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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Stunden im Duft von Citronenblüten schwelgten und in überreicher Fülle im
dunklen Laube Goldorangen blühen sahen, Weingärten wechseln hier mit
waldartigen Pflanzungen alter Oelbäume. deren viclknorrige Stczurme Bündeln
zusammengedrehter Rebenranken gleichen. Feigenbäume so groß wie unsere
Eichen, bieten ihre Früchte dar. Rosenhecken fassen die Gärten ein, riesige
Cactus treiben in einem einzigen Sommer Blütenstengel von zwölf Fuß Höhe.
Mandel- und Maulbeerbäume gedeihen an d"n Abhängen. Prächtig gefärbte,
anderthalb Fuß lange Eidechsen lauschen aus den Astlöchern und huschen wie
grüne Blitze an den Baumwurzeln hinab. Ueber dem Meere draußen, das
immer wieder durch die Stämme und Wipfel blickte, schwebten, unten vom
Widerschein der Flut blaugrün angestrahlt, weiße Möven, während drinnen
in der Tiefe am See sich die ersten griechischen Nachtigallen hören ließen. In
der That, wenn man sich noch einige Palmen zwischen diese Vegetation ver¬
theilt und den Ziegenstallsduft, den das hier gelegene Dorf verbreitete, von
einem wohlwollenden Winde entführt dachte, konnte man sich an dieser Stelle
mitten im Paradiese glauben.

Nachdem wir in der Weinlaube des kleinen gelben Wirthshauses, das
über diesen Gärten liegt, ein frugales Frühstück eingenommen, bei welchem
feuriger Zantcwein eine Rolle spielte und an dessen Schluß uns die Wirthin
nach südlicher Sitte einen Blumenstrauß überreichte, kehrten wir nach der Stadt
zurück, sahen vor einem Kaffeehause an der Esplanade Soldaten von der Garnison
Cricket spielen, besuchten einige Kirchen, darunter die des heiligen Spiridion.
und fuhren dann bei ziemlich bewegter See wieder nach unserm Schiffe, das
bald nachher die Anker lichtete.

Eine Stunde später passirten wir das kleine, felsige, jetzt von der Abend¬
sonne roch angestrahlte Paxos. dann bei Mondschein das noch kleinere
Antipaxos. und als der Morgen uns wieder aufs Verdeck rief, waren wir in
dem engen Kanal von Viscardo. der zwischen Ithaka und Kephalonia hindurch-
führt. Die Sonne war die von gestern. Wie warm aber auch das Licht
war, das sie über die Inseln ergoß, und wie lebendig uns die Welt Homers
vor der Seele stand, die rauhe Natur dieser Landschaft ließ sich nicht ver¬
klären. Ithaka ist ein öder, klüftereicher Kalkfelsen, dessen Flanken mit schwarz¬
grünen Wachholdersträuchen und Stacheleichenbüschen bewachsen sind. In den
Vertiefungen bemerkt man hin und wieder einige graue Olivenbäume. Opisso
Alto, wo wir eine halbe Stunde hielten, ist ein ärmliches Oertchen von fünf
oder sechs Häusern. Im Innern soll die Insel einige fruchtbare Thäler haben
und gut angebaut sein. Vom Meere aus sieht man ihr nicht an, daß sie
gegen zehntausend Einwohner nährt. Einen ähnlichen unwirthlichen Anblick
bietet Kephalonia, die größte der jonischen Inseln, wo der Dampfer vor einigen
Häusern in der Bucht von Samos eine Weile hielt. Auch hier erblickt man


Stunden im Duft von Citronenblüten schwelgten und in überreicher Fülle im
dunklen Laube Goldorangen blühen sahen, Weingärten wechseln hier mit
waldartigen Pflanzungen alter Oelbäume. deren viclknorrige Stczurme Bündeln
zusammengedrehter Rebenranken gleichen. Feigenbäume so groß wie unsere
Eichen, bieten ihre Früchte dar. Rosenhecken fassen die Gärten ein, riesige
Cactus treiben in einem einzigen Sommer Blütenstengel von zwölf Fuß Höhe.
Mandel- und Maulbeerbäume gedeihen an d«n Abhängen. Prächtig gefärbte,
anderthalb Fuß lange Eidechsen lauschen aus den Astlöchern und huschen wie
grüne Blitze an den Baumwurzeln hinab. Ueber dem Meere draußen, das
immer wieder durch die Stämme und Wipfel blickte, schwebten, unten vom
Widerschein der Flut blaugrün angestrahlt, weiße Möven, während drinnen
in der Tiefe am See sich die ersten griechischen Nachtigallen hören ließen. In
der That, wenn man sich noch einige Palmen zwischen diese Vegetation ver¬
theilt und den Ziegenstallsduft, den das hier gelegene Dorf verbreitete, von
einem wohlwollenden Winde entführt dachte, konnte man sich an dieser Stelle
mitten im Paradiese glauben.

Nachdem wir in der Weinlaube des kleinen gelben Wirthshauses, das
über diesen Gärten liegt, ein frugales Frühstück eingenommen, bei welchem
feuriger Zantcwein eine Rolle spielte und an dessen Schluß uns die Wirthin
nach südlicher Sitte einen Blumenstrauß überreichte, kehrten wir nach der Stadt
zurück, sahen vor einem Kaffeehause an der Esplanade Soldaten von der Garnison
Cricket spielen, besuchten einige Kirchen, darunter die des heiligen Spiridion.
und fuhren dann bei ziemlich bewegter See wieder nach unserm Schiffe, das
bald nachher die Anker lichtete.

