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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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unter welchen das Land schwer zu leiden hatte. Aber sie waren anderer Na¬
tur. Sie entsprangen aus seiner Vorliebe zu äußerem Glänze und einer Be¬
vorzugung des Fremden, wodurch zahlreiche französische und italienische Aben¬
teuerer herangezogen wurden und häufig zu einem Einflüsse gelangten, dessen
Folgen noch lange nachher fühlbar waren"). Das aber, wozu ihn der Brief
stempelt, war er nicht.

Wie ganz anders er über jenen Vorfall dachte und fühlte, davon geben
die sofort an Heister und dessen Nachfolger erlassenen Schreiben die beste Kunde.
Dieselben sind den kriegsgerichtlichen Untersuchungsacten im Auszuge beigefügt,
und ich kann mich nicht enthalten, dieselben hier mitzutheilen.

Am 7. April 177? erließ der Landgraf zwei Schreiben an die Generale
von Heister und von Knyphausen. In dem an den erstern heißt es:

"Nach den nun eingelaufenen Berichten kann nicht bergen, daß, so groß
und lebhaft Meine Freude über das rühmliche Betragen Meiner Truppen bei
ihrer Ankunft in Amerika war, desto größer jetzt Mein Erstaunen und Un¬
willen ist über den unglückseligen Vorfall bei Trentown, den der Herr General¬
lieutenant unterm 5. Jan. meldet. Es gereicht nicht nur dieser Verlust von
so vielen geschlossenen Regimentern mit ihren Fahnen und Canons Meinen
Truppen zum ewigem Vorwurf, sondern Ich muß aus verschiedenen Relations,
welche Mir davon zu Gesicht gekommen, auch schließen, daß diese Regimenter
weder ihrer Schuldigkeit noch Ehre eingedenk gewesen, die selbige sonst vor¬
her sich erworben hatten. Ich behalte Mir vor über solchen schändlichen Vor¬
fall, der nichts anders als die Folge einer gänzlichen Verabsäumung aller
Disciplin und gehörigen Ordnung sein kann, Meine weitere Entschließung zu
nehmen, wann Ich von den wahren Umstünden werde besser informire wor¬
den sein . . .

Der Oberst Rail ist nach seiner Anciennet6 noch lange nicht der älteste
gewesen -, der Herr Generallieutenant Hütte also in diesem Betracht ihm keine
Brigade anvertrauen, sondern den ültesten Oberst dazu nehmen sollen, wenn
auch solcher gleich denen auf staken oder Long Island ehedem gelegenen Re¬
gimentern Hütte weggenommen und zu deren Uebernehmung hätte beordert
werden müssen."

An Knyphausen schrieb der Landgraf:

"Gewohnt, wie Ich bin, die Ehre Meiner Truppen über alles zu schätzen,
konnte Ich keine empfindlichere, noch unglücklichere Nachricht erhalten, als die,
daß ich bei Trentown drei Regimenter, diese aber in einem unglücklichen
Augenblick eine wohlerworbene und lange behauptete Reputation verloren.
Nichts als eine gänzliche Hintansetzung aller Ordnung und Disciplin kann
uns diese Schande zugezogen haben.



D- Red. Der Landgraf^vurde beiläufig auch katholisch.

unter welchen das Land schwer zu leiden hatte. Aber sie waren anderer Na¬
tur. Sie entsprangen aus seiner Vorliebe zu äußerem Glänze und einer Be¬
vorzugung des Fremden, wodurch zahlreiche französische und italienische Aben¬
teuerer herangezogen wurden und häufig zu einem Einflüsse gelangten, dessen
Folgen noch lange nachher fühlbar waren"). Das aber, wozu ihn der Brief
stempelt, war er nicht.

Wie ganz anders er über jenen Vorfall dachte und fühlte, davon geben
die sofort an Heister und dessen Nachfolger erlassenen Schreiben die beste Kunde.
Dieselben sind den kriegsgerichtlichen Untersuchungsacten im Auszuge beigefügt,
und ich kann mich nicht enthalten, dieselben hier mitzutheilen.

Am 7. April 177? erließ der Landgraf zwei Schreiben an die Generale
von Heister und von Knyphausen. In dem an den erstern heißt es:

„Nach den nun eingelaufenen Berichten kann nicht bergen, daß, so groß
und lebhaft Meine Freude über das rühmliche Betragen Meiner Truppen bei
ihrer Ankunft in Amerika war, desto größer jetzt Mein Erstaunen und Un¬
willen ist über den unglückseligen Vorfall bei Trentown, den der Herr General¬
lieutenant unterm 5. Jan. meldet. Es gereicht nicht nur dieser Verlust von
so vielen geschlossenen Regimentern mit ihren Fahnen und Canons Meinen
Truppen zum ewigem Vorwurf, sondern Ich muß aus verschiedenen Relations,
welche Mir davon zu Gesicht gekommen, auch schließen, daß diese Regimenter
weder ihrer Schuldigkeit noch Ehre eingedenk gewesen, die selbige sonst vor¬
her sich erworben hatten. Ich behalte Mir vor über solchen schändlichen Vor¬
fall, der nichts anders als die Folge einer gänzlichen Verabsäumung aller
Disciplin und gehörigen Ordnung sein kann, Meine weitere Entschließung zu
nehmen, wann Ich von den wahren Umstünden werde besser informire wor¬
den sein . . .

