Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hat endlich auch Beispiele, daß sie sich sehr tapfer geschlagen haben; im All¬
gemeinen scheint dies aber nicht ihre starke Seite zu sein, wenigstens sprechen
die Ereignisse des Kampfes vor Delhi und Laknau nicht für ihre besondere
Tapferkeit. Von europäischen Offizieren geführt, folgen sie diesen in das
Gefecht, und können einem bereits durch Geschützfeuer gebrochnen Feinde furcht¬
bar werden, einen Bajonettaugriff aber führen sie auf einen noch uner¬
schütterten Feind selten mit großer Vehemenz aus -- und dies ist eigentlich
die stärkste Seite des königlichen Heeres. Bei einzelnen Gelegenheiten im
Kriege mit den Sikhs haben sie sich ausgezeichnet, oft aber ließen sie auch ihre
europäischen Offiziere schnöde in Stich und entzogen sich der Gefahr durch feige
Flucht -- namentlich geschah dies auch bei dem unglücklichen Rückzug von Cabul.

Die Sipoys lagern brigadeweise, selten in einzelnen Regimentern in
Festungen oder in sogenannten Bungalowlagern. In diesen haben sie auch
ihre Exercirplätze. in der Nähe ihre Bazars. wo sie häusig hingehen, um Neuig¬
keiten zu erfahren oder Einkäufe zu machen. Nur so lange sie im Dienste
sind, haben sie ihre Waffen; so wie das Erercireu oder der Wachdienst vorüber
es, werden die Gewehre in steinernen Gebäuden aufbewahrt, täglich wird eine
Anzahl Sipoys zum Reinigen derselben commandirt, was unter der Aufsicht
eines europäischen Offiziers geschieht, dann werden sie abermals abgegeben
und verschlossen. Sofort nach dem Dienste legen die Sipoys ihre Uniformen
"v. baden, wenn dies irgend möglich ist, gehen in der Tracht der Landes¬
bewohner im Lager umher, oder sitzen rauchend in ihren Bungalows, eine
Art Hütten, die sie sich nach eigner Manier und Bequemlichkeit errichten, und
wofür sie einen kleinen Zuschuß an Geld, das sogenannte Kutting' molto)?, erhalten.
Wenn vorher beim Dienste der Sudras neben dem Brahminen, der Mahome-
daner neben dem christlichen Unteroffizier ohne Widerwillen in Reih und Glied
gestanden, so sondert sich jetzt alles nach Glauben, Kaste und Hautfarbe ab.
und der Kastengeist tritt in sein volles unsinniges Recht. Jeder Hindu kocht
sich sein Essen selbst, es ist ganz unmöglich, eine gemeinsame Menage bei ihnen
einzuführen, dies würde sie mit den Satzungen ihres Glaubens in Kollision
bringen, was man feiten des Gouvernements möglichst zu vermeiden sucht,
um ihnen nicht Veranlassung zur Unzufriedenheit zu geben.

Die Sipoys sind mehrentheils verheirathet. sie können von ihrer Löhnung,
die täglich 1 Schilling beträgt, bei ihrem mäßigen Leben und den billigen
Preisen der Lebensmittel ganz wohl eine Familie ernähren, und dabei noch
etwas zurücklegen, für ihr Alter sind sie bei guter Aufführung durchzureichende
Pension sorgenfrei gestellt; ihre Disciplin ist nicht so streng wie in der könig¬
lichen Armee, sie sind z.B. körperlichen Züchtigungen nicht unterworfen; Aus¬
stoßung- aus dem N"gimente. Verlust der Pension waren bisher die härtesten
Strafen, die man anwendete.


hat endlich auch Beispiele, daß sie sich sehr tapfer geschlagen haben; im All¬
gemeinen scheint dies aber nicht ihre starke Seite zu sein, wenigstens sprechen
die Ereignisse des Kampfes vor Delhi und Laknau nicht für ihre besondere
Tapferkeit. Von europäischen Offizieren geführt, folgen sie diesen in das
Gefecht, und können einem bereits durch Geschützfeuer gebrochnen Feinde furcht¬
bar werden, einen Bajonettaugriff aber führen sie auf einen noch uner¬
schütterten Feind selten mit großer Vehemenz aus — und dies ist eigentlich
die stärkste Seite des königlichen Heeres. Bei einzelnen Gelegenheiten im
Kriege mit den Sikhs haben sie sich ausgezeichnet, oft aber ließen sie auch ihre
europäischen Offiziere schnöde in Stich und entzogen sich der Gefahr durch feige
Flucht — namentlich geschah dies auch bei dem unglücklichen Rückzug von Cabul.

