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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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sagen, einen rührigen Stock im Hauswesen; sie mag daran denken, denn ihr
Gesicht ist kein sonderlich hochzeitliches.

Zwei Kranzjungfern entladet das letzte Wägelchen. Sie tragen vollkom¬
men den nämlichen Anzug wie die Braut. Nur die Kränze sind verschieden.
Die Braut hat einen nachgemachten Myrthenkranz im Haar; um diesen einen
Halbkranz von Rosmarin. Bei den Kranzjungfern ist der Vollkranz aus ge¬
machten weißen Rosen zusammengewunden. Alle tragen Schürzen, keine hat
Schmuck oder Ringe an den Ohren, eine der auffallendsten Abweichungen von
allem, was jenseits der Alpen weibliche Festausstattung kennzeichnet.

Den drei Einspännern haben sich noch etliche Zweispänner zugesellt. Im
ersten derselben sitzt eine Musikbande, sechs Mann stark, sämmtlich Bläser. Sie
haben den Brautzug von dem Wirthshause, woselbst die Geladenen und
das Paar schon eine Suppe und ein sogenanntes saures Fleisch einnahmen,
nach der Kirche begleitet und ziehen jetzt an der Spitze des Zugs blasend in
die Kirche und auf den Chor. Noch ehe sie die Kirche betraten, zog die Braut
nach bäuerlichen Brauche einen Gulden aus der Tasche und zahlte der Bande
damit die gehabte Mühe. Dem Brautpaar nämlich kommt es nicht zu, mehr
als einen kleinen Theil der Tageskosten zu bestreiten und diese Schuldigkeit
wird solcher Art bei passendem Anlaß abgetragen. Was während des Restes
des Festes für Ausspielen zum Tanz gezahlt werden muß, zahlen die Gäste,
indem bald dieser, bald jener einen Tanz bestellt und mit einem Gulden be¬
zahlt. Auch das Mittagsessen zieht der Wirth von den Gästen ein und hält
in vielen Füllen das Brautpaar selbst frei. Dafür ist von Geschenken an das
letztere am Vorabend der Hochzeit keine Rede, wie denn der Brauch des
Polterabends überhaupt nicht bekannt ist.

Während der Brautzug sich auf den Bänken des Kirchenschiffs ausbreitet,
rechts die Männer, links die Weiber, und der Basel am Eck geschäftig hin
und her stapft, hört man Böllerschüsse im nahen Markt. Zugleich setzt sich
-- man gewahrt es von der Höhe des Hügels -- der andere Brautzug in
Bewegung. Er hat gut eine Viertelstunde Weges zu machen und kommt
jedenfalls um ebenso viel zu spät zur Messe, denn der Pfarrer hat erklärt,
keine Minute warten zu wollen. Aber heute M Musik auf dem Chöre und
die Ceremonie wird immer noch eine hübsche Zeit länger dauern, als der
Zug ausbleiben kann. Während nun drinnen die Messe beginnt, das Glöck-
lein läutet und die Orgel brummt, klingt näher und näher die Hornmusik des
verspäteten Zuges und nach und nach erkennt man zwischen dem Kukuruz- und
dem Spelzselde des Herrn Pfarrers eine Reihe städtisch gekleideter Männer
und Weiber, unter welche sich einzelne Steirer Trachten, wie Fahnen aus
dem Türkenkriege, veraltet und überholt, gemischt haben. Die Braut hat
etwas Buckel, dagegen fehlt ihr der jungfräuliche Schmuck des Kranzes, was


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sagen, einen rührigen Stock im Hauswesen; sie mag daran denken, denn ihr
Gesicht ist kein sonderlich hochzeitliches.

Zwei Kranzjungfern entladet das letzte Wägelchen. Sie tragen vollkom¬
men den nämlichen Anzug wie die Braut. Nur die Kränze sind verschieden.
Die Braut hat einen nachgemachten Myrthenkranz im Haar; um diesen einen
Halbkranz von Rosmarin. Bei den Kranzjungfern ist der Vollkranz aus ge¬
machten weißen Rosen zusammengewunden. Alle tragen Schürzen, keine hat
Schmuck oder Ringe an den Ohren, eine der auffallendsten Abweichungen von
allem, was jenseits der Alpen weibliche Festausstattung kennzeichnet.

Den drei Einspännern haben sich noch etliche Zweispänner zugesellt. Im
ersten derselben sitzt eine Musikbande, sechs Mann stark, sämmtlich Bläser. Sie
haben den Brautzug von dem Wirthshause, woselbst die Geladenen und
das Paar schon eine Suppe und ein sogenanntes saures Fleisch einnahmen,
nach der Kirche begleitet und ziehen jetzt an der Spitze des Zugs blasend in
die Kirche und auf den Chor. Noch ehe sie die Kirche betraten, zog die Braut
nach bäuerlichen Brauche einen Gulden aus der Tasche und zahlte der Bande
damit die gehabte Mühe. Dem Brautpaar nämlich kommt es nicht zu, mehr
als einen kleinen Theil der Tageskosten zu bestreiten und diese Schuldigkeit
wird solcher Art bei passendem Anlaß abgetragen. Was während des Restes
des Festes für Ausspielen zum Tanz gezahlt werden muß, zahlen die Gäste,
indem bald dieser, bald jener einen Tanz bestellt und mit einem Gulden be¬
zahlt. Auch das Mittagsessen zieht der Wirth von den Gästen ein und hält
in vielen Füllen das Brautpaar selbst frei. Dafür ist von Geschenken an das
letztere am Vorabend der Hochzeit keine Rede, wie denn der Brauch des
Polterabends überhaupt nicht bekannt ist.

