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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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auf weiteres wieder auf, erklärte die auf Grundlage früherer Gesetze gemach¬
ten Erwerbungen (seit 1848) nur für die Person giltig und verbot ihre Ver¬
erbung. Stirbt der gegenwärtige Besitzer, so tritt ein Zwangsverkauf ein, es
sei denn, daß ausnahmsweise die Uebertragung des Eigenthums an die na¬
türlichen Erben geduldet wird. Die Ertheilung solcher Privilegien, von dem
Gutachten der untergeordneten Behörden abhängig, war in den ersten Jahren
nach dem Erlaß jener Verordnung keine Seltenheit. Desto strenger wurde das
Verbot in der letzten Zeit gehandhabt, trotzdem daß es selbst in den höchsten
Verwaltungskreisen nicht mit günstigen Augen angesehen wird. Nicht zufällig
trifft diese Wendung zum schlimmern beinahe bis auf Tag und Stunde -mit
dem Abschluß des Concordates zusammen, wie denn auch nach glaubwürdigen
Versicherungen es zunächst klerikale Einflüsse sind, welche die oft bereits und
dringend angetragene Aufhebung jener Besitzbeschränkungen bis jetzt verhin¬
derten. In den letzten Wochen sind die Hoffnungen auf eine günstige Lösung
der Frage gestiegen, indem es möglich wurde, nicht mit allgemeinen Huma¬
nitätsseufzern, sondern mit concreten Thatsachen das Gemeinschüdliche der be¬
stehenden Verhältnisse zu begründen und die Rechtsverwirrungen und den
volkswirthschaftlichen Schaden, den sie hervorriefen, zu beweisen. Wir füh¬
ren nur zwei Beispiele an, nicht als die einzigen, nicht einmal als die schla¬
gendsten; wir besitzen aber zufällig von denselben actenmäßige Kunde und
können daher ihre Nichtigkeit vollkommen verbürgen. Ein jüdisches Gemeinde¬
glied eines böhmischen Dorfes erwarb am 5. August 1853 eine Grundfläche
von u>0 Quadratklaftern als Bauplatz. sowol für diesen Kauf, wie für die Er¬
richtung eines Wohnhauses auf dem Bauplatze hatten die Behörden ihre Be¬
willigung ohne Zögern ertheilt. Dem Wohnhause selbst lag ein amtlich ge¬
nehmigter Bauplan zu Grunde. Als es aber fertig stand und der Eigen¬
thümer seinen Besitztitel in die öffentlichen Bücher einschreiben lassen wollte,
wurde er abgewiesen, weil ihm nach der Verordnung vom 2. October 1853
die Bcsitzfähigkeit mangle. Der Zwangsverkauf drohte, die Gefahr war vor¬
handen, ein auf gesetzlichem Wege rechtmäßig erworbenes Eigenthum zu ver¬
lieren. Denn bei einem Zwangsverkauf werden bekanntlich die Güter zu den
schlechtesten Preisen losgeschlagen. Zum Glück war der in seinen Rechten be¬
schädigte Mann eine energische Natur. Er suchte Abhilfe bei der höheren
Instanz. Das böhmische Oberlnndesgericht, von welchem der rechtliche, hu¬
mane Sinn seines früheren Präsidenten, des Grafen Mitrowsky, noch nicht
gewichen, entschied zu seinen Gunsten und setzte ihn in sein Eigenthum wieder
ein. Wie lange er in demselben bleiben wird, ist freilich eine andere Frage,
und gesetzt, er würde nicht weiter behelligt werden, so erscheint es doch traurig
genug, daß in einer so klaren Rechtssache zwei verschiedene Entscheidungen ge¬
troffen werden konnten. Die Rechtssicherheit hat dadurch keineswegs gewonnen.


auf weiteres wieder auf, erklärte die auf Grundlage früherer Gesetze gemach¬
ten Erwerbungen (seit 1848) nur für die Person giltig und verbot ihre Ver¬
erbung. Stirbt der gegenwärtige Besitzer, so tritt ein Zwangsverkauf ein, es
sei denn, daß ausnahmsweise die Uebertragung des Eigenthums an die na¬
türlichen Erben geduldet wird. Die Ertheilung solcher Privilegien, von dem
Gutachten der untergeordneten Behörden abhängig, war in den ersten Jahren
nach dem Erlaß jener Verordnung keine Seltenheit. Desto strenger wurde das
Verbot in der letzten Zeit gehandhabt, trotzdem daß es selbst in den höchsten
Verwaltungskreisen nicht mit günstigen Augen angesehen wird. Nicht zufällig
trifft diese Wendung zum schlimmern beinahe bis auf Tag und Stunde -mit
dem Abschluß des Concordates zusammen, wie denn auch nach glaubwürdigen
Versicherungen es zunächst klerikale Einflüsse sind, welche die oft bereits und
dringend angetragene Aufhebung jener Besitzbeschränkungen bis jetzt verhin¬
derten. In den letzten Wochen sind die Hoffnungen auf eine günstige Lösung
der Frage gestiegen, indem es möglich wurde, nicht mit allgemeinen Huma¬
nitätsseufzern, sondern mit concreten Thatsachen das Gemeinschüdliche der be¬
stehenden Verhältnisse zu begründen und die Rechtsverwirrungen und den
volkswirthschaftlichen Schaden, den sie hervorriefen, zu beweisen. Wir füh¬
ren nur zwei Beispiele an, nicht als die einzigen, nicht einmal als die schla¬
gendsten; wir besitzen aber zufällig von denselben actenmäßige Kunde und
