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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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"Jehkers," ruft der andre und schmaucht die kurze Ahornpfeife an.
"jehkers, redest doch grad als ob der Ratzel e Spucktriegel war. 's ist
noch e riegelscuner (rüstiger) Buab und lang zu gnat für solch e Narrentaddel
wie du."

Die Vevi hat nicht gleich die rechte Antwort auf der Zunge und entladet
ihren Zorn in einem Schlag mit der flachen Hand, den der Hintertheil der
eben gemolkenen Kuh empfängt. Diese betrachtet sich als entlassen, und die
nächststehende. "Mohrenkopf" betitelt, stellt sich an den Melkschemel.

"Wann du mi heut sortschickst." fängt der Blaset wieder an. indem er
aus dem Milcheimer einen Schluck thut und sich mit dem Aermel den Mund
wischt. ,.da schlag ich ihm die Wawi (Barbara) von der Bürgeralm vor" . .

"Die loamlakete?" (maulfaule, dumme)

"Sie isch nit so gar z'wider und für den Ratzel gamblet (hübsch)
g'ung. Das G'heiß (Schwatzen) branches bei ihm ohnedies nit."

"So thu's; 's werden nit die ersten und nit die letzten sein, die du
z'sammenbatzen thust."

Der Blaset dampft eine Weile in die Lust. "Wird's dir nit hart g'schehn.
wann nu ein' Andre als du die 'Häuselbäuerin werden sollt?"

"Gar kei Spua!"

"E sindiger (anstelliger) Kampel ischt der Rachel. das ischt eh wahr, und
auf dem Hof schaut's gustios aus. 's ischt heut zu Tag e selten Ding, daß
e Kühmensch in e Haushalt hineinheirath'. wo kei Fretterei (Kargheit) isch.
Was meinst?"

Aber die Vevi ist erst achtzehn Jahr alt und der Ratzel steht ihr nicht
an; er hat zwei Kröpfe statt eines; für ,.e Handvoll Kletzen" (getrocknete
Birnen) meint sie, braucht sie ihr glattes "G'frießl" (Gesicht) noch lange
nicht zu verhandeln.

Der Blaset hat sie gut hochmüthig schelten und ihr prophezeien, es müsse
schon kurios kommen, wenn ein anderer sich finde, dem ihr "Mundstückl mit
dem Schneller drin" recht sei. Sie wills drauf wagen; was er für Neues
unter der Kappen hatte, hat sie ihm gleich "angekannt und hat g'wißt. daß 's
heut' die Kost me zahlen wird."

"Wenn's so g'meint sei." sagt der Blaset, "den stützet wässrige Millins
werd' er auch noch vergütigen können."

Aber den Kreuzer nimmt die Vevi nicht an. Er werde noch mancher
Orten einsprechen müssen, eh er den Ratzel mit seiner "alten Müh'" (altem Uebel)
unterbringe. Die billigen Menscher ständen jetzunder schon zu Schiller (zu
undicht), als daß ein jeder "Schlankel" sie nur so im Müketzen (Blindekuh¬
spiel) haschen könne. Mit dem Freien sei es "en eigen Ding und man müsse
halt 5 Schneid dazu haben."


„Jehkers," ruft der andre und schmaucht die kurze Ahornpfeife an.
„jehkers, redest doch grad als ob der Ratzel e Spucktriegel war. 's ist
noch e riegelscuner (rüstiger) Buab und lang zu gnat für solch e Narrentaddel
wie du."

Die Vevi hat nicht gleich die rechte Antwort auf der Zunge und entladet
ihren Zorn in einem Schlag mit der flachen Hand, den der Hintertheil der
eben gemolkenen Kuh empfängt. Diese betrachtet sich als entlassen, und die
nächststehende. „Mohrenkopf" betitelt, stellt sich an den Melkschemel.

„Wann du mi heut sortschickst." fängt der Blaset wieder an. indem er
aus dem Milcheimer einen Schluck thut und sich mit dem Aermel den Mund
wischt. ,.da schlag ich ihm die Wawi (Barbara) von der Bürgeralm vor" . .

„Die loamlakete?" (maulfaule, dumme)

„Sie isch nit so gar z'wider und für den Ratzel gamblet (hübsch)
g'ung. Das G'heiß (Schwatzen) branches bei ihm ohnedies nit."

„So thu's; 's werden nit die ersten und nit die letzten sein, die du
z'sammenbatzen thust."

Der Blaset dampft eine Weile in die Lust. „Wird's dir nit hart g'schehn.
wann nu ein' Andre als du die 'Häuselbäuerin werden sollt?"

„Gar kei Spua!"

