Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.erschien er Förster als blaSphemirender Voltciirianer, dann aber scheinen sich beide Durch diese Zerwürfnisse, durch den Ekel und Abscheu gegen seine Ordens- erschien er Förster als blaSphemirender Voltciirianer, dann aber scheinen sich beide Durch diese Zerwürfnisse, durch den Ekel und Abscheu gegen seine Ordens- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105839"/> <p xml:id="ID_51" prev="#ID_50"> erschien er Förster als blaSphemirender Voltciirianer, dann aber scheinen sich beide<lb/> bei den Nosenkreuzern gefunden zu haben. Es ist Schade, daß König dar¬<lb/> über nichts Bestimmtes mittheilt. Forsters Verirrung dauerte ziemlich lange.<lb/> Der Selbstmord Schröpsers Oct. 1733 gab zwar den Mystikern einen starken<lb/> Stoß, aber die Umkehr trat dort erst allmälig ein. „Ich war ein Schwär¬<lb/> mer", erzählt er später, „aber wie sehr ichs gewesen bin, welchen hohen Grad<lb/> ich erstiegen hatte, das konnten, weil ich für Pflicht hielt, es zu verbergen,<lb/> wenig Menschen wissen. Ich habe alles geglaubt. Die Ueberzeugung, daß<lb/> diejenigen, die mich zu diesem Glauben verführten, keine moralisch guten<lb/> Menschen wären, öffnete mir die Augen. " Es scheint noch ein bestimmtes<lb/> Schuldbewußtsein obgewaltet zu haben nach einzelnen Aeußerungen an Jacobi<lb/> und Müller, vielleicht spielte aber auch hier die Phantasie mit. Seine Mut¬<lb/> losigkeit war damals ebenso groß wie bei Müller. „Ruhe des Geistes, freu¬<lb/> dige, heitere Empfindung des Daseins sind so von mir verscheucht, daß ich in<lb/> meinen trüben Stunden darum trauere, wie man um Freunde trauert, die<lb/> man nie mehr zu sehen hofft. Ich wende mich auf alle Seiten und werde<lb/> nur dunkle Aussichten gewahr. Es ist schrecklich, aber wahr, daß auch das<lb/> einzige Gefühl, welches mich sonst bei meinen Leiden tröstete, welches mich<lb/> zum Stoiker und mehr — zum christlichen Helden umzuschaffen pflegte, jetzt<lb/> so erkaltet, so leise und schwach ist, daß alle meine Anstrengung es nicht an¬<lb/> fachen kann. Mutlosigkeit. Trübsinn und Zweifel haben sich meiner Seele<lb/> bemeistert, bald kann ich nicht mehr dawider kämpfen." Aus dieser Ver¬<lb/> stimmung gehen denn auch die Prophezeiungen hervor, die freilich schnell<lb/> genug eintrafen, wie so manches Orakel, das aus keiner andern Quelle her¬<lb/> vorgeht. „Europa scheint auf dem Punkt einer schrecklichen Revolution.<lb/> Wirklich die Masse ist so verderbt, daß nur Blutlnssen wirksam sein kann.<lb/> Vom Throne bis zum Bauer sind alle Stände von dem. was sie sein sollten,<lb/> herabgesunken und keiner mehr, als unsere vorgeblichen Gottesgelehrten; von<lb/> ihnen kann man wol sagen, daß sie wolfsartiger in ihren Schafskleidern sind<lb/> als Pharisäer und Schriftgelehrte je waren, unwissender im Geist der heiligen<lb/> Bücher, abgewendeter von Gott und dem Heiland als die armen Neger,<lb/> welche, nichts besser erkennend, ihren Fetisch anbeten. Es ist den Ungläu¬<lb/> bigen unserer Tage nicht zu verargen, wenn sie die Scheinheiligkeit und dog¬<lb/> matischen Abgeschmacktheiten derselben nicht schätzen."</p><lb/> <p xml:id="ID_52" next="#ID_53"> Durch diese Zerwürfnisse, durch den Ekel und Abscheu gegen seine Ordens-<lb/> beziehungen war Forster sein Aufenthalt in Kassel so verleidet, daß er im<lb/> Dec. 1783 einen Ruf an die Universität Wilna als Erlösung begrüßte. Er<lb/> reiste im April 1784 dahin ab*, vorher aber bewarb er sich bei Heyne um die<lb/> Hand seiner 20jährigen Tochter Therese. Sie willigte ein, der Vater aber<lb/> hatte seine Bedenken und die Verlobung mußte noch verschoben werden. Von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
erschien er Förster als blaSphemirender Voltciirianer, dann aber scheinen sich beide
bei den Nosenkreuzern gefunden zu haben. Es ist Schade, daß König dar¬
über nichts Bestimmtes mittheilt. Forsters Verirrung dauerte ziemlich lange.
