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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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nach der Seeseite hin mit einer Mauer eingefaßter Salzsee. Mehr nach Westen
hin trifft man neben einem einsamen Khan die Reste eines großen Marmor¬
denkmals, dessen Inschrift besagt, daß hier ein gewisser Straton begraben lag.

Eleusis, jetzt Levfina, ist ein unbedeutendes Oertchen. Von dem stolzen
marmornen Demetertempel und seinen Propyläen sind nur noch die in einen
mächtigen Trümmerhaufen zusammengestürzten Mauerquadern und Säulen¬
trommeln, so wie einzelne Gebälkstücke übrig. Von der Akropolis, die den
Hügel krönte, sieht man noch einen Theil der Umfassungsmauer. Der Thurm,
der sich darüber erhebt, gehört dem Mittelalter an. In der kleinen Kirche
des heiligen Zacharias werden einige sehr verstümmelte Statuenreste, darunter
ein Poseidonskopf, aufbewahrt. Err Stück nordöstlich von der Stadt begeg¬
net man den Ruinen einer römischen Wasserleitung, und gleichfalls römischen
Ursprungs sind wahrscheinlich die Mosaikfußböden, Ale wir in einem Hause
südwestlich von der Stätte des Tempels und in einem Gehöft nicht fern von
der Stelle fanden, wo einst der Hafen war. Die Nachbarschaft ist nicht so
sorgfältig angebaut, als es der fruchtbare Boden verdient, sie würde jetzt
nicht mehr die Sage erzeugen, daß Demeter hier zuerst pflügen und säen ge¬
lehrt habe; denn die Ebne hat ohne Zweifel im Alterthum dreimal so viel
Bewohner ernährt, als heutzutage. Das Flüßchen, welches sie durchströmt,
hat nicht nur den Namen, sondern auch die Wasserarmuth mit dem Kephissus
Athens gemein. Bekanntlich läßt die Mythe Theseus an den Ufern desselben
dem Unhold Prokrustes den grausamen Tod geben, den er vorher andern
Wanderern bereitet.

Der Weg von Eleusis nach Megara führt zunächst über die dürren, nur
mit Gestrüpp bewachsenen Abhänge der Kerata, welche die Ausläufer eines
vom Kithäron nach der Bai von Salamis herabstrebenden Gebirgszuges sind,
und die einst die Grenze zwischen Attika und Megaris bildeten. Nach einiger
Zeit senkt sich die Straße, die stets mehr oder minder nahe am Meer hin¬
läuft, durch einen Olivenwald in eine Ebene hinab, die minder ausgedehnt
und besser bebaut als die eleusinische, aber von ähnlicher Gestalt und ebenso
im Süden von der See und nach den drei andern Seiten vom Gebirge ein¬
gefaßt ist. Wieder erblickt man von weitem eine Stadt auf einem Hügel. Es
ist Megara. Daneben zur Rechten tritt die Küste von Salamis so nahe an
das Festland heran, daß der Meerbusen schon hier geschlossen zu sein scheint.
Nicht weit vom äußersten Nordwestende der Insel steht ein Kloster.

Megara, etwa dreimal so groß als Eleusis, liegt am Südabhange eines
Hügels, der sich am Westende der Ebene ungefähr drei Viertelstunden von der
See erhebt. Von fern nimmt sich die Stadt mit ihren platten Dächern recht
malerisch aus. In der Nähe aber verschwindet die Illusion. Die Häuser
sind meist bloße Hütten, zusammengefügt aus schlecht oder gar nicht beHaue-


nach der Seeseite hin mit einer Mauer eingefaßter Salzsee. Mehr nach Westen
hin trifft man neben einem einsamen Khan die Reste eines großen Marmor¬
denkmals, dessen Inschrift besagt, daß hier ein gewisser Straton begraben lag.

Eleusis, jetzt Levfina, ist ein unbedeutendes Oertchen. Von dem stolzen
marmornen Demetertempel und seinen Propyläen sind nur noch die in einen
mächtigen Trümmerhaufen zusammengestürzten Mauerquadern und Säulen¬
trommeln, so wie einzelne Gebälkstücke übrig. Von der Akropolis, die den
Hügel krönte, sieht man noch einen Theil der Umfassungsmauer. Der Thurm,
der sich darüber erhebt, gehört dem Mittelalter an. In der kleinen Kirche
des heiligen Zacharias werden einige sehr verstümmelte Statuenreste, darunter
ein Poseidonskopf, aufbewahrt. Err Stück nordöstlich von der Stadt begeg¬
net man den Ruinen einer römischen Wasserleitung, und gleichfalls römischen
Ursprungs sind wahrscheinlich die Mosaikfußböden, Ale wir in einem Hause
südwestlich von der Stätte des Tempels und in einem Gehöft nicht fern von
der Stelle fanden, wo einst der Hafen war. Die Nachbarschaft ist nicht so
sorgfältig angebaut, als es der fruchtbare Boden verdient, sie würde jetzt
nicht mehr die Sage erzeugen, daß Demeter hier zuerst pflügen und säen ge¬
lehrt habe; denn die Ebne hat ohne Zweifel im Alterthum dreimal so viel
Bewohner ernährt, als heutzutage. Das Flüßchen, welches sie durchströmt,
hat nicht nur den Namen, sondern auch die Wasserarmuth mit dem Kephissus
Athens gemein. Bekanntlich läßt die Mythe Theseus an den Ufern desselben
dem Unhold Prokrustes den grausamen Tod geben, den er vorher andern
Wanderern bereitet.

