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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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neues' zum militärischen Waisenhaus. Das Ideal eines echten Cavaliers
endlich wird uns im Reglement "vor die Cavaliers- und Offizicrssöhne" ge¬
zeigt Art. 1. "Ein würdiger Cavaliers- und Offizierssohn unterscheidet sich
von einem andern jungen Menschen nicht blos durch seine Geburt, als welche
in dem menschlichen Leben etwas Zufälliges ist, sondern hauptsächlich durch
den Eiser und durch die edlen Gesinnungen, eine seiner Geburt angemessene
Lebensart anzunehmen und mit adeligen Tugenden sich zu den höchsten
Ministeriell-, Hos- und Kriegsbedienungen emporzuschwingen."

Art. 5. "Se. herzogliche Durchlaucht sind diejenige höchste Person, welcher
ein jeder Cavaliers- und Ofsizierssohn den vollkommensten Respect schuldig ist.
So wenig nun Höchst-Erlaucht-Deroselben gnädiges Befragen und väterliche
Vorsorge von diesen eine knechtische Forest verlanget, so gewiß versehen sie sich
zu ihnen, daß sie von dem Gefühl der ihnen zufließenden Wohlthaten durch¬
drungen, bei allen Gelegenheiten Merkmale der reinsten Ehrfurcht und Dank¬
barkeit von sich blicken lassen und deswegen auch, wenn Se. herzogliche Durch¬
laucht nur von weitem gesehen werden, Höchstdieselben mögen fahren, reiten
oder gehen, sogleich nach der gegebenen Anweisung Front machen, auch so
lange stille stehen bleiben, bis Höchstdieselbe weit vorbeipassirt sind."

Die Karlsakademie führte diese militärischen Forderungen bekanntlich bis
ins kleinste Detail durch und band ihren Zögling von der Morgenstunde bis
zum Schlafengehen durch alle Stufen der Beschäftigung und Erholung, in
Kleidung und Haltung an das soldatische Reglement.

Wenn Karl Eugen hierin den Zeirfordcrungen keine oder doch nur wenig
Rechnung trug -- denn erst in den letzten Jahren der Akademie kamen einzelne
Erleichterungen auf -- so konnte er von seinem Standpunkt aus das um so
mehr rechtfertigen, als in der Hohen Karlschschule (und das gibt ihr ihre volle
Bedeutung) eine Ausdehnung der Wissenschaften und eine Handreichung der¬
selben mit den Künsten stattfand, wie in keinem andern Institute der Welt.
Darüber ist so wenig ein Streit, daß auch die Gegner des Instituts, wie der
mehr als fünfzigjährige würtenbergische Staatsmann in seinen "Geheimnissen"
(1. B. S. 311) in der Bewunderung übereinstimmen, die ihm das Um¬
fassende des Erziehungsplanes und der alles belebende Gerst der Eleganz und
Cultur abnöthigte, vrgl. Chr. H. Psaffs Lebensbeschreibung (1. B. S. 63).

Die genannten Punkte sind an sich so klar, daß selbst Hofmeister in
Schillers Leben sagt: Um gerecht zu sein, darf man nicht vergessen, daß eine
solche rohe Behandlung der Jugend im Geiste der Zeit lag, und daß vollends
ein so zusammengesetztes Institut, von so vielen und so verschiedenartigen
jungen Leuten, ohne soldatische Ordnung sich nicht hätte halten können (i.B. 218).
Als ein Ganzes muß man es nehmen; so fordert es die objective Beurthei¬
lung, die eine von unsrer Anschauungsweise so entfernte Erziehungsmethode


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neues' zum militärischen Waisenhaus. Das Ideal eines echten Cavaliers
endlich wird uns im Reglement „vor die Cavaliers- und Offizicrssöhne" ge¬
zeigt Art. 1. „Ein würdiger Cavaliers- und Offizierssohn unterscheidet sich
von einem andern jungen Menschen nicht blos durch seine Geburt, als welche
in dem menschlichen Leben etwas Zufälliges ist, sondern hauptsächlich durch
den Eiser und durch die edlen Gesinnungen, eine seiner Geburt angemessene
Lebensart anzunehmen und mit adeligen Tugenden sich zu den höchsten
Ministeriell-, Hos- und Kriegsbedienungen emporzuschwingen."

Art. 5. „Se. herzogliche Durchlaucht sind diejenige höchste Person, welcher
ein jeder Cavaliers- und Ofsizierssohn den vollkommensten Respect schuldig ist.
So wenig nun Höchst-Erlaucht-Deroselben gnädiges Befragen und väterliche
Vorsorge von diesen eine knechtische Forest verlanget, so gewiß versehen sie sich
zu ihnen, daß sie von dem Gefühl der ihnen zufließenden Wohlthaten durch¬
drungen, bei allen Gelegenheiten Merkmale der reinsten Ehrfurcht und Dank¬
barkeit von sich blicken lassen und deswegen auch, wenn Se. herzogliche Durch¬
laucht nur von weitem gesehen werden, Höchstdieselben mögen fahren, reiten
oder gehen, sogleich nach der gegebenen Anweisung Front machen, auch so
lange stille stehen bleiben, bis Höchstdieselbe weit vorbeipassirt sind."

