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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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nur dürre, mit dunklem Gestrüpp überwucherte Höhen und nur selten Spuren von
Anbau. Eine öde, düstergraue, mit einzelnen schwarzen Nadelbäumen bestandene
Bergkette, die.sich in dem Montenero gegen fünftausend Fuß über den Meeres¬
spiegel erhebt, breitet sich in mehren Zweigen über die Insel aus und wirft
ihre Schatten weithin über die See. In der Bucht von Samos war nicht
ein einziges Schiff, und auf der ganzen, fast zehn Meilen langen Strecke der
Küste, an der wir hinfuhren, gewahrten wir nicht mehr als zwei Dörfer.
Indeß ist auch hier das Innere freundlicher und fruchtbarer, und wenn man
nicht so viel Brotkorn erzeugt, als man braucht, so erbaut man wenigstens
eine große Masse von Korinthen, von denen bei guten Ernten mehr als vier
Millionen Pfund ausgeführt werden.

Um die Mittagsstunde warfen wir in der geräumigen Bucht Anker, an
welcher die Hauptstadt von Zarte liegt. Die Insel rechtfertigt den Namen
der "waldigen", den sie bei Homer und Birgil führt, nicht mehr. Sie hat
nieder an der Küste noch ans der großen Ebne im Innern andere als Frucht¬
bäume. Dagegen verdient sie den Namen "I'lor all I.<zö!urd>ö", den ihr der
Schiffer dieser Meere gibt, nicht blos ihres reichen Bodens und des Wohlstandes
ihrer Bewohner wegen. Die Bai, in der wir hielten, ist von großer malerischer
Schönheit. In der Mitte zieht sich unter hohen grünen Bergen in Hufeisen¬
form die weißschimmernde Stadt hin. Ruudbogengänge erinnern an die Pro>
curazien. ein hoher viereckiger Thurm mit blauem Dach an den Campanile
Venedigs. Rechts klettern einzelne Häuser, umgeben von Büschen und Gärten,
die Höhe empor, welche von einem mächtigen Fort gekrönt wird. Links strebt
e,n schroffes, mit einigen Baumgruppen besetztes Vorgebirge, auf dem ein
großes Kloster steht, als letzter Ast des Monte Scopo in das Meer hinaus
und der Küste von Morea zu. von der ihm die grauen Klippen des "Cap Tor-
nese entgegentreten. Vor dem Molo herrschte ein reger Verkehr von Schiffen
und Barken, die, vermuthlich des Sonntags halber, sich mit allerlei bunten
Flaggen geschmückt hatten. Vom Lande her wehte der Wind Düfte von
Orangenblüten, und ehe wir abfuhren, brachte ein Diener zwei Blumensträuße
so groß wie Getreidegarben an Bord, welche, als Geschenk nach Syra bestimmt,
uns den Geruch der Blume der Levante noch lange nachdem wir sie aus dem
Gesicht verloren, genießen ließen.

Nachdem wir die folgende Nacht die Küsten des Golfs von Arkadien
passirt hatten und später am Eingang der Bucht von Navarino vorübergefahren
waren, dämmerte gegen Morgen das Felsengestade der Bai von Koror vor
uns auf. Dann erhoben sich die zerklüfteten Berge der Maina und die Süd¬
spitze des Festlandes von Europa. Cap Matapan vor dem Bugspriet des
Schiffes. Gegen Mittag dampfte die "Germania" zwischen den schwarzen
Klippen der Küste von Cerigo und der öden seezernagten Insel Ovo hindurch


nur dürre, mit dunklem Gestrüpp überwucherte Höhen und nur selten Spuren von
Anbau. Eine öde, düstergraue, mit einzelnen schwarzen Nadelbäumen bestandene
Bergkette, die.sich in dem Montenero gegen fünftausend Fuß über den Meeres¬
spiegel erhebt, breitet sich in mehren Zweigen über die Insel aus und wirft
ihre Schatten weithin über die See. In der Bucht von Samos war nicht
ein einziges Schiff, und auf der ganzen, fast zehn Meilen langen Strecke der
Küste, an der wir hinfuhren, gewahrten wir nicht mehr als zwei Dörfer.
Indeß ist auch hier das Innere freundlicher und fruchtbarer, und wenn man
nicht so viel Brotkorn erzeugt, als man braucht, so erbaut man wenigstens
eine große Masse von Korinthen, von denen bei guten Ernten mehr als vier
Millionen Pfund ausgeführt werden.

Um die Mittagsstunde warfen wir in der geräumigen Bucht Anker, an
welcher die Hauptstadt von Zarte liegt. Die Insel rechtfertigt den Namen
der „waldigen", den sie bei Homer und Birgil führt, nicht mehr. Sie hat
nieder an der Küste noch ans der großen Ebne im Innern andere als Frucht¬
bäume. Dagegen verdient sie den Namen „I'lor all I.<zö!urd>ö", den ihr der
Schiffer dieser Meere gibt, nicht blos ihres reichen Bodens und des Wohlstandes
ihrer Bewohner wegen. Die Bai, in der wir hielten, ist von großer malerischer
Schönheit. In der Mitte zieht sich unter hohen grünen Bergen in Hufeisen¬
form die weißschimmernde Stadt hin. Ruudbogengänge erinnern an die Pro>
curazien. ein hoher viereckiger Thurm mit blauem Dach an den Campanile
Venedigs. Rechts klettern einzelne Häuser, umgeben von Büschen und Gärten,
die Höhe empor, welche von einem mächtigen Fort gekrönt wird. Links strebt
e,n schroffes, mit einigen Baumgruppen besetztes Vorgebirge, auf dem ein
großes Kloster steht, als letzter Ast des Monte Scopo in das Meer hinaus
und der Küste von Morea zu. von der ihm die grauen Klippen des «Cap Tor-
nese entgegentreten. Vor dem Molo herrschte ein reger Verkehr von Schiffen
und Barken, die, vermuthlich des Sonntags halber, sich mit allerlei bunten
Flaggen geschmückt hatten. Vom Lande her wehte der Wind Düfte von
Orangenblüten, und ehe wir abfuhren, brachte ein Diener zwei Blumensträuße
so groß wie Getreidegarben an Bord, welche, als Geschenk nach Syra bestimmt,
uns den Geruch der Blume der Levante noch lange nachdem wir sie aus dem
Gesicht verloren, genießen ließen.

Nachdem wir die folgende Nacht die Küsten des Golfs von Arkadien
passirt hatten und später am Eingang der Bucht von Navarino vorübergefahren
waren, dämmerte gegen Morgen das Felsengestade der Bai von Koror vor
uns auf. Dann erhoben sich die zerklüfteten Berge der Maina und die Süd¬
spitze des Festlandes von Europa. Cap Matapan vor dem Bugspriet des
Schiffes. Gegen Mittag dampfte die „Germania" zwischen den schwarzen
Klippen der Küste von Cerigo und der öden seezernagten Insel Ovo hindurch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/238>, abgerufen am 22.07.2024.