Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mit Poseidon um die Herrschaft über Attika zeigten. Die Giebel sind erhal¬
ten . ihre Bildwerke aber sind bis auf geringe Reste bekanntlich verschwunden,
und man muß nach London gehen, um das, was von ihnen durch Lord El-
gin gerettet (die Griechen sagen geraubt) wurde sehen zu können.

Von den 46 Metopen, jenen zwischen den etwas hervortretenden Köpfen
der Querbalken (Triglyphen) des Dachstuhles befindlichen, mit Sculpturen ge¬
schmückten Platten, hat die Explosion, welche außer dem Dach vorzüglich die
Nord- und die Südseite der Cella zerstörte, die größere Hülste vernichtet. Die,
welche damals erhalten blieben, wanderten, bis auf einige wenige sehr verwüstete
an der Nordseite, ebenfalls mit Lord Elgin nach England. Bekanntlich stellten
sie, jede Platte sür sich ein abgeschlossenes Bild, die Hauptereignisse der my¬
thischen Geschichte Athens, Thaten und Segnungen der Göttin des Tempels,
Kämpfe des Theseus und seines Begleiters Herakles mit Centauren und Ama¬
zonen dar. Besser erhalten sind die Sculpturen des großen Basrelieffricses,
der in dem Snulenumgange oben an der Mauer der Cella angebracht war.
Indeß befinden sich gegenwärtig nur die Platten der Westfront noch vollstän¬
dig an ihrer Stelle; andere, 14 an der Zahl, stehen im Innern des Tempels
auf dem Boden, eine besitzt das pariser Louvre, die meisten aber gingen in
das britische Museum. War jede Metope für sich ein selbstständiges Ganze,
so stellten die Gruppen des Frieses wahrscheinlich den großen Feldzug der
Panathenäen dar. Man sieht auf den Platten die Götter Athens, Zeus,
Athene, Apollo u. a. als Zuschauer der Feier. Man erblickt ferner einen
Priester, der einem Knaben das große Prachtgewebe des Peplos abnimmt,
Mädchen mit Opfcrgefäßen, Züge von Opferthieren, Flötenblüser und Leier¬
spieler, Herolde, Reiter und Wagenlenker. Von besonderer Schönheit sind
die Bilder der Westfront, welche den Zug zu zeigen scheinen, wie er sich am
Ausgangspunkte ordnet und richtet. Reiter schwingen sich auf ihre Rosse, ein¬
zelne tummeln sich schon, andere mühen sich ab, die feurigen Thiere zu bän¬
digen, noch andere besänftigen sie mit schmeichelnder Geberde, einige sind noch
mit Schuh- und Mantelanlegen beschäftigt. Das Ganze zeichnet sich ebenso-
wol durch Leichtigkeit und Lebendigkeit, als durch Ruhe und Einfachheit der
Komposition aus.

Wir hatten lange auf der Mauer des Gewölbs gesessen, das einige Schritte
vor der Westfront in den Boden hinabgeht, und die Wucht des Tempels auf
uns wirken lassen. Wir hatten ihn dann mehr von fern betrachtet und uns
an seiner Leichtigkeit erfreut. Jetzt stiegen wir noch einmal seine Stufen hin¬
aus, um als letztes Bild unsers Besuchs den Anblick der Landschaft mit hin¬
wegzunehmen, wie sie sich von diesem höchsten Punkt Athens präsentirt.
Zur Rechten leuchtet im Süden das ägäische Meer, im Südwesten der saro-
nische Golf. Am Horizont taucht das Eiland Kalauria auf, wo Demosthenes,


mit Poseidon um die Herrschaft über Attika zeigten. Die Giebel sind erhal¬
ten . ihre Bildwerke aber sind bis auf geringe Reste bekanntlich verschwunden,
und man muß nach London gehen, um das, was von ihnen durch Lord El-
gin gerettet (die Griechen sagen geraubt) wurde sehen zu können.

