Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

andern Waffengattung. In diesem Falle zahlt er die Differenz des Preises
an den Regimentsagenten, selten aber wird er in den Besitz einer höhern
Stelle gelangen können, ohne sich mit dem, der sie bekleidet, verglichen d. h.
ihm eine Summe gezahlt zu haben, die den vom Reglement bestimmten Preis
bei weitem übersteigt. Es ist dies zwar illegal und streng verboten, doch
sehr schwer zu controliren und kommt leider nur zu häufig vor. Bei diesem
Avancement wird der Offizier einem etwas schwierigern Examen unterworfen,
das sich namentlich über alle Dienstverhältnisse erstreckt.

Was wir hier von den Prüfungen sagten, bezieht sich natürlich blos auf
Militärwissenschaften; denn im Uebrigen wird man selten eine Armee finden,
deren Offiziere so viele Sprachkenntnisse und so viel weltmännische Bildung
haben als eben in England, und mehrentheils haben sie beides in fremden
Ländern selbst gesammelt und nicht aus Büchern gelernt.

Der Arme, oder der, welcher während seiner Dienstzeit sein Privat¬
vermögen verlor, ist bei diesem System freilich übel daran, er kann sich keine
höhere Stelle kaufen, bleibt in der seinigen und kommt nicht vorwärts, wäre
er auch der tüchtigste Militär; er muß sehen, wie ihn nach und nach alle vom
Glück mehr begünstigten jüngeren Offiziere überspringen, und nur der Gnade
der Königin hat er es zu danken, wenn er ^vitüout. Mi-eng-Sö -- ohne Kauf --
avancirt, wenn er mithin auf außerordentlichem Wege das erreicht, was der
französische Offizier so wie der deutsche für ein wohlverdientes Recht hält.

Dazu kommt aber noch ein Umstand, der das System für uns ganz be-
sonders verletzend erscheinen läßt, der Umstand nämlich, daß die Offiziere der
Haushaltstruppen, also der drei Gardekürassier- und Grenadicrregimenter, die
ihre Patente allerdings viel theurer bezahlen, auch einen um zwei Grade
höhern Rang haben, als die der Linie, daß also ein Ensign in erstern so
viel ist als ein Capitän in der letztern, und daß er diesen Rang und die
Stellung auch wirklich erhält, so wie er zur Linie übertritt. Stand er nur
eine Zeit lang als solcher bei dieser Truppe, so läßt er sich, wenn er Em¬
pfehlungen und Geldmittel hat, gegen Bezahlung des Kaufgeldes in die
Garde zurückversetzen/ und hat so mit einem Male den Rang eines Oberst¬
lieutenants, ohne je Lieutenant oder Major gewesen zu sein -- fürwahr eine
der Familie und dem Reichthum gemachte Concession, die auf dem Con-
tinent in jetziger Zeit unerhört und in Deutschland gradezu undenkbar wäre!

Bei solchen Verhältnissen kann man sich nicht wundern, wenn z. B. der
später berühmt gewordene Herzog von Wellington nach sechsjähriger Dienstzeit
Oberst war, ohne einem einzigen Feldzug beigewohnt zu haben. War er wie
die meisten alten Generale ein eifriger Vertheidiger dieses Systems, so be¬
ginnt man jetzt die vielen Nachtheile desselben einzusehen; namentlich geht das
Streben des Herzogs von Cambridge dahin, eine größere Militärwissenschaft-


andern Waffengattung. In diesem Falle zahlt er die Differenz des Preises
an den Regimentsagenten, selten aber wird er in den Besitz einer höhern
Stelle gelangen können, ohne sich mit dem, der sie bekleidet, verglichen d. h.
ihm eine Summe gezahlt zu haben, die den vom Reglement bestimmten Preis
bei weitem übersteigt. Es ist dies zwar illegal und streng verboten, doch
sehr schwer zu controliren und kommt leider nur zu häufig vor. Bei diesem
Avancement wird der Offizier einem etwas schwierigern Examen unterworfen,
das sich namentlich über alle Dienstverhältnisse erstreckt.

Was wir hier von den Prüfungen sagten, bezieht sich natürlich blos auf
Militärwissenschaften; denn im Uebrigen wird man selten eine Armee finden,
deren Offiziere so viele Sprachkenntnisse und so viel weltmännische Bildung
haben als eben in England, und mehrentheils haben sie beides in fremden
Ländern selbst gesammelt und nicht aus Büchern gelernt.

