Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Hoffnung. Sollen diese letztern Truppen bei einem auswärtigen Kriege Hilfe
leisten, so müssen sie erst um ihre Einwilligung befragt werden. Infolge
davon besetzten die Milizen im letzten russisch-türkischen Kriege Malta und
Gibraltar, und so stehn jetzt zwei Regimenter der bengalischen Armee in
China.

Dieses System der Localtruppen schwächt die Gesammtstärke des Reiches,
wir halten es nicht für politisch weise und richtig, ein großes Heer zu besol¬
den, das nicht überall verwendbar ist, sür militärisch falsch, wenn der Soldat
erst befragt werden muß, ob er in fremden Ländern kämpfen will. Wenn
man uns entgegnet, daß auch wir in Deutschland Landwehren haben, die
nicht außerhalb der Grenzen zu fechten brauchen, so hebt dies unsere Be¬
hauptung nicht aus, weil wir nicht in der halben Welt Colonien zu beschützen
haben, fondern ganz concentrirt im Herzen Europas liegen.

Betrachten wir zuerst die eigentlich königlich großbritannische
Armee. -- Sie zerfällt in Garde und Linientruppen und zählt im Ganzen
etwa 140,000 Combattanten, eine Zahl, die im Verhältniß zu den Heeren
der Continentalstaaten unendlich gering erscheint, und, wie sich im Krimfeld¬
zuge herausstellte, in der That zu gering ist.

Die englischen Garden bestehen aus drei Kürassier- und drei Grenadier¬
regimentern, sie haben ihre Standquartiere theils in London theils in den könig¬
lichen Schlössern im Lande; man kann selten schönere, ausgesuchtere Leute und
Pferde finden als in diesen Corps. Sie sind vom Colonialdienste befreit, müssen
aber in Kriegen überall fechten, wie denn bekanntlich die gesammte Garde¬
infanterie unter Befehl des Herzogs von Cambridge mit in der Krim war.

Das erste und zweite Garderegiment führen den Titel erstes und zweites
^iteArmräs, das dritte heißt lloi-Lo^u^Zs. Die Gardegrenadierregimenter
heißen 1. Gardegrenadiers. 2. schottische Füsiliergarden, 3. Coldstream-
garden. Die Offiziere stehen im Range zwei Stufen höher als die aller an¬
deren Regimenter, sind aber nicht wegen ihrer Verdienste so bevorzugt, son¬
dern weil ihre Geburt und ihre Geldmittel ihnen gestatten, sich Stellen in
der Garde zu kaufen und das luxuriöse Leben mitzumachen, welches in die¬
sen Regimentern herrscht. --

Die Reiterei der Linie besteht aus sieben Gardedragonerregimentern,
welche die Rescrvecavalerie bilden, ohne die Vorrechte der andern Garde¬
regimenter zu theilen, und sechszehn Reiterregimentern, welche theils Dragoner,
theils Grenadiere zu Pferd, theils Husaren- und Ulanenregimenter sind.
Wenn auch eine Eintheilung in leichte und schwere Reiterei stattfindet und
als nothwendig anerkannt wird, so existirt doch eigentlich in dieser Armee nur
die letztere, und man würde sich sehr täuschen, wollte man von einem ungarischen
auf einen englischen Husaren schließen. Letzterer würde vielmehr mit ver-


Hoffnung. Sollen diese letztern Truppen bei einem auswärtigen Kriege Hilfe
leisten, so müssen sie erst um ihre Einwilligung befragt werden. Infolge
davon besetzten die Milizen im letzten russisch-türkischen Kriege Malta und
Gibraltar, und so stehn jetzt zwei Regimenter der bengalischen Armee in
China.

Dieses System der Localtruppen schwächt die Gesammtstärke des Reiches,
wir halten es nicht für politisch weise und richtig, ein großes Heer zu besol¬
den, das nicht überall verwendbar ist, sür militärisch falsch, wenn der Soldat
erst befragt werden muß, ob er in fremden Ländern kämpfen will. Wenn
man uns entgegnet, daß auch wir in Deutschland Landwehren haben, die
nicht außerhalb der Grenzen zu fechten brauchen, so hebt dies unsere Be¬
hauptung nicht aus, weil wir nicht in der halben Welt Colonien zu beschützen
haben, fondern ganz concentrirt im Herzen Europas liegen.

Betrachten wir zuerst die eigentlich königlich großbritannische
Armee. — Sie zerfällt in Garde und Linientruppen und zählt im Ganzen
etwa 140,000 Combattanten, eine Zahl, die im Verhältniß zu den Heeren
der Continentalstaaten unendlich gering erscheint, und, wie sich im Krimfeld¬
zuge herausstellte, in der That zu gering ist.