Die Sipoys lagern brigadeweise, selten in einzelnen Regimentern in
Festungen oder in sogenannten Bungalowlagern. In diesen haben sie auch
ihre Exercirplätze. in der Nähe ihre Bazars. wo sie häusig hingehen, um Neuig¬
keiten zu erfahren oder Einkäufe zu machen. Nur so lange sie im Dienste
sind, haben sie ihre Waffen; so wie das Erercireu oder der Wachdienst vorüber
es, werden die Gewehre in steinernen Gebäuden aufbewahrt, täglich wird eine
Anzahl Sipoys zum Reinigen derselben commandirt, was unter der Aufsicht
eines europäischen Offiziers geschieht, dann werden sie abermals abgegeben
und verschlossen. Sofort nach dem Dienste legen die Sipoys ihre Uniformen
"v. baden, wenn dies irgend möglich ist, gehen in der Tracht der Landes¬
bewohner im Lager umher, oder sitzen rauchend in ihren Bungalows, eine
Art Hütten, die sie sich nach eigner Manier und Bequemlichkeit errichten, und
wofür sie einen kleinen Zuschuß an Geld, das sogenannte Kutting' molto)?, erhalten.
Wenn vorher beim Dienste der Sudras neben dem Brahminen, der Mahome-
daner neben dem christlichen Unteroffizier ohne Widerwillen in Reih und Glied
gestanden, so sondert sich jetzt alles nach Glauben, Kaste und Hautfarbe ab.
und der Kastengeist tritt in sein volles unsinniges Recht. Jeder Hindu kocht
sich sein Essen selbst, es ist ganz unmöglich, eine gemeinsame Menage bei ihnen
einzuführen, dies würde sie mit den Satzungen ihres Glaubens in Kollision
bringen, was man feiten des Gouvernements möglichst zu vermeiden sucht,
um ihnen nicht Veranlassung zur Unzufriedenheit zu geben.

