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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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gehen zu stützen, ein in jeder Beziehung verfehltes System. Soll es den
Soldaten zeigen, daß die Disciplinargesetze für alle und gegen alle gleich¬
mäßig in Anwendung gebracht werden, so hat andererseits dies den großen
Nachtheil, daß es der Autorität des bestraften Offiziers schadet, und kommen
Arreturen der Art in einem Regiments öfters vor, so wird das ganze Offiziers¬
corps dadurch herabgesetzt. Sollen Offiziere durch Bestrafungen auf dem Wege
der Pflicht erhalten werden, so ist dies sehr traurig. -- der Offizierstand ist
der der Ehre, und nur durch diese muß auf denselben eingewirkt werden.
Offiziere aber wegen bloßer Dienst- oder Exercierfehler, die aus Unkenntniß
oder Mangel an Erfahrung hervorgegangen sind, mit Arrest zu belegen, ist
das Allerfalscheste. Wir haben immer gefunden, daß die schwächsten und un¬
fähigsten Vorgesetzten die meisten Arreturen bei den ihnen'untergebenen Offi¬
zieren vornahmen und (wie solche Leute gewöhnlich sind) in der ersten Hitze
Bestrafungen aussprachen, die sie eine Stunde später herzlich gern zurück¬
genommen Hütten, daß also diese Offiziere einer gewissen Willkür Preis gegeben
waren. Oft auch kommen Perioden, wo ohne daß es die Nothwendigkeit ge¬
bietet, die Vergötterung und Nachahmung der einen oder andern Armee und
ihrer Disciplinargesetze mehr oder minder strenge Behandlung der Offiziere
Zur Folge hat, ein Fall, der namentlich bei den Heeren kleiner Staaten statt¬
findet.

In der englischen Armee sind Duelle bei Cassation verboten, und kommen
jetzt so gut wie nie vor. In der Quecns Regulation steht darüber, daß die
Offiziere Gentlemen seien, mithin sich als solche zu benehmen hätten, daß
Beleidigungen grober Art deshalb nicht vorkommen, und wenn dies geschehen,
eine Bitte um Verzeihung dem Charakter des Mannes angemessener sei, als
der zweifelhafte Ausweg eines Duells.

Es läßt sich viel dafür und dagegen sagen; da aber in England der
Offizier, der einen andern gröblich beleidigt, vor ein Untersuchungsgericht, ab¬
gehalten von Offizieren eines andern Regimentes als dem. welchen der An¬
geschuldigte angehört, gestellt und sür den Fall, daß er schuldig ist. sofort
aus dem Dienste entlassen wird, so kommen dergleichen Beleidigungen selten
vor, und die Erfahrung lehrt, daß man dort der Duelle nicht bedarf, um
seine Ehre zu wahren. Ob ein Aehnliches oder Gleiches in andern Armeen
einzuführen gut wäre, bezweifeln wir, weil die Offiziere vieler derselben aus
ganz verschiedenen Ständen abstammen und ihr geselliger Bildungsgrad ein
zu verschiedener ist, als daß nicht mitunter Ueberhebungen oder Rohheiten Ein¬
zelner andere dazu auffordern müßten, sich gegen diese mit den Waffen in
der Hand zu schützen. Wer endlich das Schwert sür seines Vaterlandes Ehre
Ziehen soll, der muß auch das Recht haben, dies für die eigne zu thun. Ab¬
gesehen von alle dem kommen oft Fälle vor, wo ein anderer Weg der Aus-


Grenzboten III. 13S8. 28

gehen zu stützen, ein in jeder Beziehung verfehltes System. Soll es den
Soldaten zeigen, daß die Disciplinargesetze für alle und gegen alle gleich¬
mäßig in Anwendung gebracht werden, so hat andererseits dies den großen
Nachtheil, daß es der Autorität des bestraften Offiziers schadet, und kommen
Arreturen der Art in einem Regiments öfters vor, so wird das ganze Offiziers¬
corps dadurch herabgesetzt. Sollen Offiziere durch Bestrafungen auf dem Wege
der Pflicht erhalten werden, so ist dies sehr traurig. — der Offizierstand ist
der der Ehre, und nur durch diese muß auf denselben eingewirkt werden.
Offiziere aber wegen bloßer Dienst- oder Exercierfehler, die aus Unkenntniß
oder Mangel an Erfahrung hervorgegangen sind, mit Arrest zu belegen, ist
das Allerfalscheste. Wir haben immer gefunden, daß die schwächsten und un¬
fähigsten Vorgesetzten die meisten Arreturen bei den ihnen'untergebenen Offi¬
zieren vornahmen und (wie solche Leute gewöhnlich sind) in der ersten Hitze
Bestrafungen aussprachen, die sie eine Stunde später herzlich gern zurück¬
genommen Hütten, daß also diese Offiziere einer gewissen Willkür Preis gegeben
waren. Oft auch kommen Perioden, wo ohne daß es die Nothwendigkeit ge¬
bietet, die Vergötterung und Nachahmung der einen oder andern Armee und
ihrer Disciplinargesetze mehr oder minder strenge Behandlung der Offiziere
Zur Folge hat, ein Fall, der namentlich bei den Heeren kleiner Staaten statt¬
findet.

In der englischen Armee sind Duelle bei Cassation verboten, und kommen
jetzt so gut wie nie vor. In der Quecns Regulation steht darüber, daß die
Offiziere Gentlemen seien, mithin sich als solche zu benehmen hätten, daß
Beleidigungen grober Art deshalb nicht vorkommen, und wenn dies geschehen,
eine Bitte um Verzeihung dem Charakter des Mannes angemessener sei, als
der zweifelhafte Ausweg eines Duells.

Es läßt sich viel dafür und dagegen sagen; da aber in England der
Offizier, der einen andern gröblich beleidigt, vor ein Untersuchungsgericht, ab¬
gehalten von Offizieren eines andern Regimentes als dem. welchen der An¬
geschuldigte angehört, gestellt und sür den Fall, daß er schuldig ist. sofort
aus dem Dienste entlassen wird, so kommen dergleichen Beleidigungen selten
vor, und die Erfahrung lehrt, daß man dort der Duelle nicht bedarf, um
seine Ehre zu wahren. Ob ein Aehnliches oder Gleiches in andern Armeen
einzuführen gut wäre, bezweifeln wir, weil die Offiziere vieler derselben aus
ganz verschiedenen Ständen abstammen und ihr geselliger Bildungsgrad ein
zu verschiedener ist, als daß nicht mitunter Ueberhebungen oder Rohheiten Ein¬
zelner andere dazu auffordern müßten, sich gegen diese mit den Waffen in
der Hand zu schützen. Wer endlich das Schwert sür seines Vaterlandes Ehre
Ziehen soll, der muß auch das Recht haben, dies für die eigne zu thun. Ab¬
gesehen von alle dem kommen oft Fälle vor, wo ein anderer Weg der Aus-


Grenzboten III. 13S8. 28
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/225>, abgerufen am 03.07.2024.