können daher ihre Nichtigkeit vollkommen verbürgen. Ein jüdisches Gemeinde¬
glied eines böhmischen Dorfes erwarb am 5. August 1853 eine Grundfläche
von u>0 Quadratklaftern als Bauplatz. sowol für diesen Kauf, wie für die Er¬
richtung eines Wohnhauses auf dem Bauplatze hatten die Behörden ihre Be¬
willigung ohne Zögern ertheilt. Dem Wohnhause selbst lag ein amtlich ge¬
nehmigter Bauplan zu Grunde. Als es aber fertig stand und der Eigen¬
thümer seinen Besitztitel in die öffentlichen Bücher einschreiben lassen wollte,
wurde er abgewiesen, weil ihm nach der Verordnung vom 2. October 1853
die Bcsitzfähigkeit mangle. Der Zwangsverkauf drohte, die Gefahr war vor¬
handen, ein auf gesetzlichem Wege rechtmäßig erworbenes Eigenthum zu ver¬
lieren. Denn bei einem Zwangsverkauf werden bekanntlich die Güter zu den
schlechtesten Preisen losgeschlagen. Zum Glück war der in seinen Rechten be¬
schädigte Mann eine energische Natur. Er suchte Abhilfe bei der höheren
Instanz. Das böhmische Oberlnndesgericht, von welchem der rechtliche, hu¬
mane Sinn seines früheren Präsidenten, des Grafen Mitrowsky, noch nicht
gewichen, entschied zu seinen Gunsten und setzte ihn in sein Eigenthum wieder
ein. Wie lange er in demselben bleiben wird, ist freilich eine andere Frage,
und gesetzt, er würde nicht weiter behelligt werden, so erscheint es doch traurig
genug, daß in einer so klaren Rechtssache zwei verschiedene Entscheidungen ge¬
troffen werden konnten. Die Rechtssicherheit hat dadurch keineswegs gewonnen.


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[0376] auf weiteres wieder auf, erklärte die auf Grundlage früherer Gesetze gemach¬ ten Erwerbungen (seit 1848) nur für die Person giltig und verbot ihre Ver¬ erbung. Stirbt der gegenwärtige Besitzer, so tritt ein Zwangsverkauf ein, es sei denn, daß ausnahmsweise die Uebertragung des Eigenthums an die na¬ türlichen Erben geduldet wird. Die Ertheilung solcher Privilegien, von dem Gutachten der untergeordneten Behörden abhängig, war in den ersten Jahren nach dem Erlaß jener Verordnung keine Seltenheit. Desto strenger wurde das Verbot in der letzten Zeit gehandhabt, trotzdem daß es selbst in den höchsten Verwaltungskreisen nicht mit günstigen Augen angesehen wird. Nicht zufällig trifft diese Wendung zum schlimmern beinahe bis auf Tag und Stunde -mit dem Abschluß des Concordates zusammen, wie denn auch nach glaubwürdigen Versicherungen es zunächst klerikale Einflüsse sind, welche die oft bereits und dringend angetragene Aufhebung jener Besitzbeschränkungen bis jetzt verhin¬ derten. In den letzten Wochen sind die Hoffnungen auf eine günstige Lösung der Frage gestiegen, indem es möglich wurde, nicht mit allgemeinen Huma¬ nitätsseufzern, sondern mit concreten Thatsachen das Gemeinschüdliche der be¬ stehenden Verhältnisse zu begründen und die Rechtsverwirrungen und den volkswirthschaftlichen Schaden, den sie hervorriefen, zu beweisen. Wir füh¬ ren nur zwei Beispiele an, nicht als die einzigen, nicht einmal als die schla¬ gendsten; wir besitzen aber zufällig von denselben actenmäßige Kunde und können daher ihre Nichtigkeit vollkommen verbürgen. Ein jüdisches Gemeinde¬ glied eines böhmischen Dorfes erwarb am 5. August 1853 eine Grundfläche von u>0 Quadratklaftern als Bauplatz. sowol für diesen Kauf, wie für die Er¬ richtung eines Wohnhauses auf dem Bauplatze hatten die Behörden ihre Be¬ willigung ohne Zögern ertheilt. Dem Wohnhause selbst lag ein amtlich ge¬ nehmigter Bauplan zu Grunde. Als es aber fertig stand und der Eigen¬ thümer seinen Besitztitel in die öffentlichen Bücher einschreiben lassen wollte, wurde er abgewiesen, weil ihm nach der Verordnung vom 2. October 1853 die Bcsitzfähigkeit mangle. Der Zwangsverkauf drohte, die Gefahr war vor¬ handen, ein auf gesetzlichem Wege rechtmäßig erworbenes Eigenthum zu ver¬ lieren. Denn bei einem Zwangsverkauf werden bekanntlich die Güter zu den schlechtesten Preisen losgeschlagen. Zum Glück war der in seinen Rechten be¬ schädigte Mann eine energische Natur. Er suchte Abhilfe bei der höheren Instanz. Das böhmische Oberlnndesgericht, von welchem der rechtliche, hu¬ mane Sinn seines früheren Präsidenten, des Grafen Mitrowsky, noch nicht gewichen, entschied zu seinen Gunsten und setzte ihn in sein Eigenthum wieder ein. Wie lange er in demselben bleiben wird, ist freilich eine andere Frage, und gesetzt, er würde nicht weiter behelligt werden, so erscheint es doch traurig genug, daß in einer so klaren Rechtssache zwei verschiedene Entscheidungen ge¬ troffen werden konnten. Die Rechtssicherheit hat dadurch keineswegs gewonnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/376>, abgerufen am 22.07.2024.