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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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der "Aringo". hat, seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, wie einst in
Venedig, zu bestehen aufgehört. Nur der Name ist auf die Volksmenge über¬
gegangen, die zum festlichen Amtsantritt der neuen Regenten freiwillig zu¬
sammenströmt, ohngefähr wie im kaiserlichen Rom die Festspiele Comitien
hießen, mit denen der Beginn eines neuen Jahrzehnts der Regierung eines
Kaisers gefeiert ward.

Landesherr (Vriueixs) heißt dagegen eine völlig oligarchisch zusammen¬
gesetzte Versammlung von 60 Mitgliedern, der Kran consMo generale, welche
der ebenso benannten Körperschaft im republikanischen Venedig der Bedeutung
nach völlig entspricht. Wurden ursprünglich die Mitglieder frei gewählt, so
ist der große Rath seit 1652, wie in Venedig seit 1296, geschlossen. Fabig
in denselben aufgenommen zu werden, sind also nur Mitglieder derjenigen
Familien, die ihm schon damals angehörten. Entstandene Lücken werden nicht
durch Volkswahl, sondern durch Cooptation ergänzt: die übrigbleibenden Mit¬
glieder bestimmen, wer statt des Ausgeschiedenen eintreten soll. Doch sind
sie auch dabei an eine bestimmte Regel gebunden. Der große Rath zerfällt
in drei Abtheilungen, deren jede zwanzig Häupter zählt. Wie klein auch die
Zahl der Adligen (Patrizier) ist, so werden sie doch durch ebenso viel Mit¬
glieder vertreten, als die übrigen "Bürger" der Stadt und Vorstadt, die
eittaäim. Endlich entsendet die noch bei weitem größere Anzahl der länd¬
lichen Grundbesitzer (xossiäenti ti eiuuMgim) die letzten Zwanzig.

Den venetianischen I>i'eM<U zu vergleichen ist der kleine Rath aus 12 Mit¬
gliedern (eonsi^Iietto), den der große Rath aus seiner Mitte und in glei¬
chem Verhältniß alljährlich neu ernennt und der den beiden "Regenten" in
Besorgung der laufenden Geschäfte rathend und beschließend zur Seite steht.

Die Wahl der Laxitani reggeuti erinnert, wenn auch in viel ein¬
facheren Formen, an den complicirten Mechanismus d"er venetianischen Dogen¬
wahl. Der cZlran consi^lo bestimmt zuerst durch das Loos zwölf Wähler.
Jeder von diesen bezeichnet einen Candidaten, jedoch in der Art., daß sechs
der Stadt und sechs dem Lande angehören. Unter diesen werden je drei und
drei nach Stimmenmehrheit ausgewählt und nun paarweise (je ein terrisr-L
und ein eonwäiuo) auf drei Zettel geschrieben. Die Zettel werden in hohle
Kugeln eingeschlossen und dann in feierlicher Procession zur Hauptkirche ge¬
tragen. In der überfüllten Kirche intonirt die Geistlichkeit das "veui creator
Spiritus" und alsdann zieht ein Kind mit verbundenen Augen eine der drei
Kugeln aus der silbernen Urne. Sofort werden unter lautem Tusch die
Namen, welche der Zettel enthält, verkündigt, und ein hundertstimmiges evviva!
trägt sie in kurzer Frist bis an die Enden der Republik.

Wenige Wochen darauf (1. April und i. October) treten die Erwählten
ihr sechsmonatliches Amt an und zu den Feierlichkeiten dieser Function gehörte


der „Aringo". hat, seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, wie einst in
Venedig, zu bestehen aufgehört. Nur der Name ist auf die Volksmenge über¬
gegangen, die zum festlichen Amtsantritt der neuen Regenten freiwillig zu¬
sammenströmt, ohngefähr wie im kaiserlichen Rom die Festspiele Comitien
hießen, mit denen der Beginn eines neuen Jahrzehnts der Regierung eines
Kaisers gefeiert ward.

Landesherr (Vriueixs) heißt dagegen eine völlig oligarchisch zusammen¬
gesetzte Versammlung von 60 Mitgliedern, der Kran consMo generale, welche
der ebenso benannten Körperschaft im republikanischen Venedig der Bedeutung
nach völlig entspricht. Wurden ursprünglich die Mitglieder frei gewählt, so
ist der große Rath seit 1652, wie in Venedig seit 1296, geschlossen. Fabig
in denselben aufgenommen zu werden, sind also nur Mitglieder derjenigen
Familien, die ihm schon damals angehörten. Entstandene Lücken werden nicht
durch Volkswahl, sondern durch Cooptation ergänzt: die übrigbleibenden Mit¬
glieder bestimmen, wer statt des Ausgeschiedenen eintreten soll. Doch sind
sie auch dabei an eine bestimmte Regel gebunden. Der große Rath zerfällt
in drei Abtheilungen, deren jede zwanzig Häupter zählt. Wie klein auch die
Zahl der Adligen (Patrizier) ist, so werden sie doch durch ebenso viel Mit¬
glieder vertreten, als die übrigen „Bürger" der Stadt und Vorstadt, die
eittaäim. Endlich entsendet die noch bei weitem größere Anzahl der länd¬
lichen Grundbesitzer (xossiäenti ti eiuuMgim) die letzten Zwanzig.