Die Sipoys sind mehrentheils verheirathet. sie können von ihrer Löhnung,
die täglich 1 Schilling beträgt, bei ihrem mäßigen Leben und den billigen
Preisen der Lebensmittel ganz wohl eine Familie ernähren, und dabei noch
etwas zurücklegen, für ihr Alter sind sie bei guter Aufführung durchzureichende
Pension sorgenfrei gestellt; ihre Disciplin ist nicht so streng wie in der könig¬
lichen Armee, sie sind z.B. körperlichen Züchtigungen nicht unterworfen; Aus¬
stoßung- aus dem N«gimente. Verlust der Pension waren bisher die härtesten
Strafen, die man anwendete.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106040"/>
              <p xml:id="ID_658" prev="#ID_657"> hat endlich auch Beispiele, daß sie sich sehr tapfer geschlagen haben; im All¬<lb/>
gemeinen scheint dies aber nicht ihre starke Seite zu sein, wenigstens sprechen<lb/>
die Ereignisse des Kampfes vor Delhi und Laknau nicht für ihre besondere<lb/>
Tapferkeit. Von europäischen Offizieren geführt, folgen sie diesen in das<lb/>
Gefecht, und können einem bereits durch Geschützfeuer gebrochnen Feinde furcht¬<lb/>
bar werden, einen Bajonettaugriff aber führen sie auf einen noch uner¬<lb/>
schütterten Feind selten mit großer Vehemenz aus &#x2014; und dies ist eigentlich<lb/>
die stärkste Seite des königlichen Heeres. Bei einzelnen Gelegenheiten im<lb/>
Kriege mit den Sikhs haben sie sich ausgezeichnet, oft aber ließen sie auch ihre<lb/>
europäischen Offiziere schnöde in Stich und entzogen sich der Gefahr durch feige<lb/>
Flucht &#x2014; namentlich geschah dies auch bei dem unglücklichen Rückzug von Cabul.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_659"> Die Sipoys lagern brigadeweise, selten in einzelnen Regimentern in<lb/>
Festungen oder in sogenannten Bungalowlagern. In diesen haben sie auch<lb/>
ihre Exercirplätze. in der Nähe ihre Bazars. wo sie häusig hingehen, um Neuig¬<lb/>
keiten zu erfahren oder Einkäufe zu machen. Nur so lange sie im Dienste<lb/>
sind, haben sie ihre Waffen; so wie das Erercireu oder der Wachdienst vorüber<lb/>
es, werden die Gewehre in steinernen Gebäuden aufbewahrt, täglich wird eine<lb/>
Anzahl Sipoys zum Reinigen derselben commandirt, was unter der Aufsicht<lb/>
eines europäischen Offiziers geschieht, dann werden sie abermals abgegeben<lb/>
und verschlossen. Sofort nach dem Dienste legen die Sipoys ihre Uniformen<lb/>
"v. baden, wenn dies irgend möglich ist, gehen in der Tracht der Landes¬<lb/>
bewohner im Lager umher, oder sitzen rauchend in ihren Bungalows, eine<lb/>
Art Hütten, die sie sich nach eigner Manier und Bequemlichkeit errichten, und<lb/>
wofür sie einen kleinen Zuschuß an Geld, das sogenannte Kutting' molto)?, erhalten.<lb/>
Wenn vorher beim Dienste der Sudras neben dem Brahminen, der Mahome-<lb/>
daner neben dem christlichen Unteroffizier ohne Widerwillen in Reih und Glied<lb/>
gestanden, so sondert sich jetzt alles nach Glauben, Kaste und Hautfarbe ab.<lb/>
und der Kastengeist tritt in sein volles unsinniges Recht. Jeder Hindu kocht<lb/>
sich sein Essen selbst, es ist ganz unmöglich, eine gemeinsame Menage bei ihnen<lb/>
einzuführen, dies würde sie mit den Satzungen ihres Glaubens in Kollision<lb/>
bringen, was man feiten des Gouvernements möglichst zu vermeiden sucht,<lb/>
um ihnen nicht Veranlassung zur Unzufriedenheit zu geben.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_660"> Die Sipoys sind mehrentheils verheirathet. sie können von ihrer Löhnung,<lb/>
die täglich 1 Schilling beträgt, bei ihrem mäßigen Leben und den billigen<lb/>
Preisen der Lebensmittel ganz wohl eine Familie ernähren, und dabei noch<lb/>
etwas zurücklegen, für ihr Alter sind sie bei guter Aufführung durchzureichende<lb/>
Pension sorgenfrei gestellt; ihre Disciplin ist nicht so streng wie in der könig¬<lb/>
lichen Armee, sie sind z.B. körperlichen Züchtigungen nicht unterworfen; Aus¬<lb/>
stoßung- aus dem N«gimente. Verlust der Pension waren bisher die härtesten<lb/>
Strafen, die man anwendete.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0229] hat endlich auch Beispiele, daß sie sich sehr tapfer geschlagen haben; im All¬ gemeinen scheint dies aber nicht ihre starke Seite zu sein, wenigstens sprechen die Ereignisse des Kampfes vor Delhi und Laknau nicht für ihre besondere Tapferkeit. Von europäischen Offizieren geführt, folgen sie diesen in das Gefecht, und können einem bereits durch Geschützfeuer gebrochnen Feinde furcht¬ bar werden, einen Bajonettaugriff aber führen sie auf einen noch uner¬ schütterten Feind selten mit großer Vehemenz aus — und dies ist eigentlich die stärkste Seite des königlichen Heeres. Bei einzelnen Gelegenheiten im Kriege mit den Sikhs haben sie sich ausgezeichnet, oft aber ließen sie auch ihre europäischen Offiziere schnöde in Stich und entzogen sich der Gefahr durch feige Flucht — namentlich geschah dies auch bei dem unglücklichen Rückzug von Cabul. Die Sipoys lagern brigadeweise, selten in einzelnen Regimentern in Festungen oder in sogenannten Bungalowlagern. In diesen haben sie auch ihre Exercirplätze. in der Nähe ihre Bazars. wo sie häusig hingehen, um Neuig¬ keiten zu erfahren oder Einkäufe zu machen. Nur so lange sie im Dienste sind, haben sie ihre Waffen; so wie das Erercireu oder der Wachdienst vorüber es, werden die Gewehre in steinernen Gebäuden aufbewahrt, täglich wird eine Anzahl Sipoys zum Reinigen derselben commandirt, was unter der Aufsicht eines europäischen Offiziers geschieht, dann werden sie abermals abgegeben und verschlossen. Sofort nach dem Dienste legen die Sipoys ihre Uniformen "v. baden, wenn dies irgend möglich ist, gehen in der Tracht der Landes¬ bewohner im Lager umher, oder sitzen rauchend in ihren Bungalows, eine Art Hütten, die sie sich nach eigner Manier und Bequemlichkeit errichten, und wofür sie einen kleinen Zuschuß an Geld, das sogenannte Kutting' molto)?, erhalten. Wenn vorher beim Dienste der Sudras neben dem Brahminen, der Mahome- daner neben dem christlichen Unteroffizier ohne Widerwillen in Reih und Glied gestanden, so sondert sich jetzt alles nach Glauben, Kaste und Hautfarbe ab. und der Kastengeist tritt in sein volles unsinniges Recht. Jeder Hindu kocht sich sein Essen selbst, es ist ganz unmöglich, eine gemeinsame Menage bei ihnen einzuführen, dies würde sie mit den Satzungen ihres Glaubens in Kollision bringen, was man feiten des Gouvernements möglichst zu vermeiden sucht, um ihnen nicht Veranlassung zur Unzufriedenheit zu geben. Die Sipoys sind mehrentheils verheirathet. sie können von ihrer Löhnung, die täglich 1 Schilling beträgt, bei ihrem mäßigen Leben und den billigen Preisen der Lebensmittel ganz wohl eine Familie ernähren, und dabei noch etwas zurücklegen, für ihr Alter sind sie bei guter Aufführung durchzureichende Pension sorgenfrei gestellt; ihre Disciplin ist nicht so streng wie in der könig¬ lichen Armee, sie sind z.B. körperlichen Züchtigungen nicht unterworfen; Aus¬ stoßung- aus dem N«gimente. Verlust der Pension waren bisher die härtesten Strafen, die man anwendete.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/229
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/229>, abgerufen am 22.07.2024.