„E sindiger (anstelliger) Kampel ischt der Rachel. das ischt eh wahr, und
auf dem Hof schaut's gustios aus. 's ischt heut zu Tag e selten Ding, daß
e Kühmensch in e Haushalt hineinheirath'. wo kei Fretterei (Kargheit) isch.
Was meinst?"

Aber die Vevi ist erst achtzehn Jahr alt und der Ratzel steht ihr nicht
an; er hat zwei Kröpfe statt eines; für ,.e Handvoll Kletzen" (getrocknete
Birnen) meint sie, braucht sie ihr glattes „G'frießl" (Gesicht) noch lange
nicht zu verhandeln.

Der Blaset hat sie gut hochmüthig schelten und ihr prophezeien, es müsse
schon kurios kommen, wenn ein anderer sich finde, dem ihr „Mundstückl mit
dem Schneller drin" recht sei. Sie wills drauf wagen; was er für Neues
unter der Kappen hatte, hat sie ihm gleich "angekannt und hat g'wißt. daß 's
heut' die Kost me zahlen wird."

„Wenn's so g'meint sei." sagt der Blaset, „den stützet wässrige Millins
werd' er auch noch vergütigen können."

Aber den Kreuzer nimmt die Vevi nicht an. Er werde noch mancher
Orten einsprechen müssen, eh er den Ratzel mit seiner „alten Müh'" (altem Uebel)
unterbringe. Die billigen Menscher ständen jetzunder schon zu Schiller (zu
undicht), als daß ein jeder „Schlankel" sie nur so im Müketzen (Blindekuh¬
spiel) haschen könne. Mit dem Freien sei es „en eigen Ding und man müsse
halt 5 Schneid dazu haben."


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[0184] „Jehkers," ruft der andre und schmaucht die kurze Ahornpfeife an. „jehkers, redest doch grad als ob der Ratzel e Spucktriegel war. 's ist noch e riegelscuner (rüstiger) Buab und lang zu gnat für solch e Narrentaddel wie du." Die Vevi hat nicht gleich die rechte Antwort auf der Zunge und entladet ihren Zorn in einem Schlag mit der flachen Hand, den der Hintertheil der eben gemolkenen Kuh empfängt. Diese betrachtet sich als entlassen, und die nächststehende. „Mohrenkopf" betitelt, stellt sich an den Melkschemel. „Wann du mi heut sortschickst." fängt der Blaset wieder an. indem er aus dem Milcheimer einen Schluck thut und sich mit dem Aermel den Mund wischt. ,.da schlag ich ihm die Wawi (Barbara) von der Bürgeralm vor" . . „Die loamlakete?" (maulfaule, dumme) „Sie isch nit so gar z'wider und für den Ratzel gamblet (hübsch) g'ung. Das G'heiß (Schwatzen) branches bei ihm ohnedies nit." „So thu's; 's werden nit die ersten und nit die letzten sein, die du z'sammenbatzen thust." Der Blaset dampft eine Weile in die Lust. „Wird's dir nit hart g'schehn. wann nu ein' Andre als du die 'Häuselbäuerin werden sollt?" „Gar kei Spua!" „E sindiger (anstelliger) Kampel ischt der Rachel. das ischt eh wahr, und auf dem Hof schaut's gustios aus. 's ischt heut zu Tag e selten Ding, daß e Kühmensch in e Haushalt hineinheirath'. wo kei Fretterei (Kargheit) isch. Was meinst?" Aber die Vevi ist erst achtzehn Jahr alt und der Ratzel steht ihr nicht an; er hat zwei Kröpfe statt eines; für ,.e Handvoll Kletzen" (getrocknete Birnen) meint sie, braucht sie ihr glattes „G'frießl" (Gesicht) noch lange nicht zu verhandeln. Der Blaset hat sie gut hochmüthig schelten und ihr prophezeien, es müsse schon kurios kommen, wenn ein anderer sich finde, dem ihr „Mundstückl mit dem Schneller drin" recht sei. Sie wills drauf wagen; was er für Neues unter der Kappen hatte, hat sie ihm gleich "angekannt und hat g'wißt. daß 's heut' die Kost me zahlen wird." „Wenn's so g'meint sei." sagt der Blaset, „den stützet wässrige Millins werd' er auch noch vergütigen können." Aber den Kreuzer nimmt die Vevi nicht an. Er werde noch mancher Orten einsprechen müssen, eh er den Ratzel mit seiner „alten Müh'" (altem Uebel) unterbringe. Die billigen Menscher ständen jetzunder schon zu Schiller (zu undicht), als daß ein jeder „Schlankel" sie nur so im Müketzen (Blindekuh¬ spiel) haschen könne. Mit dem Freien sei es „en eigen Ding und man müsse halt 5 Schneid dazu haben."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/184>, abgerufen am 08.01.2025.