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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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1832 erschienene Hi"toi>6 an Zon^rat Ilg. ^olle: en ^in<;riciuo. Das Buch
ist mir indeß nicht zur Hand, um nachschlagen zu können, und auch zu einer
weitern Nachforschung konnte ich mich bei der so offenbaren Lügenhaftigkeit
des Briefes nicht verstehen. Was ich mitgetheilt habe, wird. meine ich,
solchen, die sich überhaupt überzeugen lassen wollen, gezeigt haben, daß es
eben nichts Anderes als eine Lüge ist. Aber warum ergeht man sich, wenn
von den deutschen Subsidientruppen im amerikanischen Unabhängigkeitskriege
die Rede ist. immer und immer nur in Vorwürfen gegen Hessen? Waren es
doch nicht blos hessische Truppen, welche dort fochten; auch Brandenburg-
Anspach. Braunschweig, Anhalt und Waldeck hatten Contingente gestellt.
Die Stellung von Subsidientruppen war serner keineswegs etwas Neues,
hat auch noch länger fortgedauert und ist auf dem Festlande erst mit dem
Wegfall des Werbesystems in Abgang gekommen. Allerdings widerstritt es
auch bereits der damaligen Anschauungsweise. Selbst der Erbprinz von Braun¬
schweig schrieb 1776 in einem Briefe: "Ich glaube, daß, wo es nicht direct
zur Vertheidigung des Vaterlandes geht, ein freigeborner Mensch mit Recht
nicht gezwungen werden kann, die Waffen in Canada gegen die dortigen Ein¬
wohner des Landes zu ergreifen." Aber muß man das Verfahren des Land¬
grafen verurtheilen, mag man es schwerem Tadel unterwerfen, so hat doch
jedes Urtheil sein Maß, und man darf auch das nicht vergessen, was mil¬
dernd in die Wagschale fällt. Dahin gehören namentlich die langjährigen
Allianzverbindungen mit England und die nahen verwandtschaftlichen Ver¬
hältnisse, in welchen der Landgraf zu dessen Königshause stand. Es wurden
sodann die Truppen keineswegs den Engländern zur beliebigen Verfügung
gestellt. Man hatte vielmehr im Tractate ausbedungen, daß sie stets ein ge¬
schlossenes selbststündiges Corps unter eignem hessischen Commando bilden
und nirgend anderswo als in Nordamerika verwendet werden sollten, und
als England später auf den Wegfall dieser letzten Beschränkung drang, weil
es die Soldaten auf den ungesunden westindischen Inseln zu benutzen wünschte,
war der Landgraf durch nichts dazu zu bewegen. Haben endlich auch die
von England bezogenen Summen den Grund zu dem hessischen Schatze gelegt*)
so wurden dieselben doch keineswegs sämmtlich aufgespeichert. Ein großer
Theil wurde wieder im Lande verwendet und selbst durch den Krieg ein rei¬
cher Verdienst für die Unterthanen geschaffen, weil vertragsmäßig alle für
das Armeecorps erforderlichen Montirungs- und Armaturbedürfnisse aus Hessen
bezogen werden mußten. Nicht weniger war für die ganze Dauer des Krieges
die Hälfte der Steuern erlassen. -- Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß dies, und



") Nicht zum Staatsschatze. Der Hin Verfasser meint damit das persönliche
Vermögen des Landgrafen, dem für die von ihm gelieferten Soldaten die Summe von
D, Red. 21,276,778 Thalern gezahlt wurde,

1832 erschienene Hi»toi>6 an Zon^rat Ilg. ^olle: en ^in<;riciuo. Das Buch
ist mir indeß nicht zur Hand, um nachschlagen zu können, und auch zu einer
weitern Nachforschung konnte ich mich bei der so offenbaren Lügenhaftigkeit
des Briefes nicht verstehen. Was ich mitgetheilt habe, wird. meine ich,
solchen, die sich überhaupt überzeugen lassen wollen, gezeigt haben, daß es
eben nichts Anderes als eine Lüge ist. Aber warum ergeht man sich, wenn
von den deutschen Subsidientruppen im amerikanischen Unabhängigkeitskriege
die Rede ist. immer und immer nur in Vorwürfen gegen Hessen? Waren es
doch nicht blos hessische Truppen, welche dort fochten; auch Brandenburg-
Anspach. Braunschweig, Anhalt und Waldeck hatten Contingente gestellt.
Die Stellung von Subsidientruppen war serner keineswegs etwas Neues,
hat auch noch länger fortgedauert und ist auf dem Festlande erst mit dem
Wegfall des Werbesystems in Abgang gekommen. Allerdings widerstritt es
auch bereits der damaligen Anschauungsweise. Selbst der Erbprinz von Braun¬
schweig schrieb 1776 in einem Briefe: „Ich glaube, daß, wo es nicht direct
zur Vertheidigung des Vaterlandes geht, ein freigeborner Mensch mit Recht
nicht gezwungen werden kann, die Waffen in Canada gegen die dortigen Ein¬
wohner des Landes zu ergreifen." Aber muß man das Verfahren des Land¬
grafen verurtheilen, mag man es schwerem Tadel unterwerfen, so hat doch
jedes Urtheil sein Maß, und man darf auch das nicht vergessen, was mil¬
dernd in die Wagschale fällt. Dahin gehören namentlich die langjährigen
Allianzverbindungen mit England und die nahen verwandtschaftlichen Ver¬
hältnisse, in welchen der Landgraf zu dessen Königshause stand. Es wurden
sodann die Truppen keineswegs den Engländern zur beliebigen Verfügung
gestellt. Man hatte vielmehr im Tractate ausbedungen, daß sie stets ein ge¬
schlossenes selbststündiges Corps unter eignem hessischen Commando bilden
und nirgend anderswo als in Nordamerika verwendet werden sollten, und
als England später auf den Wegfall dieser letzten Beschränkung drang, weil
es die Soldaten auf den ungesunden westindischen Inseln zu benutzen wünschte,
war der Landgraf durch nichts dazu zu bewegen. Haben endlich auch die
von England bezogenen Summen den Grund zu dem hessischen Schatze gelegt*)
so wurden dieselben doch keineswegs sämmtlich aufgespeichert. Ein großer
Theil wurde wieder im Lande verwendet und selbst durch den Krieg ein rei¬
cher Verdienst für die Unterthanen geschaffen, weil vertragsmäßig alle für
das Armeecorps erforderlichen Montirungs- und Armaturbedürfnisse aus Hessen
bezogen werden mußten. Nicht weniger war für die ganze Dauer des Krieges
die Hälfte der Steuern erlassen. — Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß dies, und



") Nicht zum Staatsschatze. Der Hin Verfasser meint damit das persönliche
Vermögen des Landgrafen, dem für die von ihm gelieferten Soldaten die Summe von
D, Red. 21,276,778 Thalern gezahlt wurde,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/108>, abgerufen am 22.07.2024.