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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Wärme und, wie das Gefäß versinnbildet, das er ausgießt, häufige Regen¬
schauer. Lips. der Südwest. galt als der Schiffahrt besonders günstig und
so zeigt er hier durch die Gallion, die er in der Hand hält. an. daß es Zeit
sei, in See zu stechen. Der Zephyros oder Westwind schwebt als milder
Jüngling in einem leichten, mit Blumen gefüllten Mantel und ohne Fu߬
begleitung hin. Skiron dagegen, der Nordwest, ist wieder ein finstrer bärtiger
Alter, dicht bekleidet und mit dicken Stiefeln versehen, und gießt aus einer
großen Schale Wasser aus. Unter den geflügelten Relieffiguren waren metallne
Stäbe für Sonnenuhren angebracht; die Schattenstriche, welche die Stunden
anzeigten, sind an der Wand darunter noch erkennbar. Das Dachgesims hatte
24 Löwenköpfe, durch welche das Regenwasser ablief. Im Innern des Thurms
befindet sich jetzt ein kleines Museum von Inschriften und Reliefs.

Gehen wir von hier nordwestlich über den Markt mit seinen Frucht-,
Gemüse- und Fleischbuden und dann über den Hof der anstoßenden Kaserne,
so kommen wir zu den Resten der Stoa Hadrians. Dieselbe war ein
ebenso weitläufiger als prächtiger Bau, der zwei Tempel und eine Bibliothek
einschloß. Jetzt steht uur noch die rechte Ecksäule der Vorhalle und dahinter
an der Wand eine Reihe von sieben andern Säulen. Der Bau gehörte dem ko¬
rinthischen Stil an. Die Säulen sind Monolithen von Cipollin. Das Innere
enthält ebenfalls einige in der Nachbarschaft ausgegrabene Alterthümer.

Setzt mau seine Wanderung von hier gegen Südost fort, so kommt man
durch eine Anzahl enger, krummer und ärmlicher Gassen wieder in die Gegend
des Lysil'ratesdenkmals. Hier am Ende der heutigen Stadt erhebt sich, em
Stück von den letzten Häusern entfernt, ein hohes antikes Marmorthor, der
sogenannte Hadri amhd ogen. Es verband die alte Stadt mit der östlich
gelegenen Neustadt, die vorzüglich durch Hadrian erweitert und ausgeschmückt
wurde. Dies sagen noch jetzt die Inschriften auf beiden Seiten des Bogens,
die beiläufig ziemlich trivial lauten. Die an der Nordwestseite verkündet dem
Leser: "Athen ist dieses hier, des Theseus alte Stadt," die andere: "Dies ist
des Hadrian, und nicht des Theseus Stadt." Der Bau besteht aus zwei
Stockwerken. Das untere bildet einen großen Bogen, zu dessen Seiten früher
korinthische Säulen standen, im obern sieht man zwischen Säulen und Pfei¬
lern hohe Nischen, in denen jedenfalls Statuen aufgestellt waren. Darüber
strebt noch ein Giebel empor, so daß das Ganze eine Höhe von mehr als
50 Fuß hat.

Trat man einst durch dieses Thor hinaus, so hatte man einen Tempel
vor sich, der an Größe nur von den ägyptischen übertroffen wurde, und. da
er durchweg aus weißem Marmor erbaut war, an Pracht auch diese nur aus
gemeinem Sandstein errichteten Bauten überbot. Es war der von Hadrian
"uf den Trümmern eines ältern dorischen Heiligthums erbaute Tempel des


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Wärme und, wie das Gefäß versinnbildet, das er ausgießt, häufige Regen¬
schauer. Lips. der Südwest. galt als der Schiffahrt besonders günstig und
so zeigt er hier durch die Gallion, die er in der Hand hält. an. daß es Zeit
sei, in See zu stechen. Der Zephyros oder Westwind schwebt als milder
Jüngling in einem leichten, mit Blumen gefüllten Mantel und ohne Fu߬
begleitung hin. Skiron dagegen, der Nordwest, ist wieder ein finstrer bärtiger
Alter, dicht bekleidet und mit dicken Stiefeln versehen, und gießt aus einer
großen Schale Wasser aus. Unter den geflügelten Relieffiguren waren metallne
Stäbe für Sonnenuhren angebracht; die Schattenstriche, welche die Stunden
anzeigten, sind an der Wand darunter noch erkennbar. Das Dachgesims hatte
24 Löwenköpfe, durch welche das Regenwasser ablief. Im Innern des Thurms
befindet sich jetzt ein kleines Museum von Inschriften und Reliefs.

Gehen wir von hier nordwestlich über den Markt mit seinen Frucht-,
Gemüse- und Fleischbuden und dann über den Hof der anstoßenden Kaserne,
so kommen wir zu den Resten der Stoa Hadrians. Dieselbe war ein
ebenso weitläufiger als prächtiger Bau, der zwei Tempel und eine Bibliothek
einschloß. Jetzt steht uur noch die rechte Ecksäule der Vorhalle und dahinter
an der Wand eine Reihe von sieben andern Säulen. Der Bau gehörte dem ko¬
rinthischen Stil an. Die Säulen sind Monolithen von Cipollin. Das Innere
enthält ebenfalls einige in der Nachbarschaft ausgegrabene Alterthümer.