Der Arme, oder der, welcher während seiner Dienstzeit sein Privat¬
vermögen verlor, ist bei diesem System freilich übel daran, er kann sich keine
höhere Stelle kaufen, bleibt in der seinigen und kommt nicht vorwärts, wäre
er auch der tüchtigste Militär; er muß sehen, wie ihn nach und nach alle vom
Glück mehr begünstigten jüngeren Offiziere überspringen, und nur der Gnade
der Königin hat er es zu danken, wenn er ^vitüout. Mi-eng-Sö — ohne Kauf —
avancirt, wenn er mithin auf außerordentlichem Wege das erreicht, was der
französische Offizier so wie der deutsche für ein wohlverdientes Recht hält.

Dazu kommt aber noch ein Umstand, der das System für uns ganz be-
sonders verletzend erscheinen läßt, der Umstand nämlich, daß die Offiziere der
Haushaltstruppen, also der drei Gardekürassier- und Grenadicrregimenter, die
ihre Patente allerdings viel theurer bezahlen, auch einen um zwei Grade
höhern Rang haben, als die der Linie, daß also ein Ensign in erstern so
viel ist als ein Capitän in der letztern, und daß er diesen Rang und die
Stellung auch wirklich erhält, so wie er zur Linie übertritt. Stand er nur
eine Zeit lang als solcher bei dieser Truppe, so läßt er sich, wenn er Em¬
pfehlungen und Geldmittel hat, gegen Bezahlung des Kaufgeldes in die
Garde zurückversetzen/ und hat so mit einem Male den Rang eines Oberst¬
lieutenants, ohne je Lieutenant oder Major gewesen zu sein — fürwahr eine
der Familie und dem Reichthum gemachte Concession, die auf dem Con-
tinent in jetziger Zeit unerhört und in Deutschland gradezu undenkbar wäre!

