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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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olympischen Zeus. Nicht weniger als 120 korinthische Säulen, jede von
mehr als 60 Fuß Höhe und 6'/" Fuß Durchmesser, von denen drei Reihen
an den Fronten und zwei an den Langseiten standen, bildeten den Säulen¬
gang um die Cella. in der die aus Gold und Elfenbein gefertigte Kolossal¬
statue des Gottes sich erhob. Das Ganze war über 350 Fuß lang und mehr
als 160 Fuß breit. Malereien und Sculpturen aller Art zierten das Innere
des Wunderbaus, und in dem heiligen Bezirk, welcher den Tempel umgab,
befanden sich Hunderte von Statuen, darunter mehre des kaiserlichen Erbau¬
ers. Jetzt ist die Umgebung des Heiligthums ein dürrer Grasfleck, mit Re¬
sten von Gemäuer bestreut. Die Cella ist völlig verschwunden, und von den
120 Säulen stehen nur noch 15 aufrecht, 13 zusammen an der Südostecke,
die ein Stück vom Architrav tragen, und nicht weit westlich davon noch zwei
einzelne. Eine sechzehnte warf der Orkan vom October 1852 um. Die übrigen
wurden im Mittelalter von den byzantinischen Kaisern und später von den
Türken weggeholt.

Die noch stehende Säulengruppe nimmt sich besonders in der Abenddäm¬
merung sehr großartig aus, und noch besser in einer hellen Mondnacht, wo
das Getümmel von Kasfcetrinkern, die sich des Abends vor den hier errich¬
teten beiden Schenkbuden tummeln, den feierlichen Eindruck nicht mehr stört
und die MUitürmusik nicht zu fürchten ist, welche einigemal in der Woche
hier rumort. Aber so sehr die Maße der Säulen imponiren und so zierlich
ihre laubgcschmückten Kapitäle sind, vor dem feineren Geschmack und dem ge¬
bildeten Auge hält das Olympicion kaum einen Vergleich mit dem Parthenon
aus, mag man es sich auch in seiner ganzen ungeheuren Pracht im Geiste
wieder' aufbauen. Das Parthenon war eine Verkörperung der althellenischer
Frömmigkeit, es entstand aus dem in Perikles und Phidias gipfelnden Drang
des Volkes, seiner höchsten Göttin ein ihrer würdiges Haus zu bauen, daher
seine unnachahmliche Vollendung, seine harmonische Wirkung. Das Olym-
pieion dagegen war weniger ein Tempel des olympischen Zeus, als ein Tem¬
pel des Hadrinn, der sich, gleich den Pharaonen Thebens, in ihm nicht nur
verewigen wollte, sondern sich selbst einen Altar darin errichtete. Baulust
und Ruhmsucht waren seine Gründer, wie sie die Gründer jener spätern ägyp¬
tischen Tempel waren.

Gegen Süden und Osten sieht man noch in mehren Quaderlagen Spuren
der Terrasse, welche dem Hadrianstempel als Unterbau diente. Dicht daneben
murmelt an den Vorbergen des Hymettus zwischen Gärten der Ilissus. In
der Ferne glänzt das Meer. Steigen wir in südöstlicher Richtung nach dem
Flüßchen hinab, so kommen wir nach einigen Schritten an einen kleinen Teich,
über dem sich eine niedrige, wildzerklüftete schwarze Felswand erhebt, von der
bei-starken Regengüssen der Ilissus in einem Wasserfall herabstürzt. In krönt-


olympischen Zeus. Nicht weniger als 120 korinthische Säulen, jede von
mehr als 60 Fuß Höhe und 6'/« Fuß Durchmesser, von denen drei Reihen
an den Fronten und zwei an den Langseiten standen, bildeten den Säulen¬
gang um die Cella. in der die aus Gold und Elfenbein gefertigte Kolossal¬
statue des Gottes sich erhob. Das Ganze war über 350 Fuß lang und mehr
als 160 Fuß breit. Malereien und Sculpturen aller Art zierten das Innere
des Wunderbaus, und in dem heiligen Bezirk, welcher den Tempel umgab,
befanden sich Hunderte von Statuen, darunter mehre des kaiserlichen Erbau¬
ers. Jetzt ist die Umgebung des Heiligthums ein dürrer Grasfleck, mit Re¬
sten von Gemäuer bestreut. Die Cella ist völlig verschwunden, und von den
120 Säulen stehen nur noch 15 aufrecht, 13 zusammen an der Südostecke,
die ein Stück vom Architrav tragen, und nicht weit westlich davon noch zwei
einzelne. Eine sechzehnte warf der Orkan vom October 1852 um. Die übrigen
wurden im Mittelalter von den byzantinischen Kaisern und später von den
Türken weggeholt.

