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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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dieser das schuldig über sich aus. so müssen dennoch mehre Zeugen vernom¬
men werden, um den Thatbestand festzustellen; erklärt er sich für nicht schul¬
dig, so werden nach und nach alle Belastungszeugen abgehört, nachdem sie
vorher den Zeugeneid geschworen haben. Der Angeklagte hat das Recht, an
jeden derselben Fragen zu stellen. Nachdem man alle Belastungszeugen ab¬
gehört, wird der Arrestat zu seiner Vertheidigung zugelassen, die er entweder
selbst, oder durch einen Advocaien führen läßt, hierbei bringt er seine Ent¬
lastungszeugen vor, die vereidet und vernommen werden müssen. Ist dies ge¬
schehen, so wird das Local geräumt, und nur die Richter bleiben darin zurück.
Der Präsident gibt nun nochmals ein kurzes Resum6, und es erfolgt die
Abstimmung in so weit, als der Angeklagte sür schuldig oder nicht schul¬
dig erkannt wird. Eine Freisprechung in Mangels von Beweisen, also eine
bedingte, findet nie statt. Ist der Gefangene sür schuldig erkannt, so wird
der Saal wieder geöffnet, dieser wieder vorgeführt und mit ihm erscheint der
Adjutant, der gleichfalls den Zeugeneid schwören muß und nun nach dem
Alter, der Dienstzeit, dem Charakter, und den früheren Vergehen des Mannes
befragt wird, so wie ob er demselben gestern mitgetheilt, daß er heute vor
Kriegsgericht gestellt werden solle.

Ist er sür nicht schuldig erkannt, so wird das Protokoll, das einer der
Offiziere führt, ohne die letzte Procedur geschlossen; --ist er schuldig, so wird
der Arrestat vom Adjutanten dem Profos wieder übergeben und abgeführt,
der Gerichtssaal abermals geräumt, und die Strafe durch Abstimmung fest¬
gestellt; der jüngste der Anciennitüt nach spricht sein Urtheil zuerst, der Prä¬
sident zuletzt aus, sind die Meinungen verschieden, so wird das Mittel daraus
gezogen. Nunmehr wird das Protokoll geschlossen, vom Präsidenten unter¬
zeichnet, versiegelt, und von ihm persönlich dem Regimentscomm anbauten
übergeben. Scheint diesem das Urtheil nicht richtig, so kann er befehlen,
daß es die Richter noch einmal in Erwägung ziehen und sich deshalb ver¬
sammeln, bleiben diese bei ihrem Entschlüsse, so muß es unweigerlich voll¬
streckt werden, eine Appellation findet in keiner Weise statt. -- Die Richter
dürfen nur streng nach dein Wortlaute der Anklage untersuchen, außer der
Frage schuldig oder nicht schuldig wird während der ganzen Unter¬
suchung keine andere an den Angeklagten gerichtet. Alles muß durch Zeugen
bewiesen werden, von Kreuzfragen, um denselben zu verwirren, ist nicht die
Rede, und wenn er bei seiner Vertheidigung Dinge sagen sollte, die gegen
sein Interesse laufen, so hat ihn der Präsident darauf aufmerksam zumachen,
darf sie aber nicht zur Feststellung des Thatbestandes benutzen.

Auf der Parade am nächsten Tage wird Anklage, Protokoll und Urtheil
vor versammeltem Regiments in Gegenwart sämmtlicher Arrestaten, die mit
entblößtem Haupte dastehen, verlesen, und wenn es körperliche Züchtigung


dieser das schuldig über sich aus. so müssen dennoch mehre Zeugen vernom¬
men werden, um den Thatbestand festzustellen; erklärt er sich für nicht schul¬
dig, so werden nach und nach alle Belastungszeugen abgehört, nachdem sie
vorher den Zeugeneid geschworen haben. Der Angeklagte hat das Recht, an
jeden derselben Fragen zu stellen. Nachdem man alle Belastungszeugen ab¬
gehört, wird der Arrestat zu seiner Vertheidigung zugelassen, die er entweder
selbst, oder durch einen Advocaien führen läßt, hierbei bringt er seine Ent¬
lastungszeugen vor, die vereidet und vernommen werden müssen. Ist dies ge¬
schehen, so wird das Local geräumt, und nur die Richter bleiben darin zurück.
Der Präsident gibt nun nochmals ein kurzes Resum6, und es erfolgt die
Abstimmung in so weit, als der Angeklagte sür schuldig oder nicht schul¬
dig erkannt wird. Eine Freisprechung in Mangels von Beweisen, also eine
bedingte, findet nie statt. Ist der Gefangene sür schuldig erkannt, so wird
der Saal wieder geöffnet, dieser wieder vorgeführt und mit ihm erscheint der
Adjutant, der gleichfalls den Zeugeneid schwören muß und nun nach dem
Alter, der Dienstzeit, dem Charakter, und den früheren Vergehen des Mannes
befragt wird, so wie ob er demselben gestern mitgetheilt, daß er heute vor
Kriegsgericht gestellt werden solle.

Ist er sür nicht schuldig erkannt, so wird das Protokoll, das einer der
Offiziere führt, ohne die letzte Procedur geschlossen; —ist er schuldig, so wird
der Arrestat vom Adjutanten dem Profos wieder übergeben und abgeführt,
der Gerichtssaal abermals geräumt, und die Strafe durch Abstimmung fest¬
gestellt; der jüngste der Anciennitüt nach spricht sein Urtheil zuerst, der Prä¬
sident zuletzt aus, sind die Meinungen verschieden, so wird das Mittel daraus
gezogen. Nunmehr wird das Protokoll geschlossen, vom Präsidenten unter¬
zeichnet, versiegelt, und von ihm persönlich dem Regimentscomm anbauten
übergeben. Scheint diesem das Urtheil nicht richtig, so kann er befehlen,
daß es die Richter noch einmal in Erwägung ziehen und sich deshalb ver¬
sammeln, bleiben diese bei ihrem Entschlüsse, so muß es unweigerlich voll¬
streckt werden, eine Appellation findet in keiner Weise statt. — Die Richter
dürfen nur streng nach dein Wortlaute der Anklage untersuchen, außer der
Frage schuldig oder nicht schuldig wird während der ganzen Unter¬
suchung keine andere an den Angeklagten gerichtet. Alles muß durch Zeugen
bewiesen werden, von Kreuzfragen, um denselben zu verwirren, ist nicht die
Rede, und wenn er bei seiner Vertheidigung Dinge sagen sollte, die gegen
sein Interesse laufen, so hat ihn der Präsident darauf aufmerksam zumachen,
darf sie aber nicht zur Feststellung des Thatbestandes benutzen.

Auf der Parade am nächsten Tage wird Anklage, Protokoll und Urtheil
vor versammeltem Regiments in Gegenwart sämmtlicher Arrestaten, die mit
entblößtem Haupte dastehen, verlesen, und wenn es körperliche Züchtigung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/202>, abgerufen am 22.07.2024.