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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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dagegen excellirt er im Einzelnkampfe. Der Gedanke in der Masse geschlossen
etwas auszuführen, liegt ihm zu fern, lieber verläßt sich jeder auf die eigne
Kraft, dadurch geht das Zusanimenwirken verloren, und wird selten etwas
Großes erreicht, namentlich wenn die feindlichen Truppen geschlossen bleiben.
Die indische Reiterei wird selbst in der Ueberzahl eine nur mittelmäßige euro¬
päische Infanterie nicht überwinden können, so lange diese nicht in Unordnung
kommt. Wo aber das Terrain geschlossene Angriffe nicht gestattet, wo nur
der einzelne Reiter zum Gefechte gelangen kann, wo es die Verfolgung des
geschlagenen Feindes gilt, da sind sie ganz an ihrem Platze. Der Titel des
indischen irregulären Reiters ist Sowar. die Schwadron heißt Ripallak, die
Anführer derselben sind selten Europäer, sondern angesehene Häuptlinge, die
in den Sold der Compagnie getreten sind, und Nipaldars heißen. -- Nicht
zu verwechseln mit diesen Regimentern ist das. welches im gegenwärtigen
Kriege in Bengalen auf Seiten der Engländer ficht, und den Namen Hodsons
Horses führt, dasselbe, das den König von Delhi nach der Einnahme dieser
Stadt, einige Meilen davon bei den Havmovnsgräbern sing, und sich auch
sonst bei jeder Gelegenheit rühmlich auszeichnet. Dies Regiment stammt aus
dem Pendschab und die Leute desselben sind ohne Ausnahme Sikhs.

Der Grundpfeiler der englischen Macht, ihre größte Stärke in Indien
liegt in ihrer Artillerie. Das sah man in den frühern Kriegen, und das sieht
man jetzt abermals, denn die Armee führt dort nach europäischen Begriffen
eine Ueberzahl von Geschützen mit sich, und dieselben sind von einer Größe
des Kalibers, wie man sie sonst in Feldschlachten selten gebraucht. Die nu¬
merische Schwäche der britischen Armee einestheils, anderntheils aber die vielen
befestigten Städte und Schlösser, die genommen werden müssen, zwingen den
Oberbefehlshaber Sir Colin Campbell dazu, wenn auch die Beweglichkeit des
Heeres dadurch bedeutend gehemmt wird. Die reitende Artillerie ist im Ver¬
hältnisse zu der Fußartillerie viel bedeutender, als in allen europäischen Heeren;
es gibt wenig leichte Fußbatterien, sie sind mehrentheils mit schweren Geschützen
bewaffnet. Daß man genöthigt ist, sehr viele reitende Artillerie zu haben.
Mag auch darin seinen Grund haben, daß die Truppen an und für sich auf
Märschen bedeutenden Strapatzen ausgesetzt sind, mithin man sich der Pferde
bedient, um die Leute bei dergleichen Gelegenheiten zu schonen, folglich rein
als Transportmittel; wird ja auch die Infanterie sehr häufig auf Lastthieren oder
in mit Ochsen bespannten Karren transportirt; ein fernerer Grund der Erscheinung
aber ist der', daß es die Bewegungen der Artillerie mitunter nöthig machen,
daß sich die Bedienung in Laufschritt setzt, und zwar oft auf größere Ent-
fernungen. Dies kann bei der Hitze des Klimas der Europäer ohne die
schädlichsten Folgen sür seine Gesundheit nicht ertragen, und so muß man ihn
eben beritten machen. -- Die Geschütze der Fußartillerie sind sämmtlich mit


dagegen excellirt er im Einzelnkampfe. Der Gedanke in der Masse geschlossen
etwas auszuführen, liegt ihm zu fern, lieber verläßt sich jeder auf die eigne
Kraft, dadurch geht das Zusanimenwirken verloren, und wird selten etwas
Großes erreicht, namentlich wenn die feindlichen Truppen geschlossen bleiben.
Die indische Reiterei wird selbst in der Ueberzahl eine nur mittelmäßige euro¬
päische Infanterie nicht überwinden können, so lange diese nicht in Unordnung
kommt. Wo aber das Terrain geschlossene Angriffe nicht gestattet, wo nur
der einzelne Reiter zum Gefechte gelangen kann, wo es die Verfolgung des
geschlagenen Feindes gilt, da sind sie ganz an ihrem Platze. Der Titel des
indischen irregulären Reiters ist Sowar. die Schwadron heißt Ripallak, die
Anführer derselben sind selten Europäer, sondern angesehene Häuptlinge, die
in den Sold der Compagnie getreten sind, und Nipaldars heißen. — Nicht
zu verwechseln mit diesen Regimentern ist das. welches im gegenwärtigen
Kriege in Bengalen auf Seiten der Engländer ficht, und den Namen Hodsons
Horses führt, dasselbe, das den König von Delhi nach der Einnahme dieser
Stadt, einige Meilen davon bei den Havmovnsgräbern sing, und sich auch
sonst bei jeder Gelegenheit rühmlich auszeichnet. Dies Regiment stammt aus
dem Pendschab und die Leute desselben sind ohne Ausnahme Sikhs.