Setzt mau seine Wanderung von hier gegen Südost fort, so kommt man
durch eine Anzahl enger, krummer und ärmlicher Gassen wieder in die Gegend
des Lysil'ratesdenkmals. Hier am Ende der heutigen Stadt erhebt sich, em
Stück von den letzten Häusern entfernt, ein hohes antikes Marmorthor, der
sogenannte Hadri amhd ogen. Es verband die alte Stadt mit der östlich
gelegenen Neustadt, die vorzüglich durch Hadrian erweitert und ausgeschmückt
wurde. Dies sagen noch jetzt die Inschriften auf beiden Seiten des Bogens,
die beiläufig ziemlich trivial lauten. Die an der Nordwestseite verkündet dem
Leser: „Athen ist dieses hier, des Theseus alte Stadt," die andere: „Dies ist
des Hadrian, und nicht des Theseus Stadt." Der Bau besteht aus zwei
Stockwerken. Das untere bildet einen großen Bogen, zu dessen Seiten früher
korinthische Säulen standen, im obern sieht man zwischen Säulen und Pfei¬
lern hohe Nischen, in denen jedenfalls Statuen aufgestellt waren. Darüber
strebt noch ein Giebel empor, so daß das Ganze eine Höhe von mehr als
50 Fuß hat.

Trat man einst durch dieses Thor hinaus, so hatte man einen Tempel
vor sich, der an Größe nur von den ägyptischen übertroffen wurde, und. da
er durchweg aus weißem Marmor erbaut war, an Pracht auch diese nur aus
gemeinem Sandstein errichteten Bauten überbot. Es war der von Hadrian
«uf den Trümmern eines ältern dorischen Heiligthums erbaute Tempel des


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[0363] Wärme und, wie das Gefäß versinnbildet, das er ausgießt, häufige Regen¬ schauer. Lips. der Südwest. galt als der Schiffahrt besonders günstig und so zeigt er hier durch die Gallion, die er in der Hand hält. an. daß es Zeit sei, in See zu stechen. Der Zephyros oder Westwind schwebt als milder Jüngling in einem leichten, mit Blumen gefüllten Mantel und ohne Fu߬ begleitung hin. Skiron dagegen, der Nordwest, ist wieder ein finstrer bärtiger Alter, dicht bekleidet und mit dicken Stiefeln versehen, und gießt aus einer großen Schale Wasser aus. Unter den geflügelten Relieffiguren waren metallne Stäbe für Sonnenuhren angebracht; die Schattenstriche, welche die Stunden anzeigten, sind an der Wand darunter noch erkennbar. Das Dachgesims hatte 24 Löwenköpfe, durch welche das Regenwasser ablief. Im Innern des Thurms befindet sich jetzt ein kleines Museum von Inschriften und Reliefs. Gehen wir von hier nordwestlich über den Markt mit seinen Frucht-, Gemüse- und Fleischbuden und dann über den Hof der anstoßenden Kaserne, so kommen wir zu den Resten der Stoa Hadrians. Dieselbe war ein ebenso weitläufiger als prächtiger Bau, der zwei Tempel und eine Bibliothek einschloß. Jetzt steht uur noch die rechte Ecksäule der Vorhalle und dahinter an der Wand eine Reihe von sieben andern Säulen. Der Bau gehörte dem ko¬ rinthischen Stil an. Die Säulen sind Monolithen von Cipollin. Das Innere enthält ebenfalls einige in der Nachbarschaft ausgegrabene Alterthümer. Setzt mau seine Wanderung von hier gegen Südost fort, so kommt man durch eine Anzahl enger, krummer und ärmlicher Gassen wieder in die Gegend des Lysil'ratesdenkmals. Hier am Ende der heutigen Stadt erhebt sich, em Stück von den letzten Häusern entfernt, ein hohes antikes Marmorthor, der sogenannte Hadri amhd ogen. Es verband die alte Stadt mit der östlich gelegenen Neustadt, die vorzüglich durch Hadrian erweitert und ausgeschmückt wurde. Dies sagen noch jetzt die Inschriften auf beiden Seiten des Bogens, die beiläufig ziemlich trivial lauten. Die an der Nordwestseite verkündet dem Leser: „Athen ist dieses hier, des Theseus alte Stadt," die andere: „Dies ist des Hadrian, und nicht des Theseus Stadt." Der Bau besteht aus zwei Stockwerken. Das untere bildet einen großen Bogen, zu dessen Seiten früher korinthische Säulen standen, im obern sieht man zwischen Säulen und Pfei¬ lern hohe Nischen, in denen jedenfalls Statuen aufgestellt waren. Darüber strebt noch ein Giebel empor, so daß das Ganze eine Höhe von mehr als 50 Fuß hat. Trat man einst durch dieses Thor hinaus, so hatte man einen Tempel vor sich, der an Größe nur von den ägyptischen übertroffen wurde, und. da er durchweg aus weißem Marmor erbaut war, an Pracht auch diese nur aus gemeinem Sandstein errichteten Bauten überbot. Es war der von Hadrian «uf den Trümmern eines ältern dorischen Heiligthums erbaute Tempel des 45"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/363>, abgerufen am 23.07.2024.