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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Damit ist die Unterhaltung zu Ende. Der Blaset packt ein. Nicht daß
er böse oder beleidigt wäre. Im Gegentheil die Vevi, "g'fallt ihm absun-
derlich". wie er sichs beim Bergabrutschen vorsagt, denn sie hat den Kops
fest auf den Schultern und "das Maul recht in der Mitten und immer ge¬
laden"; er wird schon einmal wieder auf die Sackwiese hinaufstelzen, wenn
erst des Schleakenbauers Sohn oder der Huber am seuchten Wehr ernstlich
ans Freien denkt. Einstweilen wird er nach der Bürgeralm hinübertrollcn --
heute freilich nicht mehr -- und die loamlakete Wawi sondiren. Sie ist schon
ein halb Dutzend Almsommer älter als die Vevi und wird aus ihren Erspar¬
nissen für den Besuch und Antrag des Blasel am Eck ein Uebriges thun.

Hat er dem Ratzel dann ein "Weibsbild" verschafft, und ist wegen der
Ausstattung und der Absagung alles festgemacht worden^(der Freier pflegt
eine Geldsumme der Braut zu bestimmen, über die sie nach seinem Tode ver¬
fügen kann und die ihr zugeschrieben wird), da begleitet er die beiden auch
noch zum Pfarrer, damit die "Verlöbnis;" von ihm bestätigt und die Abkün-
digung durch ihn vollzogen werde.

Nach diesen Förmlichkeiten rückt der Tag heran, wo er im besten Auf¬
putz als Hochzeitbitter zu der Verwandtschaft und Freundschaft umhergeht.
Braut oder Bräutigam begleiten ihn, wenn es ihnen eben bequem ist. Doch
richtet er es auch häufig allein aus.

Von diesem letztern Rundgänge an gerechnet, hat während der nächsten
vierzehn Tage der Frauenschneider des benachbarten Marktfleckens, wo die Kirche
liegt, alle Hände voll zu thun. Nichts Andres als Putz für die Braut, für
die Kranzjungfern, für die übrigen geladenen Frauen und Jungfrauen wird
auf Bestellung angenommen. Der zweite Frauenschneider in sxe, sonst
nur im Verborgenen thätig, weil von dem Gemeindevorstand als überflüssiges
Mitglied der Gesellschaft bisher immer mit seinen Niederlassungsgesuchcn
abschlägig beschicken, wagt sich jetzt bei Hellem Tägliche zu seinen Kunden,
und seine Ehehoffnungen steigen hoch über pari, um nach Ablauf jenes Ter¬
mins um so tiefer hinabzusinken.

Endlich erscheint der Hochzeitstag, von dem wir reden wollten. Weder
die Vevi, noch die Wawi, noch der Ratzel kommen hier in Betracht. Wir
sagten schon, der Blasel am Eck habe diesmal keinen Kuppelpelz verdient.
Es handelt sich um zwei Paare, die sich länger Zeit ließen, als es dem
Pfarrer recht schien; er hat ihnen im Beichtstuhl dieses und jenes eröffnet,
zum ersten, zum zweiten, vielleicht auch zum dritten Male daran erinnert,
bis sie sich gefügt und um Ausgebot gebeten haben, welcher Förmlichkeit nun
die Trauung und Hochzeit folgen soll. Das eine Paar ist in dem Markt¬
flecken heimisch, das andere in einem der benachbarten "Gruben" oder Eng¬
thäler.


Grenzboten III. 1LS8. 23

Damit ist die Unterhaltung zu Ende. Der Blaset packt ein. Nicht daß
er böse oder beleidigt wäre. Im Gegentheil die Vevi, „g'fallt ihm absun-
derlich". wie er sichs beim Bergabrutschen vorsagt, denn sie hat den Kops
fest auf den Schultern und „das Maul recht in der Mitten und immer ge¬
laden"; er wird schon einmal wieder auf die Sackwiese hinaufstelzen, wenn
erst des Schleakenbauers Sohn oder der Huber am seuchten Wehr ernstlich
ans Freien denkt. Einstweilen wird er nach der Bürgeralm hinübertrollcn —
heute freilich nicht mehr — und die loamlakete Wawi sondiren. Sie ist schon
ein halb Dutzend Almsommer älter als die Vevi und wird aus ihren Erspar¬
nissen für den Besuch und Antrag des Blasel am Eck ein Uebriges thun.

Hat er dem Ratzel dann ein „Weibsbild" verschafft, und ist wegen der
Ausstattung und der Absagung alles festgemacht worden^(der Freier pflegt
eine Geldsumme der Braut zu bestimmen, über die sie nach seinem Tode ver¬
fügen kann und die ihr zugeschrieben wird), da begleitet er die beiden auch
noch zum Pfarrer, damit die „Verlöbnis;" von ihm bestätigt und die Abkün-
digung durch ihn vollzogen werde.

Nach diesen Förmlichkeiten rückt der Tag heran, wo er im besten Auf¬
putz als Hochzeitbitter zu der Verwandtschaft und Freundschaft umhergeht.
Braut oder Bräutigam begleiten ihn, wenn es ihnen eben bequem ist. Doch
richtet er es auch häufig allein aus.

Von diesem letztern Rundgänge an gerechnet, hat während der nächsten
vierzehn Tage der Frauenschneider des benachbarten Marktfleckens, wo die Kirche
liegt, alle Hände voll zu thun. Nichts Andres als Putz für die Braut, für
die Kranzjungfern, für die übrigen geladenen Frauen und Jungfrauen wird
auf Bestellung angenommen. Der zweite Frauenschneider in sxe, sonst
nur im Verborgenen thätig, weil von dem Gemeindevorstand als überflüssiges
Mitglied der Gesellschaft bisher immer mit seinen Niederlassungsgesuchcn
abschlägig beschicken, wagt sich jetzt bei Hellem Tägliche zu seinen Kunden,
und seine Ehehoffnungen steigen hoch über pari, um nach Ablauf jenes Ter¬
mins um so tiefer hinabzusinken.

Endlich erscheint der Hochzeitstag, von dem wir reden wollten. Weder
die Vevi, noch die Wawi, noch der Ratzel kommen hier in Betracht. Wir
sagten schon, der Blasel am Eck habe diesmal keinen Kuppelpelz verdient.
Es handelt sich um zwei Paare, die sich länger Zeit ließen, als es dem
Pfarrer recht schien; er hat ihnen im Beichtstuhl dieses und jenes eröffnet,
zum ersten, zum zweiten, vielleicht auch zum dritten Male daran erinnert,
bis sie sich gefügt und um Ausgebot gebeten haben, welcher Förmlichkeit nun
die Trauung und Hochzeit folgen soll. Das eine Paar ist in dem Markt¬
flecken heimisch, das andere in einem der benachbarten „Gruben" oder Eng¬
thäler.


Grenzboten III. 1LS8. 23
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/185>, abgerufen am 22.07.2024.