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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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geschrieben wird: "marktschreierischer Anlauf, exorbitant anmaßende ausdrückliche
Geringschätzung und Herabsetzung aller andern Pädagogen, harlekinartige
Herausforderung" u. s. w. Isis nicht, als ob der Herr Verfasser sein Motto
vergessen hätte, und kommt er nicht unwillkürlich in einen Ton, der an einem
geschäftsführcnden Mitgliede der Direction der Kunstschule nicht vermuthet wird?

Doch nein! Herr Wagner hat auch seinen Schwung! Vortrefflich ist die
Begleichung der Anstalt mit einer Victoria regia im Treibhaus. Mit über¬
schwenglicher Bewunderung ist vou Karl Eugen überall gesprochen. Und wo
dem Intendanten die bessere Seite gelassen wird, wie rührend drückt er sich
aus! S. 317: "Unter seinen Verdiensten ist wol sein erstes, daß er durch sein
devotestes sich Einschmeicheln in die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des
Herzogs, sei es auch Eitelkeit und Ehrgeiz! diese Segnungen immer stärker
in der Akademie zu nähren, zu befestigen und' bis zu dem, wie wir gelesen
haben, moralisch erhabenen Grade unsterblichkeitswürdiger, wahrhaft väter¬
licher, geistreicher und weiser Hingebung des Herzogs an seine Karlsakademie
und Karlsschülcr zu steigern wußte!" Wer will wärmer fühlen und sprechen?
Aber grade dieser Punkt führt uns zu einer weitem Seite, die den Werth
des Buches verkümmert, wir meinen die Neigung des H. Verfassers zur Be¬
fangenheit und zum Vorurtheil. Es zieht sich durch das ganze Buch ein
Widerspruch, der dem unbefangenen Leser ebenso unerquicklich als seltsam erscheint:
je höher der Herzog gestellt ist, dem als Genius der Anstalt, als aufgeklärten
Bildner seiner Zöglinge halb Europa Dank schuldet, desto niedriger steht sein
Intendant, Obrist von Seeger, da. Es gibt sich von Anfang an eine krank¬
hafte, bis zur völligen Verdrehung seines Charakters gesteigerte Mißstimmung
gegen denselben von Seiten Wagners kund, die nach dem Seitenhieb des
Vorberichts S. 9 auf den Amtsvorgänger Wagners, den Schwiegersohn von
Seegers, fast den Schein persönlicher Malice bekommt.

Christoph Dionysius Seeger wird S. 25. B. i. als ein sehr dienst¬
fertiger, energischer, vom Herzog besonderen Vertrauens gewürdigter, übrigens
auch soldatisch pedantischer, manchmal gewaltthütiger Offizier geschidert, dem
jedoch sür seine großen Verdienste um die Begründung, Erweiterung, Blüte der
Anstalt und für die Wohlfahrt und das Glück sehr vieler der Zöglinge die
gebührende Anerkennung nicht versagt werden könne.

Die erste Zuthat Wagners, die das Lob des Intendanten bedeutend
dämpft, ist nun aber der Vorwurf ungemessenen Selbstlobs und einer alles
Maß überschreitenden Anpreisung der ersten Resultate der Anstalt.

Wir fragen vorerst, wo findet sich dieses Selbstlob unter ähnlichen Ver¬
hältnissen nicht? Wir mögen auf dem pädagogischen Gebiete damaliger Zeit
(um bei diesem zu bleiben) Hinsehen, wohin wir wollen. -- überall werden
wir bei dem verhältnißmäßig Neuen (und dessen durste sich die Karlsakademie


geschrieben wird: „marktschreierischer Anlauf, exorbitant anmaßende ausdrückliche
Geringschätzung und Herabsetzung aller andern Pädagogen, harlekinartige
Herausforderung" u. s. w. Isis nicht, als ob der Herr Verfasser sein Motto
vergessen hätte, und kommt er nicht unwillkürlich in einen Ton, der an einem
geschäftsführcnden Mitgliede der Direction der Kunstschule nicht vermuthet wird?

Doch nein! Herr Wagner hat auch seinen Schwung! Vortrefflich ist die
Begleichung der Anstalt mit einer Victoria regia im Treibhaus. Mit über¬
schwenglicher Bewunderung ist vou Karl Eugen überall gesprochen. Und wo
dem Intendanten die bessere Seite gelassen wird, wie rührend drückt er sich
aus! S. 317: „Unter seinen Verdiensten ist wol sein erstes, daß er durch sein
devotestes sich Einschmeicheln in die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des
Herzogs, sei es auch Eitelkeit und Ehrgeiz! diese Segnungen immer stärker
in der Akademie zu nähren, zu befestigen und' bis zu dem, wie wir gelesen
haben, moralisch erhabenen Grade unsterblichkeitswürdiger, wahrhaft väter¬
licher, geistreicher und weiser Hingebung des Herzogs an seine Karlsakademie
und Karlsschülcr zu steigern wußte!" Wer will wärmer fühlen und sprechen?
Aber grade dieser Punkt führt uns zu einer weitem Seite, die den Werth
des Buches verkümmert, wir meinen die Neigung des H. Verfassers zur Be¬
fangenheit und zum Vorurtheil. Es zieht sich durch das ganze Buch ein
Widerspruch, der dem unbefangenen Leser ebenso unerquicklich als seltsam erscheint:
je höher der Herzog gestellt ist, dem als Genius der Anstalt, als aufgeklärten
Bildner seiner Zöglinge halb Europa Dank schuldet, desto niedriger steht sein
Intendant, Obrist von Seeger, da. Es gibt sich von Anfang an eine krank¬
hafte, bis zur völligen Verdrehung seines Charakters gesteigerte Mißstimmung
gegen denselben von Seiten Wagners kund, die nach dem Seitenhieb des
Vorberichts S. 9 auf den Amtsvorgänger Wagners, den Schwiegersohn von
Seegers, fast den Schein persönlicher Malice bekommt.

