Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wieder hat man die Wagen bestiegen. Die starken Pferde greifen aus;
die Musikanten blasen, was nur die Lungen hergeben wollen; zum Wirths¬
hause gehts, wo bereits die Suppe dampft.

Zuerst aber wird zum Tanze angetreten. Ihr meint, der alte Hirsch¬
bauer werde den Zuschauer abgeben? Da müßte es kein Steirer sein. Berg¬
steigen, Sterzessen. Schilcher-Trinken und Steirisch-Tanzen, das vierblcittrige
Kleeblatt verdorrt keinem Steirer, so lange Leib und Seele noch zusammen
Kalten. Es ist wahr, der Hirschbauer hebt die Beine beim Tanzen gewaltig
hoch und es sieht sein Sprung sich an, als wolle er den Hochschwab erklet¬
tern; aber aushalten thut er doch, und wenn man ihn mit der kopfhängeri¬
schen Braut vergleicht, die übrigens ein Anderer herumschwenkt, so weiß man
nicht, wem man lieber zuschaut.

Nun setzt man sich in den engen Zimmern an die gedeckten Tafeln. Zwei
riesenhafte Wirthstöchter warten auf. Es wird das übliche Tischgebet von
jedem gesprochen, dann sagt der Blasel am Eck noch ein paar herkömmliche
Worte und hinein gehts mit den Zinnlöffeln in die Suppe. Ihr folgt ge¬
kochtes Fleisch mit Salat.

Dann wischt man sich den Mund, und wer Lust hat tritt wieder zum
Tanze an.

Dem Tanze folgt eine zweite Suppe, dieser wiederum eine Fleischspeise,
gebraten, und ein Zugcricht.

Dazwischen von neuem Musik und Tanz.

So geht es von Mittag an bis etwa sieben Uhr Abends fort.

Wein steht in unverkorkten Flaschen auf dem Tisch und so lange die Tasel
dauert wird nichts extra bezahlt.

Natürlich genügt auch der dehnbarste Bauernmagen nicht zum Auf¬
nehmer" aller dargereichten Speisen. Bezahlt aber müssen sie werden. So
hilft sich denn jeder, indem er den Ueberfluß auf einem sogenannten "Bescheid-
tcller" sammelt. Während des Essens häuft er auf diesen die leckern Bissen,
welche während der folgenden sieben magern Tage den Nachgeschmack der sieben
fetten Taselstunden fortdauern lassen sollen. Am Schluß der Sitzung knotet
er ein Tuch um den hoch gestapelten Vorrathsteller und sendet die gemachte
Beute durch ein Kind heim. Vor völligem Schluß des Mahls tritt auch
wol bei einem oder dem andern Gericht ein guter Freund mit scharfem Zu¬
schauerappetit an die Stelle des Geladenen, oder die Frau oder das Kind
des letztern nimmt auf ein paar Minuten den wünschenswerthen Posten ein,
und räumt mit Löffel und Finger unter den erreichbaren Tafelkostbarkeiten
auf. Uebrigens ißt der Steirer auch zu Hause viele und fette Speisen,
wie denn fast alle auf den Almen bereitete Butter als Schmalz in
steirischen Küchen verbraucht wird, so daß keine Ausfuhr stattfindet. So-


Wieder hat man die Wagen bestiegen. Die starken Pferde greifen aus;
die Musikanten blasen, was nur die Lungen hergeben wollen; zum Wirths¬
hause gehts, wo bereits die Suppe dampft.

Zuerst aber wird zum Tanze angetreten. Ihr meint, der alte Hirsch¬
bauer werde den Zuschauer abgeben? Da müßte es kein Steirer sein. Berg¬
steigen, Sterzessen. Schilcher-Trinken und Steirisch-Tanzen, das vierblcittrige
Kleeblatt verdorrt keinem Steirer, so lange Leib und Seele noch zusammen
Kalten. Es ist wahr, der Hirschbauer hebt die Beine beim Tanzen gewaltig
hoch und es sieht sein Sprung sich an, als wolle er den Hochschwab erklet¬
tern; aber aushalten thut er doch, und wenn man ihn mit der kopfhängeri¬
schen Braut vergleicht, die übrigens ein Anderer herumschwenkt, so weiß man
nicht, wem man lieber zuschaut.

Nun setzt man sich in den engen Zimmern an die gedeckten Tafeln. Zwei
riesenhafte Wirthstöchter warten auf. Es wird das übliche Tischgebet von
jedem gesprochen, dann sagt der Blasel am Eck noch ein paar herkömmliche
Worte und hinein gehts mit den Zinnlöffeln in die Suppe. Ihr folgt ge¬
kochtes Fleisch mit Salat.

