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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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auf seine Gesundheit leeren zu dürfen. Der so Aufgeforderte verneigt sich
dann gegen den erstern, und beide trinken ihre Gläser aus. Es kann nicht
fehlen, daß diese Sitte ihre großen Schattenseiten hat. Ist nämlich ein Gast
in der Meß, so wird jeder der Anwesenden ein Glas auf dessen Gesundheit
trinken wollen, und sind auch nur 30 Personen bei Tafel, so ist es immerhin
eine gute Aufgabe, in Zeit von l'/s Stunde ebenso viele Gläser Sherry zu
leeren; ausgetrunken muß werden und man kann sich nur dadurch helfen, daß
man sein Glas halbvoll schenkt.

Während des Diners müssen alle Offiziere in Uniform erscheinen, und
ist dafür eine besondere Art derselben vorgeschrieben; es sind dies Jacken von
der Farbe der Uniform mit goldenen Knöpfen oder Tressen verziert, darunter
bei der Infanterie eine weiße Weste und die Schärpe; bei der Artillerie, Rei¬
terei und den Jägern wird die Cartouche darüber getragen.

Wir sagten, daß die Meß den Offizieren überhaupt das Gast- und Club¬
haus ersetzen solle. Zu diesem Zweck ist es auch gestattet, daß man außer
der Dinerzeit (Abends 6 Uhr) daselbst verweilt; von früh ö bis 1 Uhr steht stets
das Frühstück auf der Tafel. Es gibt da kaltes Fleisch, Eier. Beefsteak. Käse.
Thee und Kaffee, man langt nach Belieben zu, und zahlt dafür 1 Schilling. So
ist zu verhältnißmäßig billigen Preisen für den nothwendigen Lebensunterhalt
möglichst gesorgt, und es wird mit Recht den Meßanstalten der Armee feiten
des Obercommandos die größte Aufmerksamkeit gewidmet. Jedes Regiment
sucht die seinige so comfortable als möglich einzurichten, einige derselben, na¬
mentlich die der Garden und die der Cavalerie sind wahrhaft luxuriös aus¬
gestattet, und es gibt mehre dergleichen, wo von Silber gespeist wird. Dem
Wirth oder Castellan werden täglich die nöthigen Soldaten zur Aufwartung
und Arbeit commentirt, und da ihm so das Halten zahlreicher Dienerschaft
erspart wird, kann er recht gut bestehen, um so mehr, da er auch nicht für
Heizung und Geschirr oder Tafelwäsche zu sorgen hat. Die Meßleute mar-
schiren in der Regel mit dem Regimente von einer Stution zur andern, und
die Offiziere leben, wo sie auch sein mögen, nach den Sitten ihrer Heimath.

Der Regimentscommandant besitzt eine Strafgewalt über seine Offiziere
durchaus nicht, er darf keinem derselben ohne Autorisation auch nur einen
öffentlichen Verweis geben. Hat ein Offizier sich eines Dienstvergehens schul¬
dig gemacht, so wird er zwar arretirt, muß aber vor ein Districtskriegsgericht
(clistriet court. martial) gestellt werden, welches dann seine Bestrafung nus-
spricht. oder seine Freilassung bewirkt. Man sieht hieraus, die Offiziere sind
der Willkür ihrer Porgesetzten durchaus nicht Preis gegeben. In vielen an¬
deren Armeen geht man zu sehr von dem Grundsatze aus, "gleiche Brüder
gleiche Kappen" und glaubt die Disciplin durch ein üöerstrenges, oft rück¬
sichtsloses Verfahren gegen die Offiziere bei vorkommenden Fehlern oder Ver-


auf seine Gesundheit leeren zu dürfen. Der so Aufgeforderte verneigt sich
dann gegen den erstern, und beide trinken ihre Gläser aus. Es kann nicht
fehlen, daß diese Sitte ihre großen Schattenseiten hat. Ist nämlich ein Gast
in der Meß, so wird jeder der Anwesenden ein Glas auf dessen Gesundheit
trinken wollen, und sind auch nur 30 Personen bei Tafel, so ist es immerhin
eine gute Aufgabe, in Zeit von l'/s Stunde ebenso viele Gläser Sherry zu
leeren; ausgetrunken muß werden und man kann sich nur dadurch helfen, daß
man sein Glas halbvoll schenkt.

Während des Diners müssen alle Offiziere in Uniform erscheinen, und
ist dafür eine besondere Art derselben vorgeschrieben; es sind dies Jacken von
der Farbe der Uniform mit goldenen Knöpfen oder Tressen verziert, darunter
bei der Infanterie eine weiße Weste und die Schärpe; bei der Artillerie, Rei¬
terei und den Jägern wird die Cartouche darüber getragen.

Wir sagten, daß die Meß den Offizieren überhaupt das Gast- und Club¬
haus ersetzen solle. Zu diesem Zweck ist es auch gestattet, daß man außer
der Dinerzeit (Abends 6 Uhr) daselbst verweilt; von früh ö bis 1 Uhr steht stets
das Frühstück auf der Tafel. Es gibt da kaltes Fleisch, Eier. Beefsteak. Käse.
Thee und Kaffee, man langt nach Belieben zu, und zahlt dafür 1 Schilling. So
ist zu verhältnißmäßig billigen Preisen für den nothwendigen Lebensunterhalt
möglichst gesorgt, und es wird mit Recht den Meßanstalten der Armee feiten
des Obercommandos die größte Aufmerksamkeit gewidmet. Jedes Regiment
sucht die seinige so comfortable als möglich einzurichten, einige derselben, na¬
mentlich die der Garden und die der Cavalerie sind wahrhaft luxuriös aus¬
gestattet, und es gibt mehre dergleichen, wo von Silber gespeist wird. Dem
Wirth oder Castellan werden täglich die nöthigen Soldaten zur Aufwartung
und Arbeit commentirt, und da ihm so das Halten zahlreicher Dienerschaft
erspart wird, kann er recht gut bestehen, um so mehr, da er auch nicht für
Heizung und Geschirr oder Tafelwäsche zu sorgen hat. Die Meßleute mar-
schiren in der Regel mit dem Regimente von einer Stution zur andern, und
die Offiziere leben, wo sie auch sein mögen, nach den Sitten ihrer Heimath.

Der Regimentscommandant besitzt eine Strafgewalt über seine Offiziere
durchaus nicht, er darf keinem derselben ohne Autorisation auch nur einen
öffentlichen Verweis geben. Hat ein Offizier sich eines Dienstvergehens schul¬
dig gemacht, so wird er zwar arretirt, muß aber vor ein Districtskriegsgericht
(clistriet court. martial) gestellt werden, welches dann seine Bestrafung nus-
spricht. oder seine Freilassung bewirkt. Man sieht hieraus, die Offiziere sind
der Willkür ihrer Porgesetzten durchaus nicht Preis gegeben. In vielen an¬
deren Armeen geht man zu sehr von dem Grundsatze aus, „gleiche Brüder
gleiche Kappen" und glaubt die Disciplin durch ein üöerstrenges, oft rück¬
sichtsloses Verfahren gegen die Offiziere bei vorkommenden Fehlern oder Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/224>, abgerufen am 08.01.2025.