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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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weit gereist, von London nach den Pyramiden, nach Jerusalem und Damas¬
kus und endlich nach Stambul, wo der englische Doctor, den es begleitet,
Spiros Treue damit belohnt hatte. Man sieht, es fehlte uns auch in diesen
Nebendingen nicht an Reiseromantik.

Wir hatten Spiro bisher als guten Reiter, als gewandten Bedienten und
als offnen Kops kennen gelernt, der zwar über Rußland und England, die
Zukunft Griechenlands und verschiedene andere Dinge auf Erden Ansichten
hatte, denen wir unsere Beistimmung versagen zu müssen meinten, aber desto
besser im Himmel Bescheid wußte und seine Meinung nicht blos mit Bibel-
stellen zu belegen verstand, sondern auch Papa Chrysostomus und Papa Jo¬
hannes Damascenus sür sich sprechen lassen konnte. Jetzt lernten wir ihn
auch als guten Koch schätzen. Die Lade wurde gedeckt, und als der Wind
das nicht leiden wollte, an jede Ecke des Tischtuchs ein Stein gelegt. Dann
erschien ein Souper aus der Küche des Khans, wie wir es im Hotel d'Angle-
terre nicht bekommen hatten: eine köstliche Maccaronisuppe, in der Bouillon
von zwei Hühnern gekocht, ein entzückend zarter Hammelsschlagel, Geflügel
und ein schöner Seefisch. Ein Dessert von Kirschen, Mandeln und Datteln
folgte. Wer das Unmögliche leisten konnte, mehr zu genießen, dem bot ein
fetter Schweizerkäse sich dar, und zum Schlüsse trat ein Kaffee auf die Bühne,
so wohl gemischt und so kunstreich behandelt, wie ich ihn in Griechenland
nur in dieser fahrenden Wirthschaft zum goldenen Spiro geschlürft habe. Es
that nichts, daß die Suppe in einer eisernen Terrine aufgetragen wurde; aßen
wir sie doch mit silbernen Löffeln, und hatten wir doch Tcllerwechsel und Servietten
wie daheim. Dafür hatte unser Führer aber auch seine Lehrjahre als Diener und
Koch unter britischer Zucht zugebracht, und hiermit will ich bekennen, daß diese
Schilderung unsers ersten guten Soupers in Griechenland ihr Entstehen nicht blos
dem Nachgefühl des damals empfundenen Genusses, sondern auch der Absicht ver¬
dankt, die Verdienste ins rechte Licht zu stellen, die sich das reisende England
um das Wohlbefinden jener Touristen im Orient erworben hat, die nicht blos
vom Anblick rosiger Berge, blauer Buchten und schimmernder Marmortempel
und nebenher von Lauch und Zwiebeln und zähem Lammfleisch leben können.
Mag es ein Unglück sein, daß sie uns in der Schweiz und am Rhein die
Preise verdorben haben, diese Insulaner; im Morgenlande ist ihre Er¬
scheinung heilsam gewesen, und so fanden wir es billig, nach dem ersten
Toast auf "was wir lieben" in der fernen Heimath einen zweiten auf die
Gesundheit der Reformatoren der Welt orientalischer Dragomane und Gast¬
wirthe auszubringen. Nur dem Umstand, daß in Athen weniger Briten als
Franzmänner einkehren, schreibe ich es zu, daß hier die Hotels nicht so gut
sind, als in Aegypten.

Auf den Wein hat die mehr und mehr ins Land dringende Civilisation


weit gereist, von London nach den Pyramiden, nach Jerusalem und Damas¬
kus und endlich nach Stambul, wo der englische Doctor, den es begleitet,
Spiros Treue damit belohnt hatte. Man sieht, es fehlte uns auch in diesen
Nebendingen nicht an Reiseromantik.