Die Karlsakademie führte diese militärischen Forderungen bekanntlich bis
ins kleinste Detail durch und band ihren Zögling von der Morgenstunde bis
zum Schlafengehen durch alle Stufen der Beschäftigung und Erholung, in
Kleidung und Haltung an das soldatische Reglement.

Wenn Karl Eugen hierin den Zeirfordcrungen keine oder doch nur wenig
Rechnung trug — denn erst in den letzten Jahren der Akademie kamen einzelne
Erleichterungen auf — so konnte er von seinem Standpunkt aus das um so
mehr rechtfertigen, als in der Hohen Karlschschule (und das gibt ihr ihre volle
Bedeutung) eine Ausdehnung der Wissenschaften und eine Handreichung der¬
selben mit den Künsten stattfand, wie in keinem andern Institute der Welt.
Darüber ist so wenig ein Streit, daß auch die Gegner des Instituts, wie der
mehr als fünfzigjährige würtenbergische Staatsmann in seinen „Geheimnissen"
(1. B. S. 311) in der Bewunderung übereinstimmen, die ihm das Um¬
fassende des Erziehungsplanes und der alles belebende Gerst der Eleganz und
Cultur abnöthigte, vrgl. Chr. H. Psaffs Lebensbeschreibung (1. B. S. 63).

Die genannten Punkte sind an sich so klar, daß selbst Hofmeister in
Schillers Leben sagt: Um gerecht zu sein, darf man nicht vergessen, daß eine
solche rohe Behandlung der Jugend im Geiste der Zeit lag, und daß vollends
ein so zusammengesetztes Institut, von so vielen und so verschiedenartigen
jungen Leuten, ohne soldatische Ordnung sich nicht hätte halten können (i.B. 218).
Als ein Ganzes muß man es nehmen; so fordert es die objective Beurthei¬
lung, die eine von unsrer Anschauungsweise so entfernte Erziehungsmethode


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[0331] neues' zum militärischen Waisenhaus. Das Ideal eines echten Cavaliers endlich wird uns im Reglement „vor die Cavaliers- und Offizicrssöhne" ge¬ zeigt Art. 1. „Ein würdiger Cavaliers- und Offizierssohn unterscheidet sich von einem andern jungen Menschen nicht blos durch seine Geburt, als welche in dem menschlichen Leben etwas Zufälliges ist, sondern hauptsächlich durch den Eiser und durch die edlen Gesinnungen, eine seiner Geburt angemessene Lebensart anzunehmen und mit adeligen Tugenden sich zu den höchsten Ministeriell-, Hos- und Kriegsbedienungen emporzuschwingen." Art. 5. „Se. herzogliche Durchlaucht sind diejenige höchste Person, welcher ein jeder Cavaliers- und Ofsizierssohn den vollkommensten Respect schuldig ist. So wenig nun Höchst-Erlaucht-Deroselben gnädiges Befragen und väterliche Vorsorge von diesen eine knechtische Forest verlanget, so gewiß versehen sie sich zu ihnen, daß sie von dem Gefühl der ihnen zufließenden Wohlthaten durch¬ drungen, bei allen Gelegenheiten Merkmale der reinsten Ehrfurcht und Dank¬ barkeit von sich blicken lassen und deswegen auch, wenn Se. herzogliche Durch¬ laucht nur von weitem gesehen werden, Höchstdieselben mögen fahren, reiten oder gehen, sogleich nach der gegebenen Anweisung Front machen, auch so lange stille stehen bleiben, bis Höchstdieselbe weit vorbeipassirt sind." Die Karlsakademie führte diese militärischen Forderungen bekanntlich bis ins kleinste Detail durch und band ihren Zögling von der Morgenstunde bis zum Schlafengehen durch alle Stufen der Beschäftigung und Erholung, in Kleidung und Haltung an das soldatische Reglement. Wenn Karl Eugen hierin den Zeirfordcrungen keine oder doch nur wenig Rechnung trug — denn erst in den letzten Jahren der Akademie kamen einzelne Erleichterungen auf — so konnte er von seinem Standpunkt aus das um so mehr rechtfertigen, als in der Hohen Karlschschule (und das gibt ihr ihre volle Bedeutung) eine Ausdehnung der Wissenschaften und eine Handreichung der¬ selben mit den Künsten stattfand, wie in keinem andern Institute der Welt. Darüber ist so wenig ein Streit, daß auch die Gegner des Instituts, wie der mehr als fünfzigjährige würtenbergische Staatsmann in seinen „Geheimnissen" (1. B. S. 311) in der Bewunderung übereinstimmen, die ihm das Um¬ fassende des Erziehungsplanes und der alles belebende Gerst der Eleganz und Cultur abnöthigte, vrgl. Chr. H. Psaffs Lebensbeschreibung (1. B. S. 63). Die genannten Punkte sind an sich so klar, daß selbst Hofmeister in Schillers Leben sagt: Um gerecht zu sein, darf man nicht vergessen, daß eine solche rohe Behandlung der Jugend im Geiste der Zeit lag, und daß vollends ein so zusammengesetztes Institut, von so vielen und so verschiedenartigen jungen Leuten, ohne soldatische Ordnung sich nicht hätte halten können (i.B. 218). Als ein Ganzes muß man es nehmen; so fordert es die objective Beurthei¬ lung, die eine von unsrer Anschauungsweise so entfernte Erziehungsmethode 41*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/331>, abgerufen am 23.07.2024.