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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Tage. Zur Sicherung des Passes ist nicht fern vom Kloster ein Wachthaus
errichtet, welches eine starke Besatzung hat. Der Name Daphni erinnert noch
schwach an den Apollotempel, dessen Stätte das Kloster einnimmt*) und dessen
Trümmer zu dem grauen Maucrviereck, welches die Zellen und die Kirche um¬
gibt, einen Theil des Materials geliefert haben. Die Kirche ist im byzantini¬
schen Stil erbaut; doch hat die eine Fayade gothische Bogen, die vermuthlich
von den fränkischen Herzögen stammen, welche im Mittelalter Athen besahen
und deren Erbbegräbnis? hier war. Auf verfallnen Treppen und gebrechlichen
Leitern stiegen wir auswendig bis zur Kuppel hinauf, um durch ein Loch in
das schwarzangeräucherte, von Weihrauchduft erfüllte, düstre Innere hinabzu-
schauen, an dessen einer Wand, in den bläulichen Sonnenstrahlen, die sich
durch die Kuppel in die Dämmerung hinunterstehlen, ein riesiges Christusbild
in Mosaik flimmert. In einer kleinen Zelle wohnte auf dieser lustigen Hohe
ein Aufseher der Senatsbibliothek in Athen -- der Gesundheit wegen, wie er
selbst uns in geläufigem Französisch erklärte. In Wahrheit aber hatte man
ihn hierher geschafft, weil er gestörten Geistes war. Einen andern schlimmeren
Wahnsinnigen trafen wir unten in einem Gemach. Er habe über zu vielem
Studiren den Verstand eingebüßt, meinten die Mönche, denen ein solches Mi߬
geschick sicher nicht widerfahren kann.

Einige hundert Schritt weiter wird die Straße von einer glattabgehauenen
Felswand überragt, in der Nischen sür Weihgeschenke angebracht sind. Grie¬
chische Inschriften daneben sagen, daß dies ein Heiligthum der Philä Aphro¬
dite war, unter welchem Namen die Gemahlin des Demetrius Poiiorketes
hier göttlich verehrt wurde.

Schon von der Zinne des Klosters hatten wir in geringer Entfernung von
uns in der Tiefe ein Stück der Bucht von Salamis erblickt. Jetzt beim Hinab¬
steigen von der Höhe des Passes trat sie aus größere Strecken aus den Bergen
hervor, und bald ritten wir hart am Gestade hin. Glatt wie ein Spiegel,
still wie ein Landsee, dunkelblau wie Stahl lag links vor uns in einem drei¬
eckigen Nahmen rauchblauer, röthlich angehauchter Felsenberge das Meer.
Rechts trat das Gebirge des Festlandes allmälig von der Küste zurück, und
ließ eine halbmondförmige, mit einzelnen grünen Feldern geschmückte, baum¬
lose Ebne sehen, in deren Hintergrund gegen Westen auf einem Hügel zer¬
streut weiß und roth die Häuser von Eleusis schimmerten. In dämmeriger
Ferne ragten über niedrigeren Kämmen und Kuppen, hier der Gipfel des Heli¬
kon, dort die Kerata von Megara, da uns noch unbekannte Höhen des Pelo-
ponnes.

Nicht weit von da, wo man in die Ebne einbiegt, glänzt ein kleiner.



') Daphne heißt griechisch der Lorbeer, der heilige Baum des pythischen Gottes.

Tage. Zur Sicherung des Passes ist nicht fern vom Kloster ein Wachthaus
errichtet, welches eine starke Besatzung hat. Der Name Daphni erinnert noch
schwach an den Apollotempel, dessen Stätte das Kloster einnimmt*) und dessen
Trümmer zu dem grauen Maucrviereck, welches die Zellen und die Kirche um¬
gibt, einen Theil des Materials geliefert haben. Die Kirche ist im byzantini¬
schen Stil erbaut; doch hat die eine Fayade gothische Bogen, die vermuthlich
von den fränkischen Herzögen stammen, welche im Mittelalter Athen besahen
und deren Erbbegräbnis? hier war. Auf verfallnen Treppen und gebrechlichen
Leitern stiegen wir auswendig bis zur Kuppel hinauf, um durch ein Loch in
das schwarzangeräucherte, von Weihrauchduft erfüllte, düstre Innere hinabzu-
schauen, an dessen einer Wand, in den bläulichen Sonnenstrahlen, die sich
durch die Kuppel in die Dämmerung hinunterstehlen, ein riesiges Christusbild
in Mosaik flimmert. In einer kleinen Zelle wohnte auf dieser lustigen Hohe
ein Aufseher der Senatsbibliothek in Athen — der Gesundheit wegen, wie er
selbst uns in geläufigem Französisch erklärte. In Wahrheit aber hatte man
ihn hierher geschafft, weil er gestörten Geistes war. Einen andern schlimmeren
Wahnsinnigen trafen wir unten in einem Gemach. Er habe über zu vielem
Studiren den Verstand eingebüßt, meinten die Mönche, denen ein solches Mi߬
geschick sicher nicht widerfahren kann.