Wir hatten Spiro bisher als guten Reiter, als gewandten Bedienten und
als offnen Kops kennen gelernt, der zwar über Rußland und England, die
Zukunft Griechenlands und verschiedene andere Dinge auf Erden Ansichten
hatte, denen wir unsere Beistimmung versagen zu müssen meinten, aber desto
besser im Himmel Bescheid wußte und seine Meinung nicht blos mit Bibel-
stellen zu belegen verstand, sondern auch Papa Chrysostomus und Papa Jo¬
hannes Damascenus sür sich sprechen lassen konnte. Jetzt lernten wir ihn
auch als guten Koch schätzen. Die Lade wurde gedeckt, und als der Wind
das nicht leiden wollte, an jede Ecke des Tischtuchs ein Stein gelegt. Dann
erschien ein Souper aus der Küche des Khans, wie wir es im Hotel d'Angle-
terre nicht bekommen hatten: eine köstliche Maccaronisuppe, in der Bouillon
von zwei Hühnern gekocht, ein entzückend zarter Hammelsschlagel, Geflügel
und ein schöner Seefisch. Ein Dessert von Kirschen, Mandeln und Datteln
folgte. Wer das Unmögliche leisten konnte, mehr zu genießen, dem bot ein
fetter Schweizerkäse sich dar, und zum Schlüsse trat ein Kaffee auf die Bühne,
so wohl gemischt und so kunstreich behandelt, wie ich ihn in Griechenland
nur in dieser fahrenden Wirthschaft zum goldenen Spiro geschlürft habe. Es
that nichts, daß die Suppe in einer eisernen Terrine aufgetragen wurde; aßen
wir sie doch mit silbernen Löffeln, und hatten wir doch Tcllerwechsel und Servietten
wie daheim. Dafür hatte unser Führer aber auch seine Lehrjahre als Diener und
Koch unter britischer Zucht zugebracht, und hiermit will ich bekennen, daß diese
Schilderung unsers ersten guten Soupers in Griechenland ihr Entstehen nicht blos
dem Nachgefühl des damals empfundenen Genusses, sondern auch der Absicht ver¬
dankt, die Verdienste ins rechte Licht zu stellen, die sich das reisende England
um das Wohlbefinden jener Touristen im Orient erworben hat, die nicht blos
vom Anblick rosiger Berge, blauer Buchten und schimmernder Marmortempel
und nebenher von Lauch und Zwiebeln und zähem Lammfleisch leben können.
Mag es ein Unglück sein, daß sie uns in der Schweiz und am Rhein die
Preise verdorben haben, diese Insulaner; im Morgenlande ist ihre Er¬
scheinung heilsam gewesen, und so fanden wir es billig, nach dem ersten
Toast auf „was wir lieben" in der fernen Heimath einen zweiten auf die
Gesundheit der Reformatoren der Welt orientalischer Dragomane und Gast¬
wirthe auszubringen. Nur dem Umstand, daß in Athen weniger Briten als
Franzmänner einkehren, schreibe ich es zu, daß hier die Hotels nicht so gut
sind, als in Aegypten.

Auf den Wein hat die mehr und mehr ins Land dringende Civilisation


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[0434] weit gereist, von London nach den Pyramiden, nach Jerusalem und Damas¬ kus und endlich nach Stambul, wo der englische Doctor, den es begleitet, Spiros Treue damit belohnt hatte. Man sieht, es fehlte uns auch in diesen Nebendingen nicht an Reiseromantik. Wir hatten Spiro bisher als guten Reiter, als gewandten Bedienten und als offnen Kops kennen gelernt, der zwar über Rußland und England, die Zukunft Griechenlands und verschiedene andere Dinge auf Erden Ansichten hatte, denen wir unsere Beistimmung versagen zu müssen meinten, aber desto besser im Himmel Bescheid wußte und seine Meinung nicht blos mit Bibel- stellen zu belegen verstand, sondern auch Papa Chrysostomus und Papa Jo¬ hannes Damascenus sür sich sprechen lassen konnte. Jetzt lernten wir ihn auch als guten Koch schätzen. Die Lade wurde gedeckt, und als der Wind das nicht leiden wollte, an jede Ecke des Tischtuchs ein Stein gelegt. Dann erschien ein Souper aus der Küche des Khans, wie wir es im Hotel d'Angle- terre nicht bekommen hatten: eine köstliche Maccaronisuppe, in der Bouillon von zwei Hühnern gekocht, ein entzückend zarter Hammelsschlagel, Geflügel und ein schöner Seefisch. Ein Dessert von Kirschen, Mandeln und Datteln folgte. Wer das Unmögliche leisten konnte, mehr zu genießen, dem bot ein fetter Schweizerkäse sich dar, und zum Schlüsse trat ein Kaffee auf die Bühne, so wohl gemischt und so kunstreich behandelt, wie ich ihn in Griechenland nur in dieser fahrenden Wirthschaft zum goldenen Spiro geschlürft habe. Es that nichts, daß die Suppe in einer eisernen Terrine aufgetragen wurde; aßen wir sie doch mit silbernen Löffeln, und hatten wir doch Tcllerwechsel und Servietten wie daheim. Dafür hatte unser Führer aber auch seine Lehrjahre als Diener und Koch unter britischer Zucht zugebracht, und hiermit will ich bekennen, daß diese Schilderung unsers ersten guten Soupers in Griechenland ihr Entstehen nicht blos dem Nachgefühl des damals empfundenen Genusses, sondern auch der Absicht ver¬ dankt, die Verdienste ins rechte Licht zu stellen, die sich das reisende England um das Wohlbefinden jener Touristen im Orient erworben hat, die nicht blos vom Anblick rosiger Berge, blauer Buchten und schimmernder Marmortempel und nebenher von Lauch und Zwiebeln und zähem Lammfleisch leben können. Mag es ein Unglück sein, daß sie uns in der Schweiz und am Rhein die Preise verdorben haben, diese Insulaner; im Morgenlande ist ihre Er¬ scheinung heilsam gewesen, und so fanden wir es billig, nach dem ersten Toast auf „was wir lieben" in der fernen Heimath einen zweiten auf die Gesundheit der Reformatoren der Welt orientalischer Dragomane und Gast¬ wirthe auszubringen. Nur dem Umstand, daß in Athen weniger Briten als Franzmänner einkehren, schreibe ich es zu, daß hier die Hotels nicht so gut sind, als in Aegypten. Auf den Wein hat die mehr und mehr ins Land dringende Civilisation

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/434>, abgerufen am 23.07.2024.