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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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gewiß rühmen) dieselbe Erscheinung finden. Wodurch sind aber jene angeführ¬
ten Ausdrücke (1. B. S. 59. 60) des Verfassers gerechtfertigt? Er liebt es,
bei jeder Gelegenheit Basedow und Rousseau anzuführen, obwol beide die natür¬
lichsten Antipoden der von ihm zu den Sternen erhobenen Karlsakademie sind.
Kennt er das dessauer Philantropin, so muß er wissen, welche Prahlereien
ersterer im Munde führte, mit welcher Eitelkeit die Resultate in Dessau aus¬
posaunt wurden, wie Kant, der große Philosoph, es ein der Vollkommen¬
heit nahes Institut nannte, wie selbst der treffliche Oberlin vor Dank weint
über die Zusendung von drei Exemplaren des Basedowschen Elementarwerks
(vrgl. Raumers Geschichte der Pädagogik S. B. S. 291 ff.), Von Rousseaus
Emil ganz zu schweigen, dessen Ueberstürzungen jeder Anfänger in der päda¬
gogischen Literatur kennt. Nun sind freilich die Namen Rousseau und Base¬
dow in der Geschichte der Erziehung von einer Bedeutung, gegen welche Karl
Eugen verstummen muß. Doch eben nur in der Geschichte. Rousseau, der
seine Kinder ins Findelhaus schickte und Vaterpflichten in seinem Hause nicht
kannte, hat in seinem Emil Urmenschen gezeichnet, die schlimmere Caricaturen
sind, als je ein Karlsschüler hätte werden können. Die Philanthropien aber
nehmen bei genauer Besichtigung ein Extrem auf den Stufen pädagogischer
Versuche ein, wie wir es nicht .besser im Akademiegebäudc in Stuttgart haben
können. So viel aber ist gewiß, unter den Akademisten waren Verhältniß-
mäßig wenige, die nicht dem Institut Ehre gemacht hätten; wie viele Zierden
der Anstalt ihren Ruf mit Recht begründeten, kennt die Geschichte.

Das ist nun freilich an sich keine Rechtfertigung des Intendanten gegen¬
über von "ungebührlichen Selbstlob", es will auch nur eine Erinnerung für
unsern Kritiker sein. Was aber heißt bei ihm Selbstlob? Hat Seeger je ein¬
mal seine eignen Verdienste auch nur mit einem Wort berührt? Die Antwort
ist: Niemals. Er hebt nur die Trefflichkeit und Eigenthümlichkeit der akade¬
mischen Einrichtung hervor und -- Herr Wagner gehört zu den beredtesten
Bewunderern der Akademie und hat Karl Eugen zu den Sternen erhoben.
Wie? Dem Intendanten, der die Anstalt mitbegründet und geleitet hat, der
mit Leib und Seele ihr angehörte, sollte nicht das überschwengliche Lob seines
Herrn und die Ausbreitung des Ruhms der Lieblingsstiftung desselben, von
Wagner wenigstens, zu gut gehalten werden? Welche Logik ist denn in den
gehässigen Jnvectiven des Mannes gegen Seeger? Wird uns nicht überall
mitgetheilt, wie der Herzog um das kleinste Detail sich kümmerte, wie nichts,
auch nicht das Unbedeutendste seiner unmittelbaren Leitung entzogen war, über
alles Rapporte gegeben werden mußten, denen er selbst den Entscheid beisetzte?
Dennoch wird der Intendant für alles Mögliche angelassen, als wäre es
hinter dem Rücken des Herzogs geschehen. Ein Beispiel statt hundert anderer.
Im Jahr 1783 stellt ersterer den Antrag, die Befugnisse der Professoren,


gewiß rühmen) dieselbe Erscheinung finden. Wodurch sind aber jene angeführ¬
ten Ausdrücke (1. B. S. 59. 60) des Verfassers gerechtfertigt? Er liebt es,
bei jeder Gelegenheit Basedow und Rousseau anzuführen, obwol beide die natür¬
lichsten Antipoden der von ihm zu den Sternen erhobenen Karlsakademie sind.
Kennt er das dessauer Philantropin, so muß er wissen, welche Prahlereien
ersterer im Munde führte, mit welcher Eitelkeit die Resultate in Dessau aus¬
posaunt wurden, wie Kant, der große Philosoph, es ein der Vollkommen¬
heit nahes Institut nannte, wie selbst der treffliche Oberlin vor Dank weint
über die Zusendung von drei Exemplaren des Basedowschen Elementarwerks
(vrgl. Raumers Geschichte der Pädagogik S. B. S. 291 ff.), Von Rousseaus
Emil ganz zu schweigen, dessen Ueberstürzungen jeder Anfänger in der päda¬
gogischen Literatur kennt. Nun sind freilich die Namen Rousseau und Base¬
dow in der Geschichte der Erziehung von einer Bedeutung, gegen welche Karl
Eugen verstummen muß. Doch eben nur in der Geschichte. Rousseau, der
seine Kinder ins Findelhaus schickte und Vaterpflichten in seinem Hause nicht
kannte, hat in seinem Emil Urmenschen gezeichnet, die schlimmere Caricaturen
sind, als je ein Karlsschüler hätte werden können. Die Philanthropien aber
nehmen bei genauer Besichtigung ein Extrem auf den Stufen pädagogischer
Versuche ein, wie wir es nicht .besser im Akademiegebäudc in Stuttgart haben
können. So viel aber ist gewiß, unter den Akademisten waren Verhältniß-
mäßig wenige, die nicht dem Institut Ehre gemacht hätten; wie viele Zierden
der Anstalt ihren Ruf mit Recht begründeten, kennt die Geschichte.

Das ist nun freilich an sich keine Rechtfertigung des Intendanten gegen¬
über von „ungebührlichen Selbstlob", es will auch nur eine Erinnerung für
unsern Kritiker sein. Was aber heißt bei ihm Selbstlob? Hat Seeger je ein¬
mal seine eignen Verdienste auch nur mit einem Wort berührt? Die Antwort
ist: Niemals. Er hebt nur die Trefflichkeit und Eigenthümlichkeit der akade¬
mischen Einrichtung hervor und — Herr Wagner gehört zu den beredtesten
Bewunderern der Akademie und hat Karl Eugen zu den Sternen erhoben.
Wie? Dem Intendanten, der die Anstalt mitbegründet und geleitet hat, der
mit Leib und Seele ihr angehörte, sollte nicht das überschwengliche Lob seines
Herrn und die Ausbreitung des Ruhms der Lieblingsstiftung desselben, von
Wagner wenigstens, zu gut gehalten werden? Welche Logik ist denn in den
gehässigen Jnvectiven des Mannes gegen Seeger? Wird uns nicht überall
mitgetheilt, wie der Herzog um das kleinste Detail sich kümmerte, wie nichts,
auch nicht das Unbedeutendste seiner unmittelbaren Leitung entzogen war, über
alles Rapporte gegeben werden mußten, denen er selbst den Entscheid beisetzte?
Dennoch wird der Intendant für alles Mögliche angelassen, als wäre es
hinter dem Rücken des Herzogs geschehen. Ein Beispiel statt hundert anderer.
Im Jahr 1783 stellt ersterer den Antrag, die Befugnisse der Professoren,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/334>, abgerufen am 23.07.2024.