Die englischen Garden bestehen aus drei Kürassier- und drei Grenadier¬
regimentern, sie haben ihre Standquartiere theils in London theils in den könig¬
lichen Schlössern im Lande; man kann selten schönere, ausgesuchtere Leute und
Pferde finden als in diesen Corps. Sie sind vom Colonialdienste befreit, müssen
aber in Kriegen überall fechten, wie denn bekanntlich die gesammte Garde¬
infanterie unter Befehl des Herzogs von Cambridge mit in der Krim war.

Das erste und zweite Garderegiment führen den Titel erstes und zweites
^iteArmräs, das dritte heißt lloi-Lo^u^Zs. Die Gardegrenadierregimenter
heißen 1. Gardegrenadiers. 2. schottische Füsiliergarden, 3. Coldstream-
garden. Die Offiziere stehen im Range zwei Stufen höher als die aller an¬
deren Regimenter, sind aber nicht wegen ihrer Verdienste so bevorzugt, son¬
dern weil ihre Geburt und ihre Geldmittel ihnen gestatten, sich Stellen in
der Garde zu kaufen und das luxuriöse Leben mitzumachen, welches in die¬
sen Regimentern herrscht. —

Die Reiterei der Linie besteht aus sieben Gardedragonerregimentern,
welche die Rescrvecavalerie bilden, ohne die Vorrechte der andern Garde¬
regimenter zu theilen, und sechszehn Reiterregimentern, welche theils Dragoner,
theils Grenadiere zu Pferd, theils Husaren- und Ulanenregimenter sind.
Wenn auch eine Eintheilung in leichte und schwere Reiterei stattfindet und
als nothwendig anerkannt wird, so existirt doch eigentlich in dieser Armee nur
die letztere, und man würde sich sehr täuschen, wollte man von einem ungarischen
auf einen englischen Husaren schließen. Letzterer würde vielmehr mit ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105955"/>
            <p xml:id="ID_336" prev="#ID_335"> Hoffnung. Sollen diese letztern Truppen bei einem auswärtigen Kriege Hilfe<lb/>
leisten, so müssen sie erst um ihre Einwilligung befragt werden. Infolge<lb/>
davon besetzten die Milizen im letzten russisch-türkischen Kriege Malta und<lb/>
Gibraltar, und so stehn jetzt zwei Regimenter der bengalischen Armee in<lb/>
China.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_337"> Dieses System der Localtruppen schwächt die Gesammtstärke des Reiches,<lb/>
wir halten es nicht für politisch weise und richtig, ein großes Heer zu besol¬<lb/>
den, das nicht überall verwendbar ist, sür militärisch falsch, wenn der Soldat<lb/>
erst befragt werden muß, ob er in fremden Ländern kämpfen will. Wenn<lb/>
man uns entgegnet, daß auch wir in Deutschland Landwehren haben, die<lb/>
nicht außerhalb der Grenzen zu fechten brauchen, so hebt dies unsere Be¬<lb/>
hauptung nicht aus, weil wir nicht in der halben Welt Colonien zu beschützen<lb/>
haben, fondern ganz concentrirt im Herzen Europas liegen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_338"> Betrachten wir zuerst die eigentlich königlich großbritannische<lb/>
Armee. &#x2014; Sie zerfällt in Garde und Linientruppen und zählt im Ganzen<lb/>
etwa 140,000 Combattanten, eine Zahl, die im Verhältniß zu den Heeren<lb/>
der Continentalstaaten unendlich gering erscheint, und, wie sich im Krimfeld¬<lb/>
zuge herausstellte, in der That zu gering ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_339"> Die englischen Garden bestehen aus drei Kürassier- und drei Grenadier¬<lb/>
regimentern, sie haben ihre Standquartiere theils in London theils in den könig¬<lb/>
lichen Schlössern im Lande; man kann selten schönere, ausgesuchtere Leute und<lb/>
Pferde finden als in diesen Corps. Sie sind vom Colonialdienste befreit, müssen<lb/>
aber in Kriegen überall fechten, wie denn bekanntlich die gesammte Garde¬<lb/>
infanterie unter Befehl des Herzogs von Cambridge mit in der Krim war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_340"> Das erste und zweite Garderegiment führen den Titel erstes und zweites<lb/>
^iteArmräs, das dritte heißt lloi-Lo^u^Zs. Die Gardegrenadierregimenter<lb/>
heißen 1. Gardegrenadiers. 2. schottische Füsiliergarden, 3. Coldstream-<lb/>
garden. Die Offiziere stehen im Range zwei Stufen höher als die aller an¬<lb/>
