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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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versehen sein könnte, vom Feinde genommen würden, oder aus dem Meere
verloren gingen, so wird der König von Großbritannien die Kosten zu den
nöthigen Rekruten, wie auch den Werth gedachter Feldstücke und Effecten
bezahlen lassen, um die Artillerie und Regimenter oder Compagnien sogleich
wieder in Stand zu setzen, und diese Rekruten sollen gleichfalls nach dem
Fuße derjenigen, welche den hessischen Offiziers, vermöge des 5. Artikels des
Contracts von 1702 geliefert worden sind, regulirt werden, damit das Corps
jederzeit in ebenso gutem Stande erhalten und dereinst zurückgesendet werde,
worin es übertragen worden, und die jährlich nöthigen Rekruten sollen den
englischen Commissarien in den Waffen geübt und völlig equipirt an dem
Einschiffungsorte und zu der von S. großbr. Maj. anzuzeigenden Zeit geliefert
werden."

Für jeden zum Ersatz eintretenden Rekruten sollen also 30 Thlr. als
Werbegeld gezahlt werden, dagegen ist aber in dem Vertrage nirgend die
Rede von einer Vergütung für den todtgebliebenen Soldaten. Nun aber be¬
trachte man die Zahlen, welche der Brief aufführt. Danach hätte das Leben
des armen Soldaten doch einen sehr respectablen Werth. Indeß ist der Ver¬
sasser auch hierbei wieder mit einem so unbegreiflichen Leichtsinne zu Werke ge¬
gangen, daß er die angegebenen Beträge nicht einmal in ein Verhältniß zu¬
einander gestellt hat. Denn wenn für 1650 Mann 643,500 Gulden berechnet
werden, so kommen für den Mann 390 Gulden heraus; bei 1450 Mann
und 483,450 Gulden fallen auf den Einzelnen nur 33312/2" Gulden, und der
Werth des Einzelnen bei 300 Mann und 160,050 Gulden steigert sich sogar
auf 533 V" Gulden. Es ist also nicht einmal Consequenz in der Lüge.

Allerdings haben die an England zu verschiedenen Malen gestellten Sub-
sidicntruppcn große Summen eingebracht. Dies geschah aber nicht durch jene
30 Thlr. Werbegelder. England zahlte vielmehr nicht nur den Sold für sämmt¬
liche Truppen nach englischem Fuße, sondern auch noch jährlich sehr bedeutende,
festbestimmte. eigentliche Subsidiengelder. Doch genug! Ich glaube nach jeder
Richtung hin den vollsten Beweis geliefert zu haben, daß der fragliche Brief
nichts mehr und nichts weniger ist, als ein ungeschicktes und leichtfertiges
Machwerk, so grenzenlos leichtsinnig hingeworfen, daß man darüber staunen
muß, wie denkende Männer demselben jemals auch nur einigen Glauben
schenken konnten. Man hatte wenigstens von deutschen Autoren erwarten
sollen, daß sie der Lüge schärfer ins Antlitz gesehen hätten, als dies die ameri¬
kanischen Zeitungen zu thun Pflegen, welche von Zeit zu Zeit den Brief von
neuem mittheilen, um ihren Lesern ein Stück deutscher Tyrannei zu zeigen.

Wer dies abgeschmackte Product zuerst veröffentlicht hat, kann ich nicht
sagen. Löser sagt bei seiner Mittheilung, es "solle" in Eugen Regnaults
Denkwürdigkeiten abgedruckt stehen. Wahrscheinlich meint er Regnault Warins


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versehen sein könnte, vom Feinde genommen würden, oder aus dem Meere
verloren gingen, so wird der König von Großbritannien die Kosten zu den
nöthigen Rekruten, wie auch den Werth gedachter Feldstücke und Effecten
bezahlen lassen, um die Artillerie und Regimenter oder Compagnien sogleich
wieder in Stand zu setzen, und diese Rekruten sollen gleichfalls nach dem
Fuße derjenigen, welche den hessischen Offiziers, vermöge des 5. Artikels des
Contracts von 1702 geliefert worden sind, regulirt werden, damit das Corps
jederzeit in ebenso gutem Stande erhalten und dereinst zurückgesendet werde,
worin es übertragen worden, und die jährlich nöthigen Rekruten sollen den
englischen Commissarien in den Waffen geübt und völlig equipirt an dem
Einschiffungsorte und zu der von S. großbr. Maj. anzuzeigenden Zeit geliefert
werden."

Für jeden zum Ersatz eintretenden Rekruten sollen also 30 Thlr. als
Werbegeld gezahlt werden, dagegen ist aber in dem Vertrage nirgend die
Rede von einer Vergütung für den todtgebliebenen Soldaten. Nun aber be¬
trachte man die Zahlen, welche der Brief aufführt. Danach hätte das Leben
des armen Soldaten doch einen sehr respectablen Werth. Indeß ist der Ver¬
sasser auch hierbei wieder mit einem so unbegreiflichen Leichtsinne zu Werke ge¬
gangen, daß er die angegebenen Beträge nicht einmal in ein Verhältniß zu¬
einander gestellt hat. Denn wenn für 1650 Mann 643,500 Gulden berechnet
werden, so kommen für den Mann 390 Gulden heraus; bei 1450 Mann
und 483,450 Gulden fallen auf den Einzelnen nur 33312/2» Gulden, und der
Werth des Einzelnen bei 300 Mann und 160,050 Gulden steigert sich sogar
auf 533 V« Gulden. Es ist also nicht einmal Consequenz in der Lüge.

Allerdings haben die an England zu verschiedenen Malen gestellten Sub-
sidicntruppcn große Summen eingebracht. Dies geschah aber nicht durch jene
30 Thlr. Werbegelder. England zahlte vielmehr nicht nur den Sold für sämmt¬
liche Truppen nach englischem Fuße, sondern auch noch jährlich sehr bedeutende,
festbestimmte. eigentliche Subsidiengelder. Doch genug! Ich glaube nach jeder
Richtung hin den vollsten Beweis geliefert zu haben, daß der fragliche Brief
nichts mehr und nichts weniger ist, als ein ungeschicktes und leichtfertiges
Machwerk, so grenzenlos leichtsinnig hingeworfen, daß man darüber staunen
muß, wie denkende Männer demselben jemals auch nur einigen Glauben
schenken konnten. Man hatte wenigstens von deutschen Autoren erwarten
sollen, daß sie der Lüge schärfer ins Antlitz gesehen hätten, als dies die ameri¬
kanischen Zeitungen zu thun Pflegen, welche von Zeit zu Zeit den Brief von
neuem mittheilen, um ihren Lesern ein Stück deutscher Tyrannei zu zeigen.

Wer dies abgeschmackte Product zuerst veröffentlicht hat, kann ich nicht
sagen. Löser sagt bei seiner Mittheilung, es „solle" in Eugen Regnaults
Denkwürdigkeiten abgedruckt stehen. Wahrscheinlich meint er Regnault Warins


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/107>, abgerufen am 22.07.2024.