Dann wischt man sich den Mund, und wer Lust hat tritt wieder zum
Tanze an.

Dem Tanze folgt eine zweite Suppe, dieser wiederum eine Fleischspeise,
gebraten, und ein Zugcricht.

Dazwischen von neuem Musik und Tanz.

So geht es von Mittag an bis etwa sieben Uhr Abends fort.

Wein steht in unverkorkten Flaschen auf dem Tisch und so lange die Tasel
dauert wird nichts extra bezahlt.

Natürlich genügt auch der dehnbarste Bauernmagen nicht zum Auf¬
nehmer» aller dargereichten Speisen. Bezahlt aber müssen sie werden. So
hilft sich denn jeder, indem er den Ueberfluß auf einem sogenannten „Bescheid-
tcller" sammelt. Während des Essens häuft er auf diesen die leckern Bissen,
welche während der folgenden sieben magern Tage den Nachgeschmack der sieben
fetten Taselstunden fortdauern lassen sollen. Am Schluß der Sitzung knotet
er ein Tuch um den hoch gestapelten Vorrathsteller und sendet die gemachte
Beute durch ein Kind heim. Vor völligem Schluß des Mahls tritt auch
wol bei einem oder dem andern Gericht ein guter Freund mit scharfem Zu¬
schauerappetit an die Stelle des Geladenen, oder die Frau oder das Kind
des letztern nimmt auf ein paar Minuten den wünschenswerthen Posten ein,
und räumt mit Löffel und Finger unter den erreichbaren Tafelkostbarkeiten
auf. Uebrigens ißt der Steirer auch zu Hause viele und fette Speisen,
wie denn fast alle auf den Almen bereitete Butter als Schmalz in
steirischen Küchen verbraucht wird, so daß keine Ausfuhr stattfindet. So-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106001"/>
          <p xml:id="ID_530"> Wieder hat man die Wagen bestiegen. Die starken Pferde greifen aus;<lb/>
die Musikanten blasen, was nur die Lungen hergeben wollen; zum Wirths¬<lb/>
hause gehts, wo bereits die Suppe dampft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_531"> Zuerst aber wird zum Tanze angetreten. Ihr meint, der alte Hirsch¬<lb/>
bauer werde den Zuschauer abgeben? Da müßte es kein Steirer sein. Berg¬<lb/>
steigen, Sterzessen. Schilcher-Trinken und Steirisch-Tanzen, das vierblcittrige<lb/>
Kleeblatt verdorrt keinem Steirer, so lange Leib und Seele noch zusammen<lb/>
Kalten. Es ist wahr, der Hirschbauer hebt die Beine beim Tanzen gewaltig<lb/>
hoch und es sieht sein Sprung sich an, als wolle er den Hochschwab erklet¬<lb/>
tern; aber aushalten thut er doch, und wenn man ihn mit der kopfhängeri¬<lb/>
schen Braut vergleicht, die übrigens ein Anderer herumschwenkt, so weiß man<lb/>
nicht, wem man lieber zuschaut.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_532"> Nun setzt man sich in den engen Zimmern an die gedeckten Tafeln. Zwei<lb/>
riesenhafte Wirthstöchter warten auf. Es wird das übliche Tischgebet von<lb/>
jedem gesprochen, dann sagt der Blasel am Eck noch ein paar herkömmliche<lb/>
Worte und hinein gehts mit den Zinnlöffeln in die Suppe. Ihr folgt ge¬<lb/>
kochtes Fleisch mit Salat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_533"> Dann wischt man sich den Mund, und wer Lust hat tritt wieder zum<lb/>
Tanze an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_534"> Dem Tanze folgt eine zweite Suppe, dieser wiederum eine Fleischspeise,<lb/>
gebraten, und ein Zugcricht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_535"> Dazwischen von neuem Musik und Tanz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_536"> So geht es von Mittag an bis etwa sieben Uhr Abends fort.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_537"> Wein steht in unverkorkten Flaschen auf dem Tisch und so lange die Tasel<lb/>
dauert wird nichts extra bezahlt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_538" next="#ID_539"> Natürlich genügt auch der dehnbarste Bauernmagen nicht zum Auf¬<lb/>
nehmer» aller dargereichten Speisen. Bezahlt aber müssen sie werden. So<lb/>
