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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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änderter Uniform ganz wohl einen Kürassier in deutschen Heeren darstellen, und
sein Pferd allen Anforderungen, welche man an ein solches dieser Waffe macht,
vollständigst entsprechen. Die Sucht, große ansehnliche Leute und Pferde in
den Regimentern zu haben, laßt nur zu oft den Zweck derselben gänzlich
vergessen.

Die Reiterei ist vortrefflich beritten, man hielt sie früher für eine der
besten Europas, allein die Erfahrung lehrte, daß ihre Pferde den Strapazen
eines harten Feldzuges nur zu rasch unterlagen, und wenn in Deutschland
im Frieden die Pferde der kleineren Staaten sehr geschont werden, so ist dies
in noch viel höherem Grade in England der Fall. Die Thiere werden selbst
an eine Veränderung des Klimas nicht gewöhnt; denn die Regimenter, welche
nach den asiatischen Colonien, nach Indien u. s. w. gehen, lassen ihre Pferde
zurück und werden mit den dort einheimischen beritten gemacht, was den
großen Nachtheil hat, daß die Größe des Mannes der des Pferdes selten an¬
gemessen ist. und noch weniger ist es das Gewicht der Ausrüstung des Reiters.

Die Infanterie besteht aus 100 Regimentern, von denen 98 Linienregi-
mcnter sind, die bald Füsiliere, bald leichte Infanterie heißen, ohne daß dies
auf Ausbildung, Bekleidung oder Bewaffnung irgend einen Einfluß ausübte.
Das 60. und das 100. Regiment sind Jäger (Niflcmen). Sämmtliche In¬
fanterie ist mit dem vorzüglichen Enfield Rifle, einer langen Spitzkugelbüchse
nach dem Migneschen Systeme, bewaffnet, die ihre Geschosse bis aus
1000 Schritte fortschleudert. Diese Büchse ist sehr leicht, leichter als das
deutsche Infanteriegewehr, sie ist rasch und ohne Kraftanstrengung zu laden,
und der Soldat kann durch Putzen wenig an ihr verderben, da die Ringe
schwarz, das Schloß grau und der Lauf gebräunt ist. Um ein leichtes Ab¬
drücken zu erzielen, Hot das Schloß eine sogenannte Kettennuß. Das Bajonnet
ist dreischneidig, hohl geschliffen und nur in der Verbindung desselben mit
dem Gewehr liegt ein Fehler; das eiserne Korn bildet nämlich gleichzeitig
den Bajonncthcft, kann also verhältnißmüßig leicht aus seiner richtigen, für
den sichern Schuß so wesentlichen Lage weichen. Seit einigen Jahren gibt
man in England sehr viel aus richtiges und gutes Schießen; der Gedanke
der Unwiderstehlichkeit eines englischen Bajonnetangriffes ist vor Sebastopol
eben zum bloßen Gedanken geworden; ob die Langsamkeit und Schwerfällig¬
keit aus den Manövers der britischen Infanterie verschwinden wird, muß der
Zukunft überlassen bleiben.

Es kann nicht fehlen, daß in einem Staate, wo das Maschinenwesen
auf so hoher Stufe steht wie in England, auch die Kriegsmaschinen von gro¬
ßer Vollkommenheit sein werden, und dies ist bei allem, was das Geschütz¬
wesen betrifft, wirklich der Fall. Die Fuß- und die reitende Artillerie, ein
Corps bildend, haben in Woolwich ihre Hauptwerkstätten, wo Erfindungen


Grenzboten III. 18S8. 18

änderter Uniform ganz wohl einen Kürassier in deutschen Heeren darstellen, und
sein Pferd allen Anforderungen, welche man an ein solches dieser Waffe macht,
vollständigst entsprechen. Die Sucht, große ansehnliche Leute und Pferde in
den Regimentern zu haben, laßt nur zu oft den Zweck derselben gänzlich
vergessen.

Die Reiterei ist vortrefflich beritten, man hielt sie früher für eine der
besten Europas, allein die Erfahrung lehrte, daß ihre Pferde den Strapazen
eines harten Feldzuges nur zu rasch unterlagen, und wenn in Deutschland
im Frieden die Pferde der kleineren Staaten sehr geschont werden, so ist dies
in noch viel höherem Grade in England der Fall. Die Thiere werden selbst
an eine Veränderung des Klimas nicht gewöhnt; denn die Regimenter, welche
nach den asiatischen Colonien, nach Indien u. s. w. gehen, lassen ihre Pferde
zurück und werden mit den dort einheimischen beritten gemacht, was den
großen Nachtheil hat, daß die Größe des Mannes der des Pferdes selten an¬
gemessen ist. und noch weniger ist es das Gewicht der Ausrüstung des Reiters.

Die Infanterie besteht aus 100 Regimentern, von denen 98 Linienregi-
mcnter sind, die bald Füsiliere, bald leichte Infanterie heißen, ohne daß dies
auf Ausbildung, Bekleidung oder Bewaffnung irgend einen Einfluß ausübte.
Das 60. und das 100. Regiment sind Jäger (Niflcmen). Sämmtliche In¬
fanterie ist mit dem vorzüglichen Enfield Rifle, einer langen Spitzkugelbüchse
nach dem Migneschen Systeme, bewaffnet, die ihre Geschosse bis aus
1000 Schritte fortschleudert. Diese Büchse ist sehr leicht, leichter als das
deutsche Infanteriegewehr, sie ist rasch und ohne Kraftanstrengung zu laden,
und der Soldat kann durch Putzen wenig an ihr verderben, da die Ringe
schwarz, das Schloß grau und der Lauf gebräunt ist. Um ein leichtes Ab¬
drücken zu erzielen, Hot das Schloß eine sogenannte Kettennuß. Das Bajonnet
ist dreischneidig, hohl geschliffen und nur in der Verbindung desselben mit
dem Gewehr liegt ein Fehler; das eiserne Korn bildet nämlich gleichzeitig
den Bajonncthcft, kann also verhältnißmüßig leicht aus seiner richtigen, für
den sichern Schuß so wesentlichen Lage weichen. Seit einigen Jahren gibt
man in England sehr viel aus richtiges und gutes Schießen; der Gedanke
der Unwiderstehlichkeit eines englischen Bajonnetangriffes ist vor Sebastopol
eben zum bloßen Gedanken geworden; ob die Langsamkeit und Schwerfällig¬
keit aus den Manövers der britischen Infanterie verschwinden wird, muß der
Zukunft überlassen bleiben.

Es kann nicht fehlen, daß in einem Staate, wo das Maschinenwesen
auf so hoher Stufe steht wie in England, auch die Kriegsmaschinen von gro¬
ßer Vollkommenheit sein werden, und dies ist bei allem, was das Geschütz¬
wesen betrifft, wirklich der Fall. Die Fuß- und die reitende Artillerie, ein
Corps bildend, haben in Woolwich ihre Hauptwerkstätten, wo Erfindungen


Grenzboten III. 18S8. 18
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/145>, abgerufen am 22.07.2024.