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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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sie wird von dem das Regiment commandirenden Offizier und vom Kriegs¬
gericht (court, min-lieu) ausgeübt. Hat ein Soldat oder Corpora! etwas gegen
die Disciplin verbrochen, so wird er auf die Wache geschickt und arretirt.
ein Sergeant hingegen erhält nur Kasernen- oder Zeltbeschrünkung. -- Mittags
12 Uhr, oder zu einer andern vom Regimentscommandeur bestimmten Stunde
werden ihm die Arrestaten vorgeführt; hierbei muß der Compagniechef und
der Feldwebel zugegen sein. Der Capitän gibt den Thatbestand kurz an,
der Arrestat wird vernommen und dann entweder freigesprochen oder bestraft,
jedoch niemals mit mehr als sieben Tagen strengem Arrest. Verdient sein
Vergehen eine härtere Ahndung, so wird er vor das Kriegsgericht gestellt,
das nach der Höhe des Vergehens ein Regiments-, Districts-, oder in höchster
Instanz ein Generalkriegsgericht ist. Ein Regimentskriegsgericht wird vom
Regimentscommandeur befohlen; es besteht aus einem Capitän als Vorsitzenden
und zwei Lieutenants und zwei Ensigns als Richtern, beginnt seine Sitzungen
früh 10 Uhr, und schließt seine Thätigkeit, gleich viel ob die vorliegenden
Fülle erledigt sind oder nicht, Nachmittags 4 Uhr. Ein solches Kriegsgericht
kann erkennen: auf Degradation der Unteroffiziere. 42 Tage strengen Arrest
mit harter Arbeit, und bei Nothzucht, Vergreifen an Vorgesetzten, gewohn¬
heitsmäßiger Trunkenheit und Kameradendiebstahl aus körperliche Züchtigung
bis zu 52 Hieben mit der neunschwänzigen Katze. Jedem Arrestaten, der
vor Kriegsgericht gestellt wird, hat dies der Adjutant 24 Stunden vorher an¬
zuzeigen, damit derselbe, wenn er sonst will, sich einen Vertheidiger wähle,
und mit diesem Rücksprache zu nehmen Zeit habe, auch seine Entlastungs¬
zeugen herbeischaffen kann; gleichzeitig theilt er ihm mit, das seine früheren
Vergehen, -- wenn solche vorliegen, nach der Untersuchung den Richtern
mitgetheilt werden würden, weil nach den Gesetzen Rückfälligkeit das Straf¬
maß erhöht. -- In das Zimmer oder Zelt, wo das Kriegsgericht seine Si¬
tzung hält, ist der Zutritt jedermann gestattet, das Gerichtsverfahren ist dem¬
nach ein öffentliches.

Wenn der Arrestat durch den Profoß vorgeführt und alle Zeugen in dein
Locale versammelt sind, liest der Präsident den Befehl zur Constituirung des
Kriegsgerichtes laut vor. sodann die Namen der Richter, und befragt den
Angeklagten, ob er gegen einen derselben etwas einzuwenden habe. Wird
diese Frage verneint, so vereidigt nunmehr der Präsident die vier Offiziere,
und schwört dann selbst den Richtereid; hierbei hat sich alles zu erheben, und
die Richter küssen nach dem Schwüre die Bibel. Das Gericht ist demnach
constituirt. und nun beginnt ein Verfahren, ähnlich dem der Geschwornen¬
gerichte bei Civilpersonen. Der Präsident liest dem Arrestaten die kurze und
sehr bündig gefaßte Anklage vor, und fragt ihn, ob er des angeschuldigten
Vergehens schuldig (gülte/) oder nicht schuldig (not, ssuMy" sei. Spricht


Grenzboten 111. 1858. 25

sie wird von dem das Regiment commandirenden Offizier und vom Kriegs¬
gericht (court, min-lieu) ausgeübt. Hat ein Soldat oder Corpora! etwas gegen
die Disciplin verbrochen, so wird er auf die Wache geschickt und arretirt.
ein Sergeant hingegen erhält nur Kasernen- oder Zeltbeschrünkung. — Mittags
12 Uhr, oder zu einer andern vom Regimentscommandeur bestimmten Stunde
werden ihm die Arrestaten vorgeführt; hierbei muß der Compagniechef und
der Feldwebel zugegen sein. Der Capitän gibt den Thatbestand kurz an,
der Arrestat wird vernommen und dann entweder freigesprochen oder bestraft,
jedoch niemals mit mehr als sieben Tagen strengem Arrest. Verdient sein
Vergehen eine härtere Ahndung, so wird er vor das Kriegsgericht gestellt,
das nach der Höhe des Vergehens ein Regiments-, Districts-, oder in höchster
Instanz ein Generalkriegsgericht ist. Ein Regimentskriegsgericht wird vom
Regimentscommandeur befohlen; es besteht aus einem Capitän als Vorsitzenden
und zwei Lieutenants und zwei Ensigns als Richtern, beginnt seine Sitzungen
früh 10 Uhr, und schließt seine Thätigkeit, gleich viel ob die vorliegenden
Fülle erledigt sind oder nicht, Nachmittags 4 Uhr. Ein solches Kriegsgericht
kann erkennen: auf Degradation der Unteroffiziere. 42 Tage strengen Arrest
mit harter Arbeit, und bei Nothzucht, Vergreifen an Vorgesetzten, gewohn¬
heitsmäßiger Trunkenheit und Kameradendiebstahl aus körperliche Züchtigung
bis zu 52 Hieben mit der neunschwänzigen Katze. Jedem Arrestaten, der
vor Kriegsgericht gestellt wird, hat dies der Adjutant 24 Stunden vorher an¬
zuzeigen, damit derselbe, wenn er sonst will, sich einen Vertheidiger wähle,
und mit diesem Rücksprache zu nehmen Zeit habe, auch seine Entlastungs¬
zeugen herbeischaffen kann; gleichzeitig theilt er ihm mit, das seine früheren
Vergehen, — wenn solche vorliegen, nach der Untersuchung den Richtern
mitgetheilt werden würden, weil nach den Gesetzen Rückfälligkeit das Straf¬
maß erhöht. — In das Zimmer oder Zelt, wo das Kriegsgericht seine Si¬
tzung hält, ist der Zutritt jedermann gestattet, das Gerichtsverfahren ist dem¬
nach ein öffentliches.

Wenn der Arrestat durch den Profoß vorgeführt und alle Zeugen in dein
Locale versammelt sind, liest der Präsident den Befehl zur Constituirung des
Kriegsgerichtes laut vor. sodann die Namen der Richter, und befragt den
Angeklagten, ob er gegen einen derselben etwas einzuwenden habe. Wird
diese Frage verneint, so vereidigt nunmehr der Präsident die vier Offiziere,
und schwört dann selbst den Richtereid; hierbei hat sich alles zu erheben, und
die Richter küssen nach dem Schwüre die Bibel. Das Gericht ist demnach
constituirt. und nun beginnt ein Verfahren, ähnlich dem der Geschwornen¬
gerichte bei Civilpersonen. Der Präsident liest dem Arrestaten die kurze und
sehr bündig gefaßte Anklage vor, und fragt ihn, ob er des angeschuldigten
Vergehens schuldig (gülte/) oder nicht schuldig (not, ssuMy» sei. Spricht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/201>, abgerufen am 22.07.2024.