Der Grundpfeiler der englischen Macht, ihre größte Stärke in Indien
liegt in ihrer Artillerie. Das sah man in den frühern Kriegen, und das sieht
man jetzt abermals, denn die Armee führt dort nach europäischen Begriffen
eine Ueberzahl von Geschützen mit sich, und dieselben sind von einer Größe
des Kalibers, wie man sie sonst in Feldschlachten selten gebraucht. Die nu¬
merische Schwäche der britischen Armee einestheils, anderntheils aber die vielen
befestigten Städte und Schlösser, die genommen werden müssen, zwingen den
Oberbefehlshaber Sir Colin Campbell dazu, wenn auch die Beweglichkeit des
Heeres dadurch bedeutend gehemmt wird. Die reitende Artillerie ist im Ver¬
hältnisse zu der Fußartillerie viel bedeutender, als in allen europäischen Heeren;
es gibt wenig leichte Fußbatterien, sie sind mehrentheils mit schweren Geschützen
bewaffnet. Daß man genöthigt ist, sehr viele reitende Artillerie zu haben.
Mag auch darin seinen Grund haben, daß die Truppen an und für sich auf
Märschen bedeutenden Strapatzen ausgesetzt sind, mithin man sich der Pferde
bedient, um die Leute bei dergleichen Gelegenheiten zu schonen, folglich rein
als Transportmittel; wird ja auch die Infanterie sehr häufig auf Lastthieren oder
in mit Ochsen bespannten Karren transportirt; ein fernerer Grund der Erscheinung
aber ist der', daß es die Bewegungen der Artillerie mitunter nöthig machen,
daß sich die Bedienung in Laufschritt setzt, und zwar oft auf größere Ent-
fernungen. Dies kann bei der Hitze des Klimas der Europäer ohne die
schädlichsten Folgen sür seine Gesundheit nicht ertragen, und so muß man ihn
eben beritten machen. — Die Geschütze der Fußartillerie sind sämmtlich mit


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[0231] dagegen excellirt er im Einzelnkampfe. Der Gedanke in der Masse geschlossen etwas auszuführen, liegt ihm zu fern, lieber verläßt sich jeder auf die eigne Kraft, dadurch geht das Zusanimenwirken verloren, und wird selten etwas Großes erreicht, namentlich wenn die feindlichen Truppen geschlossen bleiben. Die indische Reiterei wird selbst in der Ueberzahl eine nur mittelmäßige euro¬ päische Infanterie nicht überwinden können, so lange diese nicht in Unordnung kommt. Wo aber das Terrain geschlossene Angriffe nicht gestattet, wo nur der einzelne Reiter zum Gefechte gelangen kann, wo es die Verfolgung des geschlagenen Feindes gilt, da sind sie ganz an ihrem Platze. Der Titel des indischen irregulären Reiters ist Sowar. die Schwadron heißt Ripallak, die Anführer derselben sind selten Europäer, sondern angesehene Häuptlinge, die in den Sold der Compagnie getreten sind, und Nipaldars heißen. — Nicht zu verwechseln mit diesen Regimentern ist das. welches im gegenwärtigen Kriege in Bengalen auf Seiten der Engländer ficht, und den Namen Hodsons Horses führt, dasselbe, das den König von Delhi nach der Einnahme dieser Stadt, einige Meilen davon bei den Havmovnsgräbern sing, und sich auch sonst bei jeder Gelegenheit rühmlich auszeichnet. Dies Regiment stammt aus dem Pendschab und die Leute desselben sind ohne Ausnahme Sikhs. Der Grundpfeiler der englischen Macht, ihre größte Stärke in Indien liegt in ihrer Artillerie. Das sah man in den frühern Kriegen, und das sieht man jetzt abermals, denn die Armee führt dort nach europäischen Begriffen eine Ueberzahl von Geschützen mit sich, und dieselben sind von einer Größe des Kalibers, wie man sie sonst in Feldschlachten selten gebraucht. Die nu¬ merische Schwäche der britischen Armee einestheils, anderntheils aber die vielen befestigten Städte und Schlösser, die genommen werden müssen, zwingen den Oberbefehlshaber Sir Colin Campbell dazu, wenn auch die Beweglichkeit des Heeres dadurch bedeutend gehemmt wird. Die reitende Artillerie ist im Ver¬ hältnisse zu der Fußartillerie viel bedeutender, als in allen europäischen Heeren; es gibt wenig leichte Fußbatterien, sie sind mehrentheils mit schweren Geschützen bewaffnet. Daß man genöthigt ist, sehr viele reitende Artillerie zu haben. Mag auch darin seinen Grund haben, daß die Truppen an und für sich auf Märschen bedeutenden Strapatzen ausgesetzt sind, mithin man sich der Pferde bedient, um die Leute bei dergleichen Gelegenheiten zu schonen, folglich rein als Transportmittel; wird ja auch die Infanterie sehr häufig auf Lastthieren oder in mit Ochsen bespannten Karren transportirt; ein fernerer Grund der Erscheinung aber ist der', daß es die Bewegungen der Artillerie mitunter nöthig machen, daß sich die Bedienung in Laufschritt setzt, und zwar oft auf größere Ent- fernungen. Dies kann bei der Hitze des Klimas der Europäer ohne die schädlichsten Folgen sür seine Gesundheit nicht ertragen, und so muß man ihn eben beritten machen. — Die Geschütze der Fußartillerie sind sämmtlich mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/231>, abgerufen am 22.07.2024.