Eine Stunde später passirten wir das kleine, felsige, jetzt von der Abend¬
sonne roch angestrahlte Paxos. dann bei Mondschein das noch kleinere
Antipaxos. und als der Morgen uns wieder aufs Verdeck rief, waren wir in
dem engen Kanal von Viscardo. der zwischen Ithaka und Kephalonia hindurch-
führt. Die Sonne war die von gestern. Wie warm aber auch das Licht
war, das sie über die Inseln ergoß, und wie lebendig uns die Welt Homers
vor der Seele stand, die rauhe Natur dieser Landschaft ließ sich nicht ver¬
klären. Ithaka ist ein öder, klüftereicher Kalkfelsen, dessen Flanken mit schwarz¬
grünen Wachholdersträuchen und Stacheleichenbüschen bewachsen sind. In den
Vertiefungen bemerkt man hin und wieder einige graue Olivenbäume. Opisso
Alto, wo wir eine halbe Stunde hielten, ist ein ärmliches Oertchen von fünf
oder sechs Häusern. Im Innern soll die Insel einige fruchtbare Thäler haben
und gut angebaut sein. Vom Meere aus sieht man ihr nicht an, daß sie
gegen zehntausend Einwohner nährt. Einen ähnlichen unwirthlichen Anblick
bietet Kephalonia, die größte der jonischen Inseln, wo der Dampfer vor einigen
Häusern in der Bucht von Samos eine Weile hielt. Auch hier erblickt man


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[0237] Stunden im Duft von Citronenblüten schwelgten und in überreicher Fülle im dunklen Laube Goldorangen blühen sahen, Weingärten wechseln hier mit waldartigen Pflanzungen alter Oelbäume. deren viclknorrige Stczurme Bündeln zusammengedrehter Rebenranken gleichen. Feigenbäume so groß wie unsere Eichen, bieten ihre Früchte dar. Rosenhecken fassen die Gärten ein, riesige Cactus treiben in einem einzigen Sommer Blütenstengel von zwölf Fuß Höhe. Mandel- und Maulbeerbäume gedeihen an d«n Abhängen. Prächtig gefärbte, anderthalb Fuß lange Eidechsen lauschen aus den Astlöchern und huschen wie grüne Blitze an den Baumwurzeln hinab. Ueber dem Meere draußen, das immer wieder durch die Stämme und Wipfel blickte, schwebten, unten vom Widerschein der Flut blaugrün angestrahlt, weiße Möven, während drinnen in der Tiefe am See sich die ersten griechischen Nachtigallen hören ließen. In der That, wenn man sich noch einige Palmen zwischen diese Vegetation ver¬ theilt und den Ziegenstallsduft, den das hier gelegene Dorf verbreitete, von einem wohlwollenden Winde entführt dachte, konnte man sich an dieser Stelle mitten im Paradiese glauben. Nachdem wir in der Weinlaube des kleinen gelben Wirthshauses, das über diesen Gärten liegt, ein frugales Frühstück eingenommen, bei welchem feuriger Zantcwein eine Rolle spielte und an dessen Schluß uns die Wirthin nach südlicher Sitte einen Blumenstrauß überreichte, kehrten wir nach der Stadt zurück, sahen vor einem Kaffeehause an der Esplanade Soldaten von der Garnison Cricket spielen, besuchten einige Kirchen, darunter die des heiligen Spiridion. und fuhren dann bei ziemlich bewegter See wieder nach unserm Schiffe, das bald nachher die Anker lichtete. Eine Stunde später passirten wir das kleine, felsige, jetzt von der Abend¬ sonne roch angestrahlte Paxos. dann bei Mondschein das noch kleinere Antipaxos. und als der Morgen uns wieder aufs Verdeck rief, waren wir in dem engen Kanal von Viscardo. der zwischen Ithaka und Kephalonia hindurch- führt. Die Sonne war die von gestern. Wie warm aber auch das Licht war, das sie über die Inseln ergoß, und wie lebendig uns die Welt Homers vor der Seele stand, die rauhe Natur dieser Landschaft ließ sich nicht ver¬ klären. Ithaka ist ein öder, klüftereicher Kalkfelsen, dessen Flanken mit schwarz¬ grünen Wachholdersträuchen und Stacheleichenbüschen bewachsen sind. In den Vertiefungen bemerkt man hin und wieder einige graue Olivenbäume. Opisso Alto, wo wir eine halbe Stunde hielten, ist ein ärmliches Oertchen von fünf oder sechs Häusern. Im Innern soll die Insel einige fruchtbare Thäler haben und gut angebaut sein. Vom Meere aus sieht man ihr nicht an, daß sie gegen zehntausend Einwohner nährt. Einen ähnlichen unwirthlichen Anblick bietet Kephalonia, die größte der jonischen Inseln, wo der Dampfer vor einigen Häusern in der Bucht von Samos eine Weile hielt. Auch hier erblickt man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/237>, abgerufen am 22.07.2024.