen Bildungs¬
stufe eines Volkes adäquat ist. So ist denn auch die deutsche Märzbewcgung nicht
vergeblich gewesen, wir haben sehr werthvolle Errungenschaften aus dem Schiffbruche
gerettet. Man hätte uns zwar mehr lassen oder „geben" können, aber es wäre
dann eben nur ein „Geschenk" gewesen, und mit Gnadengeschenken vermag ein
Volk nicht viel anzufangen. Man hat uns aber genommen, so viel man konnte;
mehr konnte man nicht: was wir also haben, das ist in Wahrheit unsere „März-
crrungenschaft". Ja unsere Verfassungen, wenn auch ..octrouirt", sind doch unsere
Errungenschaft! Und nun ...... den unleugbaren und unwiderlegbaren Thatsachen
g'.v'linder — wollen wir alten Demokraten an unserm alten Protestircn festhalten?
wollen die Hände in den Schoß legen und warten, bis uns irgend ein Heiliger die
alten Verfassungen und Wahlgesetze wieder vom Tode auferweckt? Ein solches Pro¬
testircn wäre in der That jetzt völlig sinnlos, würde, wenn es überhaupt irgend
einen Eindruck machte, nur dazu dienen, die träge, faule, principlosc Masse in
ihrer politischen Apathie zu bestärken und zu erhalten. Man soll aber wohl zusehen,
was man thut, wenn man ein Volk, welches durch drcihundcrtjöhrigc Zersplitterung
und fremde Beeinflussung fast allen politischen und namentlich allen nationalen Geist
eingebüßt hat, geflissentlich in diesem trostlosen Zustande festhält! Und nun gar, ihr
Wähler Preußens! Wahrlich, ihr habt die allermindeste Ursache, mit dem Geschicke zu
schmollen, ihr habt durch das Jahr 1848 gerade am meisten gewonnen. Man hätte
euch ja viel mehr wieder nehmen können, aber man hats nicht gethan. Ihr wäret
vor jenem Jahre so arm, wie Hiob, und jetzt seid ihr reiche Leute, habt eine Verfassung,
habt einige Preßfreiheit, und in der Kammer eine Tribune, von der das freie Wort
dnrch alle deutschen Lande gehen kann; ihr habt eine Verfassung, die ihr nur iknem
Meiste und den praktischen Bedürfnissen entsprechend auszubauen und vor künstlichen, ihrem
Geiste widersprechenden Interpretationen zu bewahren braucht. Und ihr solltet grollen
wollen, weil ihr einmal ein paar Wochen lang mehr hattet, als ihr tragen und behaupten
konntet, und es daher wieder verlöret? solltet euch weigern, von euern kostbaren
Gütern Gebrauch zu macheu, weil in einem alten, vergilbten Inventarium euer Ver¬
mögen höher angesetzt ist? Nein, das könnt ihr nicht wollen; denn grade dadurch
würdet ihr beweisen, daß ihr noch immer zu viel hättet, daß man euch füglich noch
ein gutes Stück mehr hätte abziehen können; ihr würdet eine politische Unreife
documentiren, die man uns Deutschen zwar im Jahr 1848 zu Gute halten konnte,
die man aber jetzt, nach dem theuren Lehrgeld, das wir gezahlt haben, bei keinem,
der mit: den wirtlichen Verhältnissen des Vaterlandes bekannt ist, mehr voraussetzen
darf. Darum können wir nicht glauben, daß ihr preußischen Demokraten an leeren
Abstractionen festhalten werdet. it>-, die ihr den größten der neuern Philosophen
eurer Mitte hattet, der uns das concrete Denken gelehrt, der uns in seiner unüber¬
trefflichen Dialektik bewiesen hat, daß das, „was wirklich ist. auch vernünftig
d. h. der jeweiligen Durchschnittsvernunft entsprechend ist. Ihr könnet unmöglich


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[0446] auf den Boden der Thatsachen gestellt. Kurz das verflossene Decennium hat in ge¬ nügender Weise den Beweis geliefert, daß die demokratischen Errungenschaften des Jahres 1848 über den Gesichtskreis und die durchschnittliche politische Bildungsstufe des deutschen Volkes Hinansgingen und deshalb, in so weit dies der Fall war, dem Gesetze des Entwicklungsganges der Nationen erliegen mußten. Es ist dies — das muß man hierbei festhalten — nichts Absonderliches, sondern nur der natürliche Gang der Dinge. Sobald nach längerer Stagnation