Während der Brautzug sich auf den Bänken des Kirchenschiffs ausbreitet,
rechts die Männer, links die Weiber, und der Basel am Eck geschäftig hin
und her stapft, hört man Böllerschüsse im nahen Markt. Zugleich setzt sich
— man gewahrt es von der Höhe des Hügels — der andere Brautzug in
Bewegung. Er hat gut eine Viertelstunde Weges zu machen und kommt
jedenfalls um ebenso viel zu spät zur Messe, denn der Pfarrer hat erklärt,
keine Minute warten zu wollen. Aber heute M Musik auf dem Chöre und
die Ceremonie wird immer noch eine hübsche Zeit länger dauern, als der
Zug ausbleiben kann. Während nun drinnen die Messe beginnt, das Glöck-
lein läutet und die Orgel brummt, klingt näher und näher die Hornmusik des
verspäteten Zuges und nach und nach erkennt man zwischen dem Kukuruz- und
dem Spelzselde des Herrn Pfarrers eine Reihe städtisch gekleideter Männer
und Weiber, unter welche sich einzelne Steirer Trachten, wie Fahnen aus
dem Türkenkriege, veraltet und überholt, gemischt haben. Die Braut hat
etwas Buckel, dagegen fehlt ihr der jungfräuliche Schmuck des Kranzes, was


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[0187] sagen, einen rührigen Stock im Hauswesen; sie mag daran denken, denn ihr Gesicht ist kein sonderlich hochzeitliches. Zwei Kranzjungfern entladet das letzte Wägelchen. Sie tragen vollkom¬ men den nämlichen Anzug wie die Braut. Nur die Kränze sind verschieden. Die Braut hat einen nachgemachten Myrthenkranz im Haar; um diesen einen Halbkranz von Rosmarin. Bei den Kranzjungfern ist der Vollkranz aus ge¬ machten weißen Rosen zusammengewunden. Alle tragen Schürzen, keine hat Schmuck oder Ringe an den Ohren, eine der auffallendsten Abweichungen von allem, was jenseits der Alpen weibliche Festausstattung kennzeichnet. Den drei Einspännern haben sich noch etliche Zweispänner zugesellt. Im ersten derselben sitzt eine Musikbande, sechs Mann stark, sämmtlich Bläser. Sie haben den Brautzug von dem Wirthshause, woselbst die Geladenen und das Paar schon eine Suppe und ein sogenanntes saures Fleisch einnahmen, nach der Kirche begleitet und ziehen jetzt an der Spitze des Zugs blasend in die Kirche und auf den Chor. Noch ehe sie die Kirche betraten, zog die Braut nach bäuerlichen Brauche einen Gulden aus der Tasche und zahlte der Bande damit die gehabte Mühe. Dem Brautpaar nämlich kommt es nicht zu, mehr als einen kleinen Theil der Tageskosten zu bestreiten und diese Schuldigkeit wird solcher Art bei passendem Anlaß abgetragen. Was während des Restes des Festes für Ausspielen zum Tanz gezahlt werden muß, zahlen die Gäste, indem bald dieser, bald jener einen Tanz bestellt und mit einem Gulden be¬ zahlt. Auch das Mittagsessen zieht der Wirth von den Gästen ein und hält in vielen Füllen das Brautpaar selbst frei. Dafür ist von Geschenken an das letztere am Vorabend der Hochzeit keine Rede, wie denn der Brauch des Polterabends überhaupt nicht bekannt ist. Während der Brautzug sich auf den Bänken des Kirchenschiffs ausbreitet, rechts die Männer, links die Weiber, und der Basel am Eck geschäftig hin und her stapft, hört man Böllerschüsse im nahen Markt. Zugleich setzt sich — man gewahrt es von der Höhe des Hügels — der andere Brautzug in Bewegung. Er hat gut eine Viertelstunde Weges zu machen und kommt jedenfalls um ebenso viel zu spät zur Messe, denn der Pfarrer hat erklärt, keine Minute warten zu wollen. Aber heute M Musik auf dem Chöre und die Ceremonie wird immer noch eine hübsche Zeit länger dauern, als der Zug ausbleiben kann. Während nun drinnen die Messe beginnt, das Glöck- lein läutet und die Orgel brummt, klingt näher und näher die Hornmusik des verspäteten Zuges und nach und nach erkennt man zwischen dem Kukuruz- und dem Spelzselde des Herrn Pfarrers eine Reihe städtisch gekleideter Männer und Weiber, unter welche sich einzelne Steirer Trachten, wie Fahnen aus dem Türkenkriege, veraltet und überholt, gemischt haben. Die Braut hat etwas Buckel, dagegen fehlt ihr der jungfräuliche Schmuck des Kranzes, was 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/187>, abgerufen am 22.07.2024.