Den venetianischen I>i'eM<U zu vergleichen ist der kleine Rath aus 12 Mit¬
gliedern (eonsi^Iietto), den der große Rath aus seiner Mitte und in glei¬
chem Verhältniß alljährlich neu ernennt und der den beiden „Regenten" in
Besorgung der laufenden Geschäfte rathend und beschließend zur Seite steht.

Die Wahl der Laxitani reggeuti erinnert, wenn auch in viel ein¬
facheren Formen, an den complicirten Mechanismus d"er venetianischen Dogen¬
wahl. Der cZlran consi^lo bestimmt zuerst durch das Loos zwölf Wähler.
Jeder von diesen bezeichnet einen Candidaten, jedoch in der Art., daß sechs
der Stadt und sechs dem Lande angehören. Unter diesen werden je drei und
drei nach Stimmenmehrheit ausgewählt und nun paarweise (je ein terrisr-L
und ein eonwäiuo) auf drei Zettel geschrieben. Die Zettel werden in hohle
Kugeln eingeschlossen und dann in feierlicher Procession zur Hauptkirche ge¬
tragen. In der überfüllten Kirche intonirt die Geistlichkeit das „veui creator
Spiritus" und alsdann zieht ein Kind mit verbundenen Augen eine der drei
Kugeln aus der silbernen Urne. Sofort werden unter lautem Tusch die
Namen, welche der Zettel enthält, verkündigt, und ein hundertstimmiges evviva!
trägt sie in kurzer Frist bis an die Enden der Republik.

Wenige Wochen darauf (1. April und i. October) treten die Erwählten
ihr sechsmonatliches Amt an und zu den Feierlichkeiten dieser Function gehörte


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[0159] der „Aringo". hat, seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, wie einst in Venedig, zu bestehen aufgehört. Nur der Name ist auf die Volksmenge über¬ gegangen, die zum festlichen Amtsantritt der neuen Regenten freiwillig zu¬ sammenströmt, ohngefähr wie im kaiserlichen Rom die Festspiele Comitien hießen, mit denen der Beginn eines neuen Jahrzehnts der Regierung eines Kaisers gefeiert ward. Landesherr (Vriueixs) heißt dagegen eine völlig oligarchisch zusammen¬ gesetzte Versammlung von 60 Mitgliedern, der Kran consMo generale, welche der ebenso benannten Körperschaft im republikanischen Venedig der Bedeutung nach völlig entspricht. Wurden ursprünglich die Mitglieder frei gewählt, so ist der große Rath seit 1652, wie in Venedig seit 1296, geschlossen. Fabig in denselben aufgenommen zu werden, sind also nur Mitglieder derjenigen Familien, die ihm schon damals angehörten. Entstandene Lücken werden nicht durch Volkswahl, sondern durch Cooptation ergänzt: die übrigbleibenden Mit¬ glieder bestimmen, wer statt des Ausgeschiedenen eintreten soll. Doch sind sie auch dabei an eine bestimmte Regel gebunden. Der große Rath zerfällt in drei Abtheilungen, deren jede zwanzig Häupter zählt. Wie klein auch die Zahl der Adligen (Patrizier) ist, so werden sie doch durch ebenso viel Mit¬ glieder vertreten, als die übrigen „Bürger" der Stadt und Vorstadt, die eittaäim. Endlich entsendet die noch bei weitem größere Anzahl der länd¬ lichen Grundbesitzer (xossiäenti ti eiuuMgim) die letzten Zwanzig. Den venetianischen I>i'eM<U zu vergleichen ist der kleine Rath aus 12 Mit¬ gliedern (eonsi^Iietto), den der große Rath aus seiner Mitte und in glei¬ chem Verhältniß alljährlich neu ernennt und der den beiden „Regenten" in Besorgung der laufenden Geschäfte rathend und beschließend zur Seite steht. Die Wahl der Laxitani reggeuti erinnert, wenn auch in viel ein¬ facheren Formen, an den complicirten Mechanismus d"er venetianischen Dogen¬ wahl. Der cZlran consi^lo bestimmt zuerst durch das Loos zwölf Wähler. Jeder von diesen bezeichnet einen Candidaten, jedoch in der Art., daß sechs der Stadt und sechs dem Lande angehören. Unter diesen werden je drei und drei nach Stimmenmehrheit ausgewählt und nun paarweise (je ein terrisr-L und ein eonwäiuo) auf drei Zettel geschrieben. Die Zettel werden in hohle Kugeln eingeschlossen und dann in feierlicher Procession zur Hauptkirche ge¬ tragen. In der überfüllten Kirche intonirt die Geistlichkeit das „veui creator Spiritus" und alsdann zieht ein Kind mit verbundenen Augen eine der drei Kugeln aus der silbernen Urne. Sofort werden unter lautem Tusch die Namen, welche der Zettel enthält, verkündigt, und ein hundertstimmiges evviva! trägt sie in kurzer Frist bis an die Enden der Republik. Wenige Wochen darauf (1. April und i. October) treten die Erwählten ihr sechsmonatliches Amt an und zu den Feierlichkeiten dieser Function gehörte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/159>, abgerufen am 22.07.2024.