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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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wurde Georg Förster Oct. 1778 nack dem Continent geschickt, kurz vorder
hatte er mit dem jungen Physiker Sömmerring aus Thorn ein inniges
Hcrzensbündniß geschlossen und war mit ihm in den Freimaurerorden getreten,
von dem er sich in, Geschmack der Zeit die tiefsten Aufschlüsse für seinen
Geist und die Befriedigung seiner Herzensbedürfnisse versprach.

Der eigentliche Zweck seiner Reise wollte im Anfang nicht vorwärts
gehen, doch wurde der junge Weltumsegler von den Gelehrten und schönen
Geistern mit großer Aufmerksamkeit empfangen; am herzlichsten von Jacobi
in Düsseldorf, mit dem er damals in sittlichen und religiösen Ansichten voll¬
ständig übereinstimmte; sie schlössen eine innige Freundschaft, um der auch
Heinse Theil nahm, ein Mann, bei dem sich der Titanismus der Ansichten
mit Weichheit des Herzens auf eine wunderbare Weise paarte. Noch zu Ende
desselben Jahres fand Georg Forster eine Anstellung als Professor der Natur¬
geschichte in Kassel; ein halbes Jahr darauf gelang es ihm auch seinen Freund
Sömmerring dahin zu ziehen, für seinen Vater trieb er nicht unansehnliche Unter¬
stützungen auf, namentlich vom Herzog von Braunschweig und von, Fürsten
von Dessau; auch die Freimaurer thaten das Ihrige. Mit den Göttingern
stand er im genauen Verkehr, namentlich mit Henne und ">.'i es derb erg.
obgleich der letztere mit seinem sarkastischen Wesen gegen die damalige Ge¬
fühlsrichtung Forsters nicht selten verstieß. Im September 177U lenkte er
einen Besuch von Goethe, der ihm persönlich sehr wohl gefiel, gegen den
er aber Partei nehmen mußte, weil grade damals der heftige Zwist mit
Jacobi wegen des Waldemar ausgebrochen war. Es gelang ihm. den Vater
aus seiner Schuldhaft zu befreie,, und ihm eine Professur in Halle aus¬
zuwirken; seine eigene Stellung gestaltete sich immer günstiger, und nur die
Neigung, die er von seinem Vater geerbt hatte, auf Bücher. Instrumente und
Reisen mehr auszugeben als seine Mittel erlaubten, brachten ihn schon da¬
mals in ernsthafte Verlegenheiten.

Gegen die Neigung der Deutschen zur Philosophie sprach er sich schon
damals auf eine Weise aus, die an Johannes Müller erinnert; er war über¬
zeugt, daß sie die Kraft des Gefühls und der Anschauung untergrabe, nur von
Jacobi ließ er sich von Zeit zu Zeit über das. was in jenen Regionen vor¬
ging, unterrichten. Desto eifriger vertiefte er sich mit Sömmerring in die Ge¬
heimnisse der Rosensreuzcr. um den Stein der Weisen zu finden, Geister zu
bannen, über die verborgenen Kräfte der Natur zu gebieten, sich die ägyptische
Weisheit anzueignen u. s. w., ja es ist nicht zu leugnen, der "Naturforscher
des Volks" war damals ein arger Mystiker und nebenbei ein religiöser
Schwärmer, die Briefe an Müller legen davor? das deutlichste Zeugniß ab.
Von Müllers Aufenthalt in Kassel 1781 -- 1783 und der merkwürdigen
Wiedergeburt in seinen religiösen Ansichten haben wir bereits berichtet; zuerst


3*

wurde Georg Förster Oct. 1778 nack dem Continent geschickt, kurz vorder
hatte er mit dem jungen Physiker Sömmerring aus Thorn ein inniges
Hcrzensbündniß geschlossen und war mit ihm in den Freimaurerorden getreten,
von dem er sich in, Geschmack der Zeit die tiefsten Aufschlüsse für seinen
Geist und die Befriedigung seiner Herzensbedürfnisse versprach.

Der eigentliche Zweck seiner Reise wollte im Anfang nicht vorwärts
gehen, doch wurde der junge Weltumsegler von den Gelehrten und schönen
Geistern mit großer Aufmerksamkeit empfangen; am herzlichsten von Jacobi
in Düsseldorf, mit dem er damals in sittlichen und religiösen Ansichten voll¬
ständig übereinstimmte; sie schlössen eine innige Freundschaft, um der auch
Heinse Theil nahm, ein Mann, bei dem sich der Titanismus der Ansichten
mit Weichheit des Herzens auf eine wunderbare Weise paarte. Noch zu Ende
desselben Jahres fand Georg Forster eine Anstellung als Professor der Natur¬
geschichte in Kassel; ein halbes Jahr darauf gelang es ihm auch seinen Freund
Sömmerring dahin zu ziehen, für seinen Vater trieb er nicht unansehnliche Unter¬
stützungen auf, namentlich vom Herzog von Braunschweig und von, Fürsten
von Dessau; auch die Freimaurer thaten das Ihrige. Mit den Göttingern
stand er im genauen Verkehr, namentlich mit Henne und «>.'i es derb erg.
obgleich der letztere mit seinem sarkastischen Wesen gegen die damalige Ge¬
fühlsrichtung Forsters nicht selten verstieß. Im September 177U lenkte er
einen Besuch von Goethe, der ihm persönlich sehr wohl gefiel, gegen den
er aber Partei nehmen mußte, weil grade damals der heftige Zwist mit
Jacobi wegen des Waldemar ausgebrochen war. Es gelang ihm. den Vater
aus seiner Schuldhaft zu befreie,, und ihm eine Professur in Halle aus¬
zuwirken; seine eigene Stellung gestaltete sich immer günstiger, und nur die
Neigung, die er von seinem Vater geerbt hatte, auf Bücher. Instrumente und
Reisen mehr auszugeben als seine Mittel erlaubten, brachten ihn schon da¬
mals in ernsthafte Verlegenheiten.

Gegen die Neigung der Deutschen zur Philosophie sprach er sich schon
damals auf eine Weise aus, die an Johannes Müller erinnert; er war über¬
zeugt, daß sie die Kraft des Gefühls und der Anschauung untergrabe, nur von
Jacobi ließ er sich von Zeit zu Zeit über das. was in jenen Regionen vor¬
ging, unterrichten. Desto eifriger vertiefte er sich mit Sömmerring in die Ge¬
heimnisse der Rosensreuzcr. um den Stein der Weisen zu finden, Geister zu
bannen, über die verborgenen Kräfte der Natur zu gebieten, sich die ägyptische
Weisheit anzueignen u. s. w., ja es ist nicht zu leugnen, der „Naturforscher
des Volks" war damals ein arger Mystiker und nebenbei ein religiöser
Schwärmer, die Briefe an Müller legen davor? das deutlichste Zeugniß ab.
Von Müllers Aufenthalt in Kassel 1781 — 1783 und der merkwürdigen
Wiedergeburt in seinen religiösen Ansichten haben wir bereits berichtet; zuerst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/27>, abgerufen am 22.07.2024.