Christoph Dionysius Seeger wird S. 25. B. i. als ein sehr dienst¬
fertiger, energischer, vom Herzog besonderen Vertrauens gewürdigter, übrigens
auch soldatisch pedantischer, manchmal gewaltthütiger Offizier geschidert, dem
jedoch sür seine großen Verdienste um die Begründung, Erweiterung, Blüte der
Anstalt und für die Wohlfahrt und das Glück sehr vieler der Zöglinge die
gebührende Anerkennung nicht versagt werden könne.

Die erste Zuthat Wagners, die das Lob des Intendanten bedeutend
dämpft, ist nun aber der Vorwurf ungemessenen Selbstlobs und einer alles
Maß überschreitenden Anpreisung der ersten Resultate der Anstalt.

Wir fragen vorerst, wo findet sich dieses Selbstlob unter ähnlichen Ver¬
hältnissen nicht? Wir mögen auf dem pädagogischen Gebiete damaliger Zeit
(um bei diesem zu bleiben) Hinsehen, wohin wir wollen. — überall werden
wir bei dem verhältnißmäßig Neuen (und dessen durste sich die Karlsakademie


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[0333] geschrieben wird: „marktschreierischer Anlauf, exorbitant anmaßende ausdrückliche Geringschätzung und Herabsetzung aller andern Pädagogen, harlekinartige Herausforderung" u. s. w. Isis nicht, als ob der Herr Verfasser sein Motto vergessen hätte, und kommt er nicht unwillkürlich in einen Ton, der an einem geschäftsführcnden Mitgliede der Direction der Kunstschule nicht vermuthet wird? Doch nein! Herr Wagner hat auch seinen Schwung! Vortrefflich ist die Begleichung der Anstalt mit einer Victoria regia im Treibhaus. Mit über¬ schwenglicher Bewunderung ist vou Karl Eugen überall gesprochen. Und wo dem Intendanten die bessere Seite gelassen wird, wie rührend drückt er sich aus! S. 317: „Unter seinen Verdiensten ist wol sein erstes, daß er durch sein devotestes sich Einschmeicheln in die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des Herzogs, sei es auch Eitelkeit und Ehrgeiz! diese Segnungen immer stärker in der Akademie zu nähren, zu befestigen und' bis zu dem, wie wir gelesen haben, moralisch erhabenen Grade unsterblichkeitswürdiger, wahrhaft väter¬ licher, geistreicher und weiser Hingebung des Herzogs an seine Karlsakademie und Karlsschülcr zu steigern wußte!" Wer will wärmer fühlen und sprechen? Aber grade dieser Punkt führt uns zu einer weitem Seite, die den Werth des Buches verkümmert, wir meinen die Neigung des H. Verfassers zur Be¬ fangenheit und zum Vorurtheil. Es zieht sich durch das ganze Buch ein Widerspruch, der dem unbefangenen Leser ebenso unerquicklich als seltsam erscheint: je höher der Herzog gestellt ist, dem als Genius der Anstalt, als aufgeklärten Bildner seiner Zöglinge halb Europa Dank schuldet, desto niedriger steht sein Intendant, Obrist von Seeger, da. Es gibt sich von Anfang an eine krank¬ hafte, bis zur völligen Verdrehung seines Charakters gesteigerte Mißstimmung gegen denselben von Seiten Wagners kund, die nach dem Seitenhieb des Vorberichts S. 9 auf den Amtsvorgänger Wagners, den Schwiegersohn von Seegers, fast den Schein persönlicher Malice bekommt. Christoph Dionysius Seeger wird S. 25. B. i. als ein sehr dienst¬ fertiger, energischer, vom Herzog besonderen Vertrauens gewürdigter, übrigens auch soldatisch pedantischer, manchmal gewaltthütiger Offizier geschidert, dem jedoch sür seine großen Verdienste um die Begründung, Erweiterung, Blüte der Anstalt und für die Wohlfahrt und das Glück sehr vieler der Zöglinge die gebührende Anerkennung nicht versagt werden könne. Die erste Zuthat Wagners, die das Lob des Intendanten bedeutend dämpft, ist nun aber der Vorwurf ungemessenen Selbstlobs und einer alles Maß überschreitenden Anpreisung der ersten Resultate der Anstalt. Wir fragen vorerst, wo findet sich dieses Selbstlob unter ähnlichen Ver¬ hältnissen nicht? Wir mögen auf dem pädagogischen Gebiete damaliger Zeit (um bei diesem zu bleiben) Hinsehen, wohin wir wollen. — überall werden wir bei dem verhältnißmäßig Neuen (und dessen durste sich die Karlsakademie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/333>, abgerufen am 23.07.2024.