Von den 46 Metopen, jenen zwischen den etwas hervortretenden Köpfen
der Querbalken (Triglyphen) des Dachstuhles befindlichen, mit Sculpturen ge¬
schmückten Platten, hat die Explosion, welche außer dem Dach vorzüglich die
Nord- und die Südseite der Cella zerstörte, die größere Hülste vernichtet. Die,
welche damals erhalten blieben, wanderten, bis auf einige wenige sehr verwüstete
an der Nordseite, ebenfalls mit Lord Elgin nach England. Bekanntlich stellten
sie, jede Platte sür sich ein abgeschlossenes Bild, die Hauptereignisse der my¬
thischen Geschichte Athens, Thaten und Segnungen der Göttin des Tempels,
Kämpfe des Theseus und seines Begleiters Herakles mit Centauren und Ama¬
zonen dar. Besser erhalten sind die Sculpturen des großen Basrelieffricses,
der in dem Snulenumgange oben an der Mauer der Cella angebracht war.
Indeß befinden sich gegenwärtig nur die Platten der Westfront noch vollstän¬
dig an ihrer Stelle; andere, 14 an der Zahl, stehen im Innern des Tempels
auf dem Boden, eine besitzt das pariser Louvre, die meisten aber gingen in
das britische Museum. War jede Metope für sich ein selbstständiges Ganze,
so stellten die Gruppen des Frieses wahrscheinlich den großen Feldzug der
Panathenäen dar. Man sieht auf den Platten die Götter Athens, Zeus,
Athene, Apollo u. a. als Zuschauer der Feier. Man erblickt ferner einen
Priester, der einem Knaben das große Prachtgewebe des Peplos abnimmt,
Mädchen mit Opfcrgefäßen, Züge von Opferthieren, Flötenblüser und Leier¬
spieler, Herolde, Reiter und Wagenlenker. Von besonderer Schönheit sind
die Bilder der Westfront, welche den Zug zu zeigen scheinen, wie er sich am
Ausgangspunkte ordnet und richtet. Reiter schwingen sich auf ihre Rosse, ein¬
zelne tummeln sich schon, andere mühen sich ab, die feurigen Thiere zu bän¬
digen, noch andere besänftigen sie mit schmeichelnder Geberde, einige sind noch
mit Schuh- und Mantelanlegen beschäftigt. Das Ganze zeichnet sich ebenso-
wol durch Leichtigkeit und Lebendigkeit, als durch Ruhe und Einfachheit der
Komposition aus.

