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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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ner Zeit rinnen aus dem Gestein nur einige Quellen dem Teiche zu. Wäscher¬
innen reinigen hier in der Weise des Alterthums ihre Wäsche und weithin
schallt das Klatschen der Schlägel, mit denen sie arbeiten. Wir sind an der
Kallirrhos, wo einst die auf dem Hymettus hausenden Pelasger eben solche
Wäscherinnen überfielen und entführten. Von den Säulen, mit denen Pisi-
stratus die Quellen umgab, ist nichts mehr vorhanden, doch erkennt man im
Felsen noch einige alte Nöhrengänge.

Auf dem Ostufer des Ilissus standen im Alterthum mehre Heiligthümer:
ein Tempel des Apollo, ein Aphroditentempel, und der in jonischen Stil er¬
baute sogenannte Jlifsustempel. V.on diesem war vor hundert Jahren nur
der letztere noch übrig, und zwar hatte ihn das Christenthum in eine Kapelle
der Panagia Seen Petran, der allerheiligsten Jungfrau auf dem Stein, ver¬
wandelt. Da ließ im Jahre 1K74 ein französischer Botschafter darin eine
Messe nach lateinischen Ritus lesen. Die Griechen erblickten in diesem Act eine
Entweihung und zogen sich von dem Orte zurück. So verfiel der Tempel,
und jetzt sieht man kaum noch eine Spur davon.

Das einzige noch deutlich hervortretende Denkmal alter Zeit in dieser Ge¬
gend ist das in einer Senkung zwischen den am Ilissus hinlaufenden Hügeln
befindliche Stadium, wo die mit den'Panathenäen verbundenen gymna¬
stischen Spiele abgehalten wurden. Es war 600 Fuß lang. Wo die Sen¬
kung sich nach dein Flußthal öffnete, war eine starke Mauer aufgeführt, welche
e>ne Ebene herstellte und das Abrutschen- des Erdreichs verhinderte. Die Sitz¬
reihen, auf denen gegen vierzigtausend Zuschauer Platz hatten, zogen sich in
der Form eines sehr tief einbiegenden Hufeisens um die Wände des Thal¬
einschnitts hin. Herodes Atticus ließ sie mit pentelischem Marmor bekleiden,
und wahrscheinlich war der Raum auch sonst mit Werken der Kunst geziert.
Jetzt ist von aller dieser Herrlichkeit nichts mehr zu finden, und nur die Sub-
structionsmnuer steht noch wie zur Zeit ihres Erbauers Lykurg. Auf der Arena
trafen wir ein Gerstenfeld, an den Abhängen Disteln und wilden Thymian,
starkduftende Kannten und Wolfsmilch, so wie einzelne große dunkelrothe
Anemonen.

Außer den im Vorstehenden geschilderten Resten des alten Athen finden
sich noch einige andere, über deren Bedeutung wir indeß nichts Bestimmtes
wissen. Dahin gehören die antiken Säulen in der kleinen verfallenen Kirche
der Panagia auf dem Fruchtmarkt. die Säule mit römischem Kapitül, an
welche die Kapelle des Hagios Joannis angebaut ist, und die drei jonischen
Säulen in der Nähe des Lysikratesdenkmals, in denen man die Reste eines
Scrapistempels erkennen will. Von den Stadtmauern verfolgte ich mit unserm
Cicerone deutliche Spuren von dem nordwestlichen Abhang des Nymphen-
Hügels über die Pnyx und das Museion bis hinab nach dem Ilissus. Ueber


ner Zeit rinnen aus dem Gestein nur einige Quellen dem Teiche zu. Wäscher¬
innen reinigen hier in der Weise des Alterthums ihre Wäsche und weithin
schallt das Klatschen der Schlägel, mit denen sie arbeiten. Wir sind an der
Kallirrhos, wo einst die auf dem Hymettus hausenden Pelasger eben solche
Wäscherinnen überfielen und entführten. Von den Säulen, mit denen Pisi-
stratus die Quellen umgab, ist nichts mehr vorhanden, doch erkennt man im
Felsen noch einige alte Nöhrengänge.

Auf dem Ostufer des Ilissus standen im Alterthum mehre Heiligthümer:
ein Tempel des Apollo, ein Aphroditentempel, und der in jonischen Stil er¬
baute sogenannte Jlifsustempel. V.on diesem war vor hundert Jahren nur
der letztere noch übrig, und zwar hatte ihn das Christenthum in eine Kapelle
der Panagia Seen Petran, der allerheiligsten Jungfrau auf dem Stein, ver¬
wandelt. Da ließ im Jahre 1K74 ein französischer Botschafter darin eine
Messe nach lateinischen Ritus lesen. Die Griechen erblickten in diesem Act eine
Entweihung und zogen sich von dem Orte zurück. So verfiel der Tempel,
und jetzt sieht man kaum noch eine Spur davon.