deren Regimenter, sind aber nicht wegen ihrer Verdienste so bevorzugt, son¬<lb/>
dern weil ihre Geburt und ihre Geldmittel ihnen gestatten, sich Stellen in<lb/>
der Garde zu kaufen und das luxuriöse Leben mitzumachen, welches in die¬<lb/>
sen Regimentern herrscht. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_341" next="#ID_342"> Die Reiterei der Linie besteht aus sieben Gardedragonerregimentern,<lb/>
welche die Rescrvecavalerie bilden, ohne die Vorrechte der andern Garde¬<lb/>
regimenter zu theilen, und sechszehn Reiterregimentern, welche theils Dragoner,<lb/>
theils Grenadiere zu Pferd, theils Husaren- und Ulanenregimenter sind.<lb/>
Wenn auch eine Eintheilung in leichte und schwere Reiterei stattfindet und<lb/>
als nothwendig anerkannt wird, so existirt doch eigentlich in dieser Armee nur<lb/>
die letztere, und man würde sich sehr täuschen, wollte man von einem ungarischen<lb/>
auf einen englischen Husaren schließen.  Letzterer würde vielmehr mit ver-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0144] Hoffnung. Sollen diese letztern Truppen bei einem auswärtigen Kriege Hilfe leisten, so müssen sie erst um ihre Einwilligung befragt werden. Infolge davon besetzten die Milizen im letzten russisch-türkischen Kriege Malta und Gibraltar, und so stehn jetzt zwei Regimenter der bengalischen Armee in China. Dieses System der Localtruppen schwächt die Gesammtstärke des Reiches, wir halten es nicht für politisch weise und richtig, ein großes Heer zu besol¬ den, das nicht überall verwendbar ist, sür militärisch falsch, wenn der Soldat erst befragt werden muß, ob er in fremden Ländern kämpfen will. Wenn man uns entgegnet, daß auch wir in Deutschland Landwehren haben, die nicht außerhalb der Grenzen zu fechten brauchen, so hebt dies unsere Be¬ hauptung nicht aus, weil wir nicht in der halben Welt Colonien zu beschützen haben, fondern ganz concentrirt im Herzen Europas liegen. Betrachten wir zuerst die eigentlich königlich großbritannische Armee. — Sie zerfällt in Garde und Linientruppen und zählt im Ganzen etwa 140,000 Combattanten, eine Zahl, die im Verhältniß zu den Heeren der Continentalstaaten unendlich gering erscheint, und, wie sich im Krimfeld¬ zuge herausstellte, in der That zu gering ist. Die englischen Garden bestehen aus drei Kürassier- und drei Grenadier¬ regimentern, sie haben ihre Standquartiere theils in London theils in den könig¬ lichen Schlössern im Lande; man kann selten schönere, ausgesuchtere Leute und Pferde finden als in diesen Corps. Sie sind vom Colonialdienste befreit, müssen aber in Kriegen überall fechten, wie denn bekanntlich die gesammte Garde¬ infanterie unter Befehl des Herzogs von Cambridge mit in der Krim war. Das erste und zweite Garderegiment führen den Titel erstes und zweites ^iteArmräs, das dritte heißt lloi-Lo^u^Zs. Die Gardegrenadierregimenter heißen 1. Gardegrenadiers. 2. schottische Füsiliergarden, 3. Coldstream- garden. Die Offiziere stehen im Range zwei Stufen höher als die aller an¬ deren Regimenter, sind aber nicht wegen ihrer Verdienste so bevorzugt, son¬ dern weil ihre Geburt und ihre Geldmittel ihnen gestatten, sich Stellen in der Garde zu kaufen und das luxuriöse Leben mitzumachen, welches in die¬ sen Regimentern herrscht. — Die Reiterei der Linie besteht aus sieben Gardedragonerregimentern, welche die Rescrvecavalerie bilden, ohne die Vorrechte der andern Garde¬ regimenter zu theilen, und sechszehn Reiterregimentern, welche theils Dragoner, theils Grenadiere zu Pferd, theils Husaren- und Ulanenregimenter sind. Wenn auch eine Eintheilung in leichte und schwere Reiterei stattfindet und als nothwendig anerkannt wird, so existirt doch eigentlich in dieser Armee nur die letztere, und man würde sich sehr täuschen, wollte man von einem ungarischen auf einen englischen Husaren schließen. Letzterer würde vielmehr mit ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/144
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/144>, abgerufen am 22.07.2024.