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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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liebe Bildung zu erzielen; einen Vermögensansweis der Aspiranten wird man
aber immer verlangen müssen, sonst kann ein junger Offizier nicht auskommen,
muß in Verlegenheiten gerathen und infolge dessen sehr rasch in ein Schuld¬
gefängniß wandern. Kein Oberst nimmt jetzt einen Aspiranten, der nicht
außer dein Gelde, welches er zum Kaufe der Stelle bedarf, noch Zuschuß
von zu Haus erhalt oder Privatvermögen hat. Ju der Gardccavalerie ist
das Dienen so enorm theuer, daß es immer mehre Vacanzen gibt, weil sich
nicht genug junge Leute finden, welche für ihr schweres Geld auch noch das
Joch des Dienstes, denn ein Joch ist der Dienst dem Engländer meistentheils.
auf sich laden wollen.

Die Commandanten der Regimenter sind die Oberstlieutenants, die Ober¬
sten beziehen, wie bemerkt, nur den Gehalt ihrer Stelle und sind Brigadiers
oder Generale, verbinden also nicht nur zwei Chargen, sondern beziehen auch
die Gehalte derselben in einer Person, ja es kommt vor, daß berühmte Ge¬
nerale Oberst von drei Regimentern und als solche besoldet sind; so war
es Wellington von einem Leibgarde-, einem Grcnadiergarde-, und vom 33.
Infanterieregiment.

Daß dies System das Heer nicht wenig vertheuert, liegt auf der Hand;
entweder'der Oberst ist bei seinem Regiment nöthig, und dann muß er es
befehligen, oder er ist es nicht, dann kann die ganze Stelle, folglich der Ge¬
halt für dieselbe, dem Staat erspart werden.

Bei der Artillerie und den Ingenieurs stellt sich das Verhältniß anders
heraus. Hier sind technische Kenntnisse unerläßlich, deshalb werden die As¬
piranten in der Artillerieschule erzogen und müssen schwere Examen bestehen,
ehe sie zu einer Offizierstelle gelangen. Man kann dieser Waffe weder Tüch¬
tigkeit, noch Gelehrsamkeit, noch Erfahrung absprechen, und die Offiziere der¬
selben können sich mit den besten jeder andern Armee messen.

Der englische Offizier ist ohne Ausnahme Gentleman, wenigstens inso¬
fern, als das Wort den Gegensatz gegen die ärmern. niedrigern Classen be¬
zeichnet. Die Soldaten, in der Regel aus den niedrigsten Volksschichten an¬
geworben, blicken nicht weil er Offizier, sondern eben weil er Gentleman ist.
mit Achtung und Ehrfurcht auf ihn. Der Offizier seinerseits empfindet in der
Regel wenig Theilnahme für das Wohl oder Wehe seiner Mannschaften; er
sieht sie fast mir beim Dienste, redet beinahe niemals mit ihnen, ja er hat
selbst mit ihrer militärischen Ausbildung nichts zu thun.,da diese dem Unter¬
offizier, dem serZeant, einzig und allein obliegt. Die Vorgänge im Krim-
seldzuge beweisen das Gesagte zur Genüge; noch mehr aber sprechen dafür
der in der Times kürzlich zur Sprache gekommene üble Gesundheitszustand
der Truppen und die häufigen Todesfälle in den Regimentern, welche in Kaser¬
nen liegen. Kein Offizier ist ans die Idee gekommen, dem Grunde dieses


liebe Bildung zu erzielen; einen Vermögensansweis der Aspiranten wird man
aber immer verlangen müssen, sonst kann ein junger Offizier nicht auskommen,
muß in Verlegenheiten gerathen und infolge dessen sehr rasch in ein Schuld¬
gefängniß wandern. Kein Oberst nimmt jetzt einen Aspiranten, der nicht
außer dein Gelde, welches er zum Kaufe der Stelle bedarf, noch Zuschuß
von zu Haus erhalt oder Privatvermögen hat. Ju der Gardccavalerie ist
das Dienen so enorm theuer, daß es immer mehre Vacanzen gibt, weil sich
nicht genug junge Leute finden, welche für ihr schweres Geld auch noch das
Joch des Dienstes, denn ein Joch ist der Dienst dem Engländer meistentheils.
auf sich laden wollen.

Die Commandanten der Regimenter sind die Oberstlieutenants, die Ober¬
sten beziehen, wie bemerkt, nur den Gehalt ihrer Stelle und sind Brigadiers
oder Generale, verbinden also nicht nur zwei Chargen, sondern beziehen auch
die Gehalte derselben in einer Person, ja es kommt vor, daß berühmte Ge¬
nerale Oberst von drei Regimentern und als solche besoldet sind; so war
es Wellington von einem Leibgarde-, einem Grcnadiergarde-, und vom 33.
Infanterieregiment.

Daß dies System das Heer nicht wenig vertheuert, liegt auf der Hand;
entweder'der Oberst ist bei seinem Regiment nöthig, und dann muß er es
befehligen, oder er ist es nicht, dann kann die ganze Stelle, folglich der Ge¬
halt für dieselbe, dem Staat erspart werden.

Bei der Artillerie und den Ingenieurs stellt sich das Verhältniß anders
heraus. Hier sind technische Kenntnisse unerläßlich, deshalb werden die As¬
piranten in der Artillerieschule erzogen und müssen schwere Examen bestehen,
ehe sie zu einer Offizierstelle gelangen. Man kann dieser Waffe weder Tüch¬
tigkeit, noch Gelehrsamkeit, noch Erfahrung absprechen, und die Offiziere der¬
selben können sich mit den besten jeder andern Armee messen.

Der englische Offizier ist ohne Ausnahme Gentleman, wenigstens inso¬
fern, als das Wort den Gegensatz gegen die ärmern. niedrigern Classen be¬
zeichnet. Die Soldaten, in der Regel aus den niedrigsten Volksschichten an¬
geworben, blicken nicht weil er Offizier, sondern eben weil er Gentleman ist.
mit Achtung und Ehrfurcht auf ihn. Der Offizier seinerseits empfindet in der
Regel wenig Theilnahme für das Wohl oder Wehe seiner Mannschaften; er
sieht sie fast mir beim Dienste, redet beinahe niemals mit ihnen, ja er hat
selbst mit ihrer militärischen Ausbildung nichts zu thun.,da diese dem Unter¬
offizier, dem serZeant, einzig und allein obliegt. Die Vorgänge im Krim-
seldzuge beweisen das Gesagte zur Genüge; noch mehr aber sprechen dafür
der in der Times kürzlich zur Sprache gekommene üble Gesundheitszustand
der Truppen und die häufigen Todesfälle in den Regimentern, welche in Kaser¬
nen liegen. Kein Offizier ist ans die Idee gekommen, dem Grunde dieses


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/221>, abgerufen am 22.07.2024.