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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Und selbst mittelst