Der Selbstmord Schröpsers Oct. 1733 gab zwar den Mystikern einen starken
Stoß, aber die Umkehr trat dort erst allmälig ein. „Ich war ein Schwär¬
mer", erzählt er später, „aber wie sehr ichs gewesen bin, welchen hohen Grad
ich erstiegen hatte, das konnten, weil ich für Pflicht hielt, es zu verbergen,
wenig Menschen wissen. Ich habe alles geglaubt. Die Ueberzeugung, daß
diejenigen, die mich zu diesem Glauben verführten, keine moralisch guten
Menschen wären, öffnete mir die Augen. " Es scheint noch ein bestimmtes
Schuldbewußtsein obgewaltet zu haben nach einzelnen Aeußerungen an Jacobi
und Müller, vielleicht spielte aber auch hier die Phantasie mit. Seine Mut¬
losigkeit war damals ebenso groß wie bei Müller. „Ruhe des Geistes, freu¬
dige, heitere Empfindung des Daseins sind so von mir verscheucht, daß ich in
meinen trüben Stunden darum trauere, wie man um Freunde trauert, die
man nie mehr zu sehen hofft. Ich wende mich auf alle Seiten und werde
nur dunkle Aussichten gewahr. Es ist schrecklich, aber wahr, daß auch das
einzige Gefühl, welches mich sonst bei meinen Leiden tröstete, welches mich
zum Stoiker und mehr — zum christlichen Helden umzuschaffen pflegte, jetzt
so erkaltet, so leise und schwach ist, daß alle meine Anstrengung es nicht an¬
fachen kann. Mutlosigkeit. Trübsinn und Zweifel haben sich meiner Seele
bemeistert, bald kann ich nicht mehr dawider kämpfen." Aus dieser Ver¬
stimmung gehen denn auch die Prophezeiungen hervor, die freilich schnell
genug eintrafen, wie so manches Orakel, das aus keiner andern Quelle her¬
vorgeht. „Europa scheint auf dem Punkt einer schrecklichen Revolution.
Wirklich die Masse ist so verderbt, daß nur Blutlnssen wirksam sein kann.
Vom Throne bis zum Bauer sind alle Stände von dem. was sie sein sollten,
herabgesunken und keiner mehr, als unsere vorgeblichen Gottesgelehrten; von
ihnen kann man wol sagen, daß sie wolfsartiger in ihren Schafskleidern sind
als Pharisäer und Schriftgelehrte je waren, unwissender im Geist der heiligen
Bücher, abgewendeter von Gott und dem Heiland als die armen Neger,
welche, nichts besser erkennend, ihren Fetisch anbeten. Es ist den Ungläu¬
bigen unserer Tage nicht zu verargen, wenn sie die Scheinheiligkeit und dog¬
matischen Abgeschmacktheiten derselben nicht schätzen."
Durch diese Zerwürfnisse, durch den Ekel und Abscheu gegen seine Ordens-
beziehungen war Forster sein Aufenthalt in Kassel so verleidet, daß er im
Dec. 1783 einen Ruf an die Universität Wilna als Erlösung begrüßte. Er
reiste im April 1784 dahin ab*, vorher aber bewarb er sich bei Heyne um die
Hand seiner 20jährigen Tochter Therese. Sie willigte ein, der Vater aber
hatte seine Bedenken und die Verlobung mußte noch verschoben werden. Von
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