Das einzige noch deutlich hervortretende Denkmal alter Zeit in dieser Ge¬
gend ist das in einer Senkung zwischen den am Ilissus hinlaufenden Hügeln
befindliche Stadium, wo die mit den'Panathenäen verbundenen gymna¬
stischen Spiele abgehalten wurden. Es war 600 Fuß lang. Wo die Sen¬
kung sich nach dein Flußthal öffnete, war eine starke Mauer aufgeführt, welche
e>ne Ebene herstellte und das Abrutschen- des Erdreichs verhinderte. Die Sitz¬
reihen, auf denen gegen vierzigtausend Zuschauer Platz hatten, zogen sich in
der Form eines sehr tief einbiegenden Hufeisens um die Wände des Thal¬
einschnitts hin. Herodes Atticus ließ sie mit pentelischem Marmor bekleiden,
und wahrscheinlich war der Raum auch sonst mit Werken der Kunst geziert.
Jetzt ist von aller dieser Herrlichkeit nichts mehr zu finden, und nur die Sub-
structionsmnuer steht noch wie zur Zeit ihres Erbauers Lykurg. Auf der Arena
trafen wir ein Gerstenfeld, an den Abhängen Disteln und wilden Thymian,
starkduftende Kannten und Wolfsmilch, so wie einzelne große dunkelrothe
Anemonen.

Außer den im Vorstehenden geschilderten Resten des alten Athen finden
sich noch einige andere, über deren Bedeutung wir indeß nichts Bestimmtes
wissen. Dahin gehören die antiken Säulen in der kleinen verfallenen Kirche
der Panagia auf dem Fruchtmarkt. die Säule mit römischem Kapitül, an
welche die Kapelle des Hagios Joannis angebaut ist, und die drei jonischen
Säulen in der Nähe des Lysikratesdenkmals, in denen man die Reste eines
Scrapistempels erkennen will. Von den Stadtmauern verfolgte ich mit unserm
Cicerone deutliche Spuren von dem nordwestlichen Abhang des Nymphen-
Hügels über die Pnyx und das Museion bis hinab nach dem Ilissus. Ueber


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[0365] ner Zeit rinnen aus dem Gestein nur einige Quellen dem Teiche zu. Wäscher¬ innen reinigen hier in der Weise des Alterthums ihre Wäsche und weithin schallt das Klatschen der Schlägel, mit denen sie arbeiten. Wir sind an der Kallirrhos, wo einst die auf dem Hymettus hausenden Pelasger eben solche Wäscherinnen überfielen und entführten. Von den Säulen, mit denen Pisi- stratus die Quellen umgab, ist nichts mehr vorhanden, doch erkennt man im Felsen noch einige alte Nöhrengänge. Auf dem Ostufer des Ilissus standen im Alterthum mehre Heiligthümer: ein Tempel des Apollo, ein Aphroditentempel, und der in jonischen Stil er¬ baute sogenannte Jlifsustempel. V.on diesem war vor hundert Jahren nur der letztere noch übrig, und zwar hatte ihn das Christenthum in eine Kapelle der Panagia Seen Petran, der allerheiligsten Jungfrau auf dem Stein, ver¬ wandelt. Da ließ im Jahre 1K74 ein französischer Botschafter darin eine Messe nach lateinischen Ritus lesen. Die Griechen erblickten in diesem Act eine Entweihung und zogen sich von dem Orte zurück. So verfiel der Tempel, und jetzt sieht man kaum noch eine Spur davon. Das einzige noch deutlich hervortretende Denkmal alter Zeit in dieser Ge¬ gend ist das in einer Senkung zwischen den am Ilissus hinlaufenden Hügeln befindliche Stadium, wo die mit den'Panathenäen verbundenen gymna¬ stischen Spiele abgehalten wurden. Es war 600 Fuß lang. Wo die Sen¬ kung sich nach dein Flußthal öffnete, war eine starke Mauer aufgeführt, welche e>ne Ebene herstellte und das Abrutschen- des Erdreichs verhinderte. Die Sitz¬ reihen, auf denen gegen vierzigtausend Zuschauer Platz hatten, zogen sich in der Form eines sehr tief einbiegenden Hufeisens um die Wände des Thal¬ einschnitts hin. Herodes Atticus ließ sie mit pentelischem Marmor bekleiden, und wahrscheinlich war der Raum auch sonst mit Werken der Kunst geziert. Jetzt ist von aller dieser Herrlichkeit nichts mehr zu finden, und nur die Sub- structionsmnuer steht noch wie zur Zeit ihres Erbauers Lykurg. Auf der Arena trafen wir ein Gerstenfeld, an den Abhängen Disteln und wilden Thymian, starkduftende Kannten und Wolfsmilch, so wie einzelne große dunkelrothe Anemonen. Außer den im Vorstehenden geschilderten Resten des alten Athen finden sich noch einige andere, über deren Bedeutung wir indeß nichts Bestimmtes wissen. Dahin gehören die antiken Säulen in der kleinen verfallenen Kirche der Panagia auf dem Fruchtmarkt. die Säule mit römischem Kapitül, an welche die Kapelle des Hagios Joannis angebaut ist, und die drei jonischen Säulen in der Nähe des Lysikratesdenkmals, in denen man die Reste eines Scrapistempels erkennen will. Von den Stadtmauern verfolgte ich mit unserm Cicerone deutliche Spuren von dem nordwestlichen Abhang des Nymphen- Hügels über die Pnyx und das Museion bis hinab nach dem Ilissus. Ueber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/365>, abgerufen am 23.07.2024.