Wir hatten lange auf der Mauer des Gewölbs gesessen, das einige Schritte
vor der Westfront in den Boden hinabgeht, und die Wucht des Tempels auf
uns wirken lassen. Wir hatten ihn dann mehr von fern betrachtet und uns
an seiner Leichtigkeit erfreut. Jetzt stiegen wir noch einmal seine Stufen hin¬
aus, um als letztes Bild unsers Besuchs den Anblick der Landschaft mit hin¬
wegzunehmen, wie sie sich von diesem höchsten Punkt Athens präsentirt.
Zur Rechten leuchtet im Süden das ägäische Meer, im Südwesten der saro-
nische Golf. Am Horizont taucht das Eiland Kalauria auf, wo Demosthenes,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106095"/>
            <p xml:id="ID_789" prev="#ID_788"> mit Poseidon um die Herrschaft über Attika zeigten. Die Giebel sind erhal¬<lb/>
ten . ihre Bildwerke aber sind bis auf geringe Reste bekanntlich verschwunden,<lb/>
und man muß nach London gehen, um das, was von ihnen durch Lord El-<lb/>
gin gerettet (die Griechen sagen geraubt) wurde sehen zu können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_790"> Von den 46 Metopen, jenen zwischen den etwas hervortretenden Köpfen<lb/>
der Querbalken (Triglyphen) des Dachstuhles befindlichen, mit Sculpturen ge¬<lb/>
schmückten Platten, hat die Explosion, welche außer dem Dach vorzüglich die<lb/>
Nord- und die Südseite der Cella zerstörte, die größere Hülste vernichtet. Die,<lb/>
welche damals erhalten blieben, wanderten, bis auf einige wenige sehr verwüstete<lb/>
an der Nordseite, ebenfalls mit Lord Elgin nach England. Bekanntlich stellten<lb/>
sie, jede Platte sür sich ein abgeschlossenes Bild, die Hauptereignisse der my¬<lb/>
thischen Geschichte Athens, Thaten und Segnungen der Göttin des Tempels,<lb/>
Kämpfe des Theseus und seines Begleiters Herakles mit Centauren und Ama¬<lb/>
zonen dar. Besser erhalten sind die Sculpturen des großen Basrelieffricses,<lb/>
der in dem Snulenumgange oben an der Mauer der Cella angebracht war.<lb/>
Indeß befinden sich gegenwärtig nur die Platten der Westfront noch vollstän¬<lb/>
dig an ihrer Stelle; andere, 14 an der Zahl, stehen im Innern des Tempels<lb/>
auf dem Boden, eine besitzt das pariser Louvre, die meisten aber gingen in<lb/>
das britische Museum. War jede Metope für sich ein selbstständiges Ganze,<lb/>
so stellten die Gruppen des Frieses wahrscheinlich den großen Feldzug der<lb/>
Panathenäen dar. Man sieht auf den Platten die Götter Athens, Zeus,<lb/>
Athene, Apollo u. a. als Zuschauer der Feier. Man erblickt ferner einen<lb/>
Priester, der einem Knaben das große Prachtgewebe des Peplos abnimmt,<lb/>
Mädchen mit Opfcrgefäßen, Züge von Opferthieren, Flötenblüser und Leier¬<lb/>
spieler, Herolde, Reiter und Wagenlenker. Von besonderer Schönheit sind<lb/>
die Bilder der Westfront, welche den Zug zu zeigen scheinen, wie er sich am<lb/>
Ausgangspunkte ordnet und richtet. Reiter schwingen sich auf ihre Rosse, ein¬<lb/>
zelne tummeln sich schon, andere mühen sich ab, die feurigen Thiere zu bän¬<lb/>
digen, noch andere besänftigen sie mit schmeichelnder Geberde, einige sind noch<lb/>
mit Schuh- und Mantelanlegen beschäftigt. Das Ganze zeichnet sich ebenso-<lb/>
wol durch Leichtigkeit und Lebendigkeit, als durch Ruhe und Einfachheit der<lb/>
Komposition aus.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_791" next="#ID_792"> Wir hatten lange auf der Mauer des Gewölbs gesessen, das einige Schritte<lb/>
vor der Westfront in den Boden hinabgeht, und die Wucht des Tempels auf<lb/>
uns wirken lassen. Wir hatten ihn dann mehr von fern betrachtet und uns<lb/>
an seiner Leichtigkeit erfreut. Jetzt stiegen wir noch einmal seine Stufen hin¬<lb/>
aus, um als letztes Bild unsers Besuchs den Anblick der Landschaft mit hin¬<lb/>
wegzunehmen, wie sie sich von diesem höchsten Punkt Athens präsentirt.<lb/>
Zur Rechten leuchtet im Süden das ägäische Meer, im Südwesten der saro-<lb/>
nische Golf. Am Horizont taucht das Eiland Kalauria auf, wo Demosthenes,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0284] mit Poseidon um die Herrschaft über Attika zeigten. Die Giebel sind erhal¬ ten . ihre Bildwerke aber sind bis auf geringe Reste bekanntlich verschwunden, und man muß nach London gehen, um das, was von ihnen durch Lord El- gin gerettet (die Griechen sagen geraubt) wurde sehen zu können. Von den 46 Metopen, jenen zwischen den etwas hervortretenden Köpfen der Querbalken (Triglyphen) des Dachstuhles befindlichen, mit Sculpturen ge¬ schmückten Platten, hat die Explosion, welche außer dem Dach vorzüglich die Nord- und die Südseite der Cella zerstörte, die größere Hülste vernichtet. Die, welche damals erhalten blieben, wanderten, bis auf einige wenige sehr verwüstete an der Nordseite, ebenfalls mit Lord Elgin nach England. Bekanntlich stellten sie, jede Platte sür sich ein abgeschlossenes Bild, die Hauptereignisse der my¬ thischen Geschichte Athens, Thaten und Segnungen der Göttin des Tempels, Kämpfe des Theseus und seines Begleiters Herakles mit Centauren und Ama¬ zonen dar. Besser erhalten sind die Sculpturen des großen Basrelieffricses, der in dem Snulenumgange oben an der Mauer der Cella angebracht war. Indeß befinden sich gegenwärtig nur die Platten der Westfront noch vollstän¬ dig an ihrer Stelle; andere, 14 an der Zahl, stehen im Innern des Tempels auf dem Boden, eine besitzt das pariser Louvre, die meisten aber gingen in das britische Museum. War jede Metope für sich ein selbstständiges Ganze, so stellten die Gruppen des Frieses wahrscheinlich den großen Feldzug der Panathenäen dar. Man sieht auf den Platten die Götter Athens, Zeus, Athene, Apollo u. a. als Zuschauer der Feier. Man erblickt ferner einen Priester, der einem Knaben das große Prachtgewebe des Peplos abnimmt, Mädchen mit Opfcrgefäßen, Züge von Opferthieren, Flötenblüser und Leier¬ spieler, Herolde, Reiter und Wagenlenker. Von besonderer Schönheit sind die Bilder der Westfront, welche den Zug zu zeigen scheinen, wie er sich am Ausgangspunkte ordnet und richtet. Reiter schwingen sich auf ihre Rosse, ein¬ zelne tummeln sich schon, andere mühen sich ab, die feurigen Thiere zu bän¬ digen, noch andere besänftigen sie mit schmeichelnder Geberde, einige sind noch mit Schuh- und Mantelanlegen beschäftigt. Das Ganze zeichnet sich ebenso- wol durch Leichtigkeit und Lebendigkeit, als durch Ruhe und Einfachheit der Komposition aus. Wir hatten lange auf der Mauer des Gewölbs gesessen, das einige Schritte vor der Westfront in den Boden hinabgeht, und die Wucht des Tempels auf uns wirken lassen. Wir hatten ihn dann mehr von fern betrachtet und uns an seiner Leichtigkeit erfreut. Jetzt stiegen wir noch einmal seine Stufen hin¬ aus, um als letztes Bild unsers Besuchs den Anblick der Landschaft mit hin¬ wegzunehmen, wie sie sich von diesem höchsten Punkt Athens präsentirt. Zur Rechten leuchtet im Süden das ägäische Meer, im Südwesten der saro- nische Golf. Am Horizont taucht das Eiland Kalauria auf, wo Demosthenes,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/284
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/284>, abgerufen am 22.07.2024.