ein gewaltiger Ruck in dem Leben der Völker entsteht, schießt man sofort über das Ziel hinaus. In Zeiten, wo das Geisterreich in seinen Tiefen erregt ist, werden edle Geister immer das Höchste erstreben, aber noch niemals ist dies wirklich erreicht worden. Es ist diese höchste Spannung auch nothwendig, weil sonst der Widerstand des Bestehenden gar nicht überwunden, also gar nichts erreicht würde. Wirklich und auf die Dauer errungen wird aber eben nur so viel des Erstrebten, als der jeweiligen politischen Bildungs¬ stufe eines Volkes adäquat ist. So ist denn auch die deutsche Märzbewcgung nicht vergeblich gewesen, wir haben sehr werthvolle Errungenschaften aus dem Schiffbruche gerettet. Man hätte uns zwar mehr lassen oder „geben" können, aber es wäre dann eben nur ein „Geschenk" gewesen, und mit Gnadengeschenken vermag ein Volk nicht viel anzufangen. Man hat uns aber genommen, so viel man konnte; mehr konnte man nicht: was wir also haben, das ist in Wahrheit unsere „März- crrungenschaft". Ja unsere Verfassungen, wenn auch ..octrouirt", sind doch unsere Errungenschaft! Und nun ...... den unleugbaren und unwiderlegbaren Thatsachen g'.v'linder — wollen wir alten Demokraten an unserm alten Protestircn festhalten? wollen die Hände in den Schoß legen und warten, bis uns irgend ein Heiliger die alten Verfassungen und Wahlgesetze wieder vom Tode auferweckt? Ein solches Pro¬ testircn wäre in der That jetzt völlig sinnlos, würde, wenn es überhaupt irgend einen Eindruck machte, nur dazu dienen, die träge, faule, principlosc Masse in ihrer politischen Apathie zu bestärken und zu erhalten. Man soll aber wohl zusehen, was man thut, wenn man ein Volk, welches durch drcihundcrtjöhrigc Zersplitterung und fremde Beeinflussung fast allen politischen und namentlich allen nationalen Geist eingebüßt hat, geflissentlich in diesem trostlosen Zustande festhält! Und nun gar, ihr Wähler Preußens! Wahrlich, ihr habt die allermindeste Ursache, mit dem Geschicke zu schmollen, ihr habt durch das Jahr 1848 gerade am meisten gewonnen. Man hätte euch ja viel mehr wieder nehmen können, aber man hats nicht gethan. Ihr wäret vor jenem Jahre so arm, wie Hiob, und jetzt seid ihr reiche Leute, habt eine Verfassung, habt einige Preßfreiheit, und in der Kammer eine Tribune, von der das freie Wort dnrch alle deutschen Lande gehen kann; ihr habt eine Verfassung, die ihr nur iknem Meiste und den praktischen Bedürfnissen entsprechend auszubauen und vor künstlichen, ihrem Geiste widersprechenden Interpretationen zu bewahren braucht. Und ihr solltet grollen wollen, weil ihr einmal ein paar Wochen lang mehr hattet, als ihr tragen und behaupten konntet, und es daher wieder verlöret? solltet euch weigern, von euern kostbaren Gütern Gebrauch zu macheu, weil in einem alten, vergilbten Inventarium euer Ver¬ mögen höher angesetzt ist? Nein, das könnt ihr nicht wollen; denn grade dadurch würdet ihr beweisen, daß ihr noch immer zu viel hättet, daß man euch füglich noch ein gutes Stück mehr hätte abziehen können; ihr würdet eine politische Unreife documentiren, die man uns Deutschen zwar im Jahr 1848 zu Gute halten konnte, die man aber jetzt, nach dem theuren Lehrgeld, das wir gezahlt haben, bei keinem, der mit: den wirtlichen Verhältnissen des Vaterlandes bekannt ist, mehr voraussetzen darf. Darum können wir nicht glauben, daß ihr preußischen Demokraten an leeren Abstractionen festhalten werdet. it>-, die ihr den größten der neuern Philosophen eurer Mitte hattet, der uns das concrete Denken gelehrt, der uns in seiner unüber¬ trefflichen Dialektik bewiesen hat, daß das, „was wirklich ist. auch vernünftig d. h. der jeweiligen Durchschnittsvernunft entsprechend ist. Ihr könnet unmöglich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/446>, abgerufen am 03.07.2024.