Bei solchen Verhältnissen kann man sich nicht wundern, wenn z. B. der
später berühmt gewordene Herzog von Wellington nach sechsjähriger Dienstzeit
Oberst war, ohne einem einzigen Feldzug beigewohnt zu haben. War er wie
die meisten alten Generale ein eifriger Vertheidiger dieses Systems, so be¬
ginnt man jetzt die vielen Nachtheile desselben einzusehen; namentlich geht das
Streben des Herzogs von Cambridge dahin, eine größere Militärwissenschaft-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106031"/>
            <p xml:id="ID_621" prev="#ID_620"> andern Waffengattung. In diesem Falle zahlt er die Differenz des Preises<lb/>
an den Regimentsagenten, selten aber wird er in den Besitz einer höhern<lb/>
Stelle gelangen können, ohne sich mit dem, der sie bekleidet, verglichen d. h.<lb/>
ihm eine Summe gezahlt zu haben, die den vom Reglement bestimmten Preis<lb/>
bei weitem übersteigt. Es ist dies zwar illegal und streng verboten, doch<lb/>
sehr schwer zu controliren und kommt leider nur zu häufig vor. Bei diesem<lb/>
Avancement wird der Offizier einem etwas schwierigern Examen unterworfen,<lb/>
das sich namentlich über alle Dienstverhältnisse erstreckt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_622"> Was wir hier von den Prüfungen sagten, bezieht sich natürlich blos auf<lb/>
Militärwissenschaften; denn im Uebrigen wird man selten eine Armee finden,<lb/>
deren Offiziere so viele Sprachkenntnisse und so viel weltmännische Bildung<lb/>
haben als eben in England, und mehrentheils haben sie beides in fremden<lb/>
Ländern selbst gesammelt und nicht aus Büchern gelernt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_623"> Der Arme, oder der, welcher während seiner Dienstzeit sein Privat¬<lb/>
vermögen verlor, ist bei diesem System freilich übel daran, er kann sich keine<lb/>
höhere Stelle kaufen, bleibt in der seinigen und kommt nicht vorwärts, wäre<lb/>
er auch der tüchtigste Militär; er muß sehen, wie ihn nach und nach alle vom<lb/>
Glück mehr begünstigten jüngeren Offiziere überspringen, und nur der Gnade<lb/>
der Königin hat er es zu danken, wenn er ^vitüout. Mi-eng-Sö &#x2014; ohne Kauf &#x2014;<lb/>
avancirt, wenn er mithin auf außerordentlichem Wege das erreicht, was der<lb/>
französische Offizier so wie der deutsche für ein wohlverdientes Recht hält.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_624"> Dazu kommt aber noch ein Umstand, der das System für uns ganz be-<lb/>
sonders verletzend erscheinen läßt, der Umstand nämlich, daß die Offiziere der<lb/>
Haushaltstruppen, also der drei Gardekürassier- und Grenadicrregimenter, die<lb/>
ihre Patente allerdings viel theurer bezahlen, auch einen um zwei Grade<lb/>
höhern Rang haben, als die der Linie, daß also ein Ensign in erstern so<lb/>
viel ist als ein Capitän in der letztern, und daß er diesen Rang und die<lb/>
Stellung auch wirklich erhält, so wie er zur Linie übertritt. Stand er nur<lb/>
eine Zeit lang als solcher bei dieser Truppe, so läßt er sich, wenn er Em¬<lb/>
pfehlungen und Geldmittel hat, gegen Bezahlung des Kaufgeldes in die<lb/>
Garde zurückversetzen/ und hat so mit einem Male den Rang eines Oberst¬<lb/>
lieutenants, ohne je Lieutenant oder Major gewesen zu sein &#x2014; fürwahr eine<lb/>
der Familie und dem Reichthum gemachte Concession, die auf dem Con-<lb/>
tinent in jetziger Zeit unerhört und in Deutschland gradezu undenkbar wäre!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_625" next="#ID_626"> Bei solchen Verhältnissen kann man sich nicht wundern, wenn z. B. der<lb/>
später berühmt gewordene Herzog von Wellington nach sechsjähriger Dienstzeit<lb/>
Oberst war, ohne einem einzigen Feldzug beigewohnt zu haben. War er wie<lb/>
die meisten alten Generale ein eifriger Vertheidiger dieses Systems, so be¬<lb/>
ginnt man jetzt die vielen Nachtheile desselben einzusehen; namentlich geht das<lb/>
Streben des Herzogs von Cambridge dahin, eine größere Militärwissenschaft-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0220] andern Waffengattung. In diesem Falle zahlt er die Differenz des Preises an den Regimentsagenten, selten aber wird er in den Besitz einer höhern Stelle gelangen können, ohne sich mit dem, der sie bekleidet, verglichen d. h. ihm eine Summe gezahlt zu haben, die den vom Reglement bestimmten Preis bei weitem übersteigt. Es ist dies zwar illegal und streng verboten, doch sehr schwer zu controliren und kommt leider nur zu häufig vor. Bei diesem Avancement wird der Offizier einem etwas schwierigern Examen unterworfen, das sich namentlich über alle Dienstverhältnisse erstreckt. Was wir hier von den Prüfungen sagten, bezieht sich natürlich blos auf Militärwissenschaften; denn im Uebrigen wird man selten eine Armee finden, deren Offiziere so viele Sprachkenntnisse und so viel weltmännische Bildung haben als eben in England, und mehrentheils haben sie beides in fremden Ländern selbst gesammelt und nicht aus Büchern gelernt. Der Arme, oder der, welcher während seiner Dienstzeit sein Privat¬ vermögen verlor, ist bei diesem System freilich übel daran, er kann sich keine höhere Stelle kaufen, bleibt in der seinigen und kommt nicht vorwärts, wäre er auch der tüchtigste Militär; er muß sehen, wie ihn nach und nach alle vom Glück mehr begünstigten jüngeren Offiziere überspringen, und nur der Gnade der Königin hat er es zu danken, wenn er ^vitüout. Mi-eng-Sö — ohne Kauf — avancirt, wenn er mithin auf außerordentlichem Wege das erreicht, was der französische Offizier so wie der deutsche für ein wohlverdientes Recht hält. Dazu kommt aber noch ein Umstand, der das System für uns ganz be- sonders verletzend erscheinen läßt, der Umstand nämlich, daß die Offiziere der Haushaltstruppen, also der drei Gardekürassier- und Grenadicrregimenter, die ihre Patente allerdings viel theurer bezahlen, auch einen um zwei Grade höhern Rang haben, als die der Linie, daß also ein Ensign in erstern so viel ist als ein Capitän in der letztern, und daß er diesen Rang und die Stellung auch wirklich erhält, so wie er zur Linie übertritt. Stand er nur eine Zeit lang als solcher bei dieser Truppe, so läßt er sich, wenn er Em¬ pfehlungen und Geldmittel hat, gegen Bezahlung des Kaufgeldes in die Garde zurückversetzen/ und hat so mit einem Male den Rang eines Oberst¬ lieutenants, ohne je Lieutenant oder Major gewesen zu sein — fürwahr eine der Familie und dem Reichthum gemachte Concession, die auf dem Con- tinent in jetziger Zeit unerhört und in Deutschland gradezu undenkbar wäre! Bei solchen Verhältnissen kann man sich nicht wundern, wenn z. B. der später berühmt gewordene Herzog von Wellington nach sechsjähriger Dienstzeit Oberst war, ohne einem einzigen Feldzug beigewohnt zu haben. War er wie die meisten alten Generale ein eifriger Vertheidiger dieses Systems, so be¬ ginnt man jetzt die vielen Nachtheile desselben einzusehen; namentlich geht das Streben des Herzogs von Cambridge dahin, eine größere Militärwissenschaft-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/220
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/220>, abgerufen am 22.07.2024.