Einige hundert Schritt weiter wird die Straße von einer glattabgehauenen
Felswand überragt, in der Nischen sür Weihgeschenke angebracht sind. Grie¬
chische Inschriften daneben sagen, daß dies ein Heiligthum der Philä Aphro¬
dite war, unter welchem Namen die Gemahlin des Demetrius Poiiorketes
hier göttlich verehrt wurde.

Schon von der Zinne des Klosters hatten wir in geringer Entfernung von
uns in der Tiefe ein Stück der Bucht von Salamis erblickt. Jetzt beim Hinab¬
steigen von der Höhe des Passes trat sie aus größere Strecken aus den Bergen
hervor, und bald ritten wir hart am Gestade hin. Glatt wie ein Spiegel,
still wie ein Landsee, dunkelblau wie Stahl lag links vor uns in einem drei¬
eckigen Nahmen rauchblauer, röthlich angehauchter Felsenberge das Meer.
Rechts trat das Gebirge des Festlandes allmälig von der Küste zurück, und
ließ eine halbmondförmige, mit einzelnen grünen Feldern geschmückte, baum¬
lose Ebne sehen, in deren Hintergrund gegen Westen auf einem Hügel zer¬
streut weiß und roth die Häuser von Eleusis schimmerten. In dämmeriger
Ferne ragten über niedrigeren Kämmen und Kuppen, hier der Gipfel des Heli¬
kon, dort die Kerata von Megara, da uns noch unbekannte Höhen des Pelo-
ponnes.

Nicht weit von da, wo man in die Ebne einbiegt, glänzt ein kleiner.



') Daphne heißt griechisch der Lorbeer, der heilige Baum des pythischen Gottes.
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[0431] Tage. Zur Sicherung des Passes ist nicht fern vom Kloster ein Wachthaus errichtet, welches eine starke Besatzung hat. Der Name Daphni erinnert noch schwach an den Apollotempel, dessen Stätte das Kloster einnimmt*) und dessen Trümmer zu dem grauen Maucrviereck, welches die Zellen und die Kirche um¬ gibt, einen Theil des Materials geliefert haben. Die Kirche ist im byzantini¬ schen Stil erbaut; doch hat die eine Fayade gothische Bogen, die vermuthlich von den fränkischen Herzögen stammen, welche im Mittelalter Athen besahen und deren Erbbegräbnis? hier war. Auf verfallnen Treppen und gebrechlichen Leitern stiegen wir auswendig bis zur Kuppel hinauf, um durch ein Loch in das schwarzangeräucherte, von Weihrauchduft erfüllte, düstre Innere hinabzu- schauen, an dessen einer Wand, in den bläulichen Sonnenstrahlen, die sich durch die Kuppel in die Dämmerung hinunterstehlen, ein riesiges Christusbild in Mosaik flimmert. In einer kleinen Zelle wohnte auf dieser lustigen Hohe ein Aufseher der Senatsbibliothek in Athen — der Gesundheit wegen, wie er selbst uns in geläufigem Französisch erklärte. In Wahrheit aber hatte man ihn hierher geschafft, weil er gestörten Geistes war. Einen andern schlimmeren Wahnsinnigen trafen wir unten in einem Gemach. Er habe über zu vielem Studiren den Verstand eingebüßt, meinten die Mönche, denen ein solches Mi߬ geschick sicher nicht widerfahren kann. Einige hundert Schritt weiter wird die Straße von einer glattabgehauenen Felswand überragt, in der Nischen sür Weihgeschenke angebracht sind. Grie¬ chische Inschriften daneben sagen, daß dies ein Heiligthum der Philä Aphro¬ dite war, unter welchem Namen die Gemahlin des Demetrius Poiiorketes hier göttlich verehrt wurde. Schon von der Zinne des Klosters hatten wir in geringer Entfernung von uns in der Tiefe ein Stück der Bucht von Salamis erblickt. Jetzt beim Hinab¬ steigen von der Höhe des Passes trat sie aus größere Strecken aus den Bergen hervor, und bald ritten wir hart am Gestade hin. Glatt wie ein Spiegel, still wie ein Landsee, dunkelblau wie Stahl lag links vor uns in einem drei¬ eckigen Nahmen rauchblauer, röthlich angehauchter Felsenberge das Meer. Rechts trat das Gebirge des Festlandes allmälig von der Küste zurück, und ließ eine halbmondförmige, mit einzelnen grünen Feldern geschmückte, baum¬ lose Ebne sehen, in deren Hintergrund gegen Westen auf einem Hügel zer¬ streut weiß und roth die Häuser von Eleusis schimmerten. In dämmeriger Ferne ragten über niedrigeren Kämmen und Kuppen, hier der Gipfel des Heli¬ kon, dort die Kerata von Megara, da uns noch unbekannte Höhen des Pelo- ponnes. Nicht weit von da, wo man in die Ebne einbiegt, glänzt ein kleiner. ') Daphne heißt griechisch der Lorbeer, der heilige Baum des pythischen Gottes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/431>, abgerufen am 25.08.2024.