Die noch stehende Säulengruppe nimmt sich besonders in der Abenddäm¬
merung sehr großartig aus, und noch besser in einer hellen Mondnacht, wo
das Getümmel von Kasfcetrinkern, die sich des Abends vor den hier errich¬
teten beiden Schenkbuden tummeln, den feierlichen Eindruck nicht mehr stört
und die MUitürmusik nicht zu fürchten ist, welche einigemal in der Woche
hier rumort. Aber so sehr die Maße der Säulen imponiren und so zierlich
ihre laubgcschmückten Kapitäle sind, vor dem feineren Geschmack und dem ge¬
bildeten Auge hält das Olympicion kaum einen Vergleich mit dem Parthenon
aus, mag man es sich auch in seiner ganzen ungeheuren Pracht im Geiste
wieder' aufbauen. Das Parthenon war eine Verkörperung der althellenischer
Frömmigkeit, es entstand aus dem in Perikles und Phidias gipfelnden Drang
des Volkes, seiner höchsten Göttin ein ihrer würdiges Haus zu bauen, daher
seine unnachahmliche Vollendung, seine harmonische Wirkung. Das Olym-
pieion dagegen war weniger ein Tempel des olympischen Zeus, als ein Tem¬
pel des Hadrinn, der sich, gleich den Pharaonen Thebens, in ihm nicht nur
verewigen wollte, sondern sich selbst einen Altar darin errichtete. Baulust
und Ruhmsucht waren seine Gründer, wie sie die Gründer jener spätern ägyp¬
tischen Tempel waren.

Gegen Süden und Osten sieht man noch in mehren Quaderlagen Spuren
der Terrasse, welche dem Hadrianstempel als Unterbau diente. Dicht daneben
murmelt an den Vorbergen des Hymettus zwischen Gärten der Ilissus. In
der Ferne glänzt das Meer. Steigen wir in südöstlicher Richtung nach dem
Flüßchen hinab, so kommen wir nach einigen Schritten an einen kleinen Teich,
über dem sich eine niedrige, wildzerklüftete schwarze Felswand erhebt, von der
bei-starken Regengüssen der Ilissus in einem Wasserfall herabstürzt. In krönt-


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[0364] olympischen Zeus. Nicht weniger als 120 korinthische Säulen, jede von mehr als 60 Fuß Höhe und 6'/« Fuß Durchmesser, von denen drei Reihen an den Fronten und zwei an den Langseiten standen, bildeten den Säulen¬ gang um die Cella. in der die aus Gold und Elfenbein gefertigte Kolossal¬ statue des Gottes sich erhob. Das Ganze war über 350 Fuß lang und mehr als 160 Fuß breit. Malereien und Sculpturen aller Art zierten das Innere des Wunderbaus, und in dem heiligen Bezirk, welcher den Tempel umgab, befanden sich Hunderte von Statuen, darunter mehre des kaiserlichen Erbau¬ ers. Jetzt ist die Umgebung des Heiligthums ein dürrer Grasfleck, mit Re¬ sten von Gemäuer bestreut. Die Cella ist völlig verschwunden, und von den 120 Säulen stehen nur noch 15 aufrecht, 13 zusammen an der Südostecke, die ein Stück vom Architrav tragen, und nicht weit westlich davon noch zwei einzelne. Eine sechzehnte warf der Orkan vom October 1852 um. Die übrigen wurden im Mittelalter von den byzantinischen Kaisern und später von den Türken weggeholt. Die noch stehende Säulengruppe nimmt sich besonders in der Abenddäm¬ merung sehr großartig aus, und noch besser in einer hellen Mondnacht, wo das Getümmel von Kasfcetrinkern, die sich des Abends vor den hier errich¬ teten beiden Schenkbuden tummeln, den feierlichen Eindruck nicht mehr stört und die MUitürmusik nicht zu fürchten ist, welche einigemal in der Woche hier rumort. Aber so sehr die Maße der Säulen imponiren und so zierlich ihre laubgcschmückten Kapitäle sind, vor dem feineren Geschmack und dem ge¬ bildeten Auge hält das Olympicion kaum einen Vergleich mit dem Parthenon aus, mag man es sich auch in seiner ganzen ungeheuren Pracht im Geiste wieder' aufbauen. Das Parthenon war eine Verkörperung der althellenischer Frömmigkeit, es entstand aus dem in Perikles und Phidias gipfelnden Drang des Volkes, seiner höchsten Göttin ein ihrer würdiges Haus zu bauen, daher seine unnachahmliche Vollendung, seine harmonische Wirkung. Das Olym- pieion dagegen war weniger ein Tempel des olympischen Zeus, als ein Tem¬ pel des Hadrinn, der sich, gleich den Pharaonen Thebens, in ihm nicht nur verewigen wollte, sondern sich selbst einen Altar darin errichtete. Baulust und Ruhmsucht waren seine Gründer, wie sie die Gründer jener spätern ägyp¬ tischen Tempel waren. Gegen Süden und Osten sieht man noch in mehren Quaderlagen Spuren der Terrasse, welche dem Hadrianstempel als Unterbau diente. Dicht daneben murmelt an den Vorbergen des Hymettus zwischen Gärten der Ilissus. In der Ferne glänzt das Meer. Steigen wir in südöstlicher Richtung nach dem Flüßchen hinab, so kommen wir nach einigen Schritten an einen kleinen Teich, über dem sich eine niedrige, wildzerklüftete schwarze Felswand erhebt, von der bei-starken Regengüssen der Ilissus in einem Wasserfall herabstürzt. In krönt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/364>, abgerufen am 23.07.2024.