hilft sich denn jeder, indem er den Ueberfluß auf einem sogenannten &#x201E;Bescheid-<lb/>
tcller" sammelt. Während des Essens häuft er auf diesen die leckern Bissen,<lb/>
welche während der folgenden sieben magern Tage den Nachgeschmack der sieben<lb/>
fetten Taselstunden fortdauern lassen sollen. Am Schluß der Sitzung knotet<lb/>
er ein Tuch um den hoch gestapelten Vorrathsteller und sendet die gemachte<lb/>
Beute durch ein Kind heim. Vor völligem Schluß des Mahls tritt auch<lb/>
wol bei einem oder dem andern Gericht ein guter Freund mit scharfem Zu¬<lb/>
schauerappetit an die Stelle des Geladenen, oder die Frau oder das Kind<lb/>
des letztern nimmt auf ein paar Minuten den wünschenswerthen Posten ein,<lb/>
und räumt mit Löffel und Finger unter den erreichbaren Tafelkostbarkeiten<lb/>
auf. Uebrigens ißt der Steirer auch zu Hause viele und fette Speisen,<lb/>
wie denn fast alle auf den Almen bereitete Butter als Schmalz in<lb/>
steirischen Küchen verbraucht wird, so daß keine Ausfuhr stattfindet. So-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0190] Wieder hat man die Wagen bestiegen. Die starken Pferde greifen aus; die Musikanten blasen, was nur die Lungen hergeben wollen; zum Wirths¬ hause gehts, wo bereits die Suppe dampft. Zuerst aber wird zum Tanze angetreten. Ihr meint, der alte Hirsch¬ bauer werde den Zuschauer abgeben? Da müßte es kein Steirer sein. Berg¬ steigen, Sterzessen. Schilcher-Trinken und Steirisch-Tanzen, das vierblcittrige Kleeblatt verdorrt keinem Steirer, so lange Leib und Seele noch zusammen Kalten. Es ist wahr, der Hirschbauer hebt die Beine beim Tanzen gewaltig hoch und es sieht sein Sprung sich an, als wolle er den Hochschwab erklet¬ tern; aber aushalten thut er doch, und wenn man ihn mit der kopfhängeri¬ schen Braut vergleicht, die übrigens ein Anderer herumschwenkt, so weiß man nicht, wem man lieber zuschaut. Nun setzt man sich in den engen Zimmern an die gedeckten Tafeln. Zwei riesenhafte Wirthstöchter warten auf. Es wird das übliche Tischgebet von jedem gesprochen, dann sagt der Blasel am Eck noch ein paar herkömmliche Worte und hinein gehts mit den Zinnlöffeln in die Suppe. Ihr folgt ge¬ kochtes Fleisch mit Salat. Dann wischt man sich den Mund, und wer Lust hat tritt wieder zum Tanze an. Dem Tanze folgt eine zweite Suppe, dieser wiederum eine Fleischspeise, gebraten, und ein Zugcricht. Dazwischen von neuem Musik und Tanz. So geht es von Mittag an bis etwa sieben Uhr Abends fort. Wein steht in unverkorkten Flaschen auf dem Tisch und so lange die Tasel dauert wird nichts extra bezahlt. Natürlich genügt auch der dehnbarste Bauernmagen nicht zum Auf¬ nehmer» aller dargereichten Speisen. Bezahlt aber müssen sie werden. So hilft sich denn jeder, indem er den Ueberfluß auf einem sogenannten „Bescheid- tcller" sammelt. Während des Essens häuft er auf diesen die leckern Bissen, welche während der folgenden sieben magern Tage den Nachgeschmack der sieben fetten Taselstunden fortdauern lassen sollen. Am Schluß der Sitzung knotet er ein Tuch um den hoch gestapelten Vorrathsteller und sendet die gemachte Beute durch ein Kind heim. Vor völligem Schluß des Mahls tritt auch wol bei einem oder dem andern Gericht ein guter Freund mit scharfem Zu¬ schauerappetit an die Stelle des Geladenen, oder die Frau oder das Kind des letztern nimmt auf ein paar Minuten den wünschenswerthen Posten ein, und räumt mit Löffel und Finger unter den erreichbaren Tafelkostbarkeiten auf. Uebrigens ißt der Steirer auch zu Hause viele und fette Speisen, wie denn fast alle auf den Almen bereitete Butter als Schmalz in steirischen Küchen verbraucht wird, so daß keine Ausfuhr stattfindet. So-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/190
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/190>, abgerufen am 22.07.2024.