Der Weg von Eleusis nach Megara führt zunächst über die dürren, nur
mit Gestrüpp bewachsenen Abhänge der Kerata, welche die Ausläufer eines
vom Kithäron nach der Bai von Salamis herabstrebenden Gebirgszuges sind,
und die einst die Grenze zwischen Attika und Megaris bildeten. Nach einiger
Zeit senkt sich die Straße, die stets mehr oder minder nahe am Meer hin¬
läuft, durch einen Olivenwald in eine Ebene hinab, die minder ausgedehnt
und besser bebaut als die eleusinische, aber von ähnlicher Gestalt und ebenso
im Süden von der See und nach den drei andern Seiten vom Gebirge ein¬
gefaßt ist. Wieder erblickt man von weitem eine Stadt auf einem Hügel. Es
ist Megara. Daneben zur Rechten tritt die Küste von Salamis so nahe an
das Festland heran, daß der Meerbusen schon hier geschlossen zu sein scheint.
Nicht weit vom äußersten Nordwestende der Insel steht ein Kloster.

Megara, etwa dreimal so groß als Eleusis, liegt am Südabhange eines
Hügels, der sich am Westende der Ebene ungefähr drei Viertelstunden von der
See erhebt. Von fern nimmt sich die Stadt mit ihren platten Dächern recht
malerisch aus. In der Nähe aber verschwindet die Illusion. Die Häuser
sind meist bloße Hütten, zusammengefügt aus schlecht oder gar nicht beHaue-


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[0432] nach der Seeseite hin mit einer Mauer eingefaßter Salzsee. Mehr nach Westen hin trifft man neben einem einsamen Khan die Reste eines großen Marmor¬ denkmals, dessen Inschrift besagt, daß hier ein gewisser Straton begraben lag. Eleusis, jetzt Levfina, ist ein unbedeutendes Oertchen. Von dem stolzen marmornen Demetertempel und seinen Propyläen sind nur noch die in einen mächtigen Trümmerhaufen zusammengestürzten Mauerquadern und Säulen¬ trommeln, so wie einzelne Gebälkstücke übrig. Von der Akropolis, die den Hügel krönte, sieht man noch einen Theil der Umfassungsmauer. Der Thurm, der sich darüber erhebt, gehört dem Mittelalter an. In der kleinen Kirche des heiligen Zacharias werden einige sehr verstümmelte Statuenreste, darunter ein Poseidonskopf, aufbewahrt. Err Stück nordöstlich von der Stadt begeg¬ net man den Ruinen einer römischen Wasserleitung, und gleichfalls römischen Ursprungs sind wahrscheinlich die Mosaikfußböden, Ale wir in einem Hause südwestlich von der Stätte des Tempels und in einem Gehöft nicht fern von der Stelle fanden, wo einst der Hafen war. Die Nachbarschaft ist nicht so sorgfältig angebaut, als es der fruchtbare Boden verdient, sie würde jetzt nicht mehr die Sage erzeugen, daß Demeter hier zuerst pflügen und säen ge¬ lehrt habe; denn die Ebne hat ohne Zweifel im Alterthum dreimal so viel Bewohner ernährt, als heutzutage. Das Flüßchen, welches sie durchströmt, hat nicht nur den Namen, sondern auch die Wasserarmuth mit dem Kephissus Athens gemein. Bekanntlich läßt die Mythe Theseus an den Ufern desselben dem Unhold Prokrustes den grausamen Tod geben, den er vorher andern Wanderern bereitet. Der Weg von Eleusis nach Megara führt zunächst über die dürren, nur mit Gestrüpp bewachsenen Abhänge der Kerata, welche die Ausläufer eines vom Kithäron nach der Bai von Salamis herabstrebenden Gebirgszuges sind, und die einst die Grenze zwischen Attika und Megaris bildeten. Nach einiger Zeit senkt sich die Straße, die stets mehr oder minder nahe am Meer hin¬ läuft, durch einen Olivenwald in eine Ebene hinab, die minder ausgedehnt und besser bebaut als die eleusinische, aber von ähnlicher Gestalt und ebenso im Süden von der See und nach den drei andern Seiten vom Gebirge ein¬ gefaßt ist. Wieder erblickt man von weitem eine Stadt auf einem Hügel. Es ist Megara. Daneben zur Rechten tritt die Küste von Salamis so nahe an das Festland heran, daß der Meerbusen schon hier geschlossen zu sein scheint. Nicht weit vom äußersten Nordwestende der Insel steht ein Kloster. Megara, etwa dreimal so groß als Eleusis, liegt am Südabhange eines Hügels, der sich am Westende der Ebene ungefähr drei Viertelstunden von der See erhebt. Von fern nimmt sich die Stadt mit ihren platten Dächern recht malerisch aus. In der Nähe aber verschwindet die Illusion. Die Häuser sind meist bloße Hütten, zusammengefügt aus schlecht oder gar nicht beHaue-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/432>, abgerufen am 23.07.2024.