Der Oberst Rail ist nach seiner Anciennet6 noch lange nicht der älteste
gewesen -, der Herr Generallieutenant Hütte also in diesem Betracht ihm keine
Brigade anvertrauen, sondern den ültesten Oberst dazu nehmen sollen, wenn
auch solcher gleich denen auf staken oder Long Island ehedem gelegenen Re¬
gimentern Hütte weggenommen und zu deren Uebernehmung hätte beordert
werden müssen."

An Knyphausen schrieb der Landgraf:

„Gewohnt, wie Ich bin, die Ehre Meiner Truppen über alles zu schätzen,
konnte Ich keine empfindlichere, noch unglücklichere Nachricht erhalten, als die,
daß ich bei Trentown drei Regimenter, diese aber in einem unglücklichen
Augenblick eine wohlerworbene und lange behauptete Reputation verloren.
Nichts als eine gänzliche Hintansetzung aller Ordnung und Disciplin kann
uns diese Schande zugezogen haben.



D- Red. Der Landgraf^vurde beiläufig auch katholisch.
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[0104] unter welchen das Land schwer zu leiden hatte. Aber sie waren anderer Na¬ tur. Sie entsprangen aus seiner Vorliebe zu äußerem Glänze und einer Be¬ vorzugung des Fremden, wodurch zahlreiche französische und italienische Aben¬ teuerer herangezogen wurden und häufig zu einem Einflüsse gelangten, dessen Folgen noch lange nachher fühlbar waren"). Das aber, wozu ihn der Brief stempelt, war er nicht. Wie ganz anders er über jenen Vorfall dachte und fühlte, davon geben die sofort an Heister und dessen Nachfolger erlassenen Schreiben die beste Kunde. Dieselben sind den kriegsgerichtlichen Untersuchungsacten im Auszuge beigefügt, und ich kann mich nicht enthalten, dieselben hier mitzutheilen. Am 7. April 177? erließ der Landgraf zwei Schreiben an die Generale von Heister und von Knyphausen. In dem an den erstern heißt es: „Nach den nun eingelaufenen Berichten kann nicht bergen, daß, so groß und lebhaft Meine Freude über das rühmliche Betragen Meiner Truppen bei ihrer Ankunft in Amerika war, desto größer jetzt Mein Erstaunen und Un¬ willen ist über den unglückseligen Vorfall bei Trentown, den der Herr General¬ lieutenant unterm 5. Jan. meldet. Es gereicht nicht nur dieser Verlust von so vielen geschlossenen Regimentern mit ihren Fahnen und Canons Meinen Truppen zum ewigem Vorwurf, sondern Ich muß aus verschiedenen Relations, welche Mir davon zu Gesicht gekommen, auch schließen, daß diese Regimenter weder ihrer Schuldigkeit noch Ehre eingedenk gewesen, die selbige sonst vor¬ her sich erworben hatten. Ich behalte Mir vor über solchen schändlichen Vor¬ fall, der nichts anders als die Folge einer gänzlichen Verabsäumung aller Disciplin und gehörigen Ordnung sein kann, Meine weitere Entschließung zu nehmen, wann Ich von den wahren Umstünden werde besser informire wor¬ den sein . . . Der Oberst Rail ist nach seiner Anciennet6 noch lange nicht der älteste gewesen -, der Herr Generallieutenant Hütte also in diesem Betracht ihm keine Brigade anvertrauen, sondern den ültesten Oberst dazu nehmen sollen, wenn auch solcher gleich denen auf staken oder Long Island ehedem gelegenen Re¬ gimentern Hütte weggenommen und zu deren Uebernehmung hätte beordert werden müssen." An Knyphausen schrieb der Landgraf: „Gewohnt, wie Ich bin, die Ehre Meiner Truppen über alles zu schätzen, konnte Ich keine empfindlichere, noch unglücklichere Nachricht erhalten, als die, daß ich bei Trentown drei Regimenter, diese aber in einem unglücklichen Augenblick eine wohlerworbene und lange behauptete Reputation verloren. Nichts als eine gänzliche Hintansetzung aller Ordnung und Disciplin kann uns diese Schande zugezogen haben. D- Red. Der Landgraf^vurde beiläufig auch katholisch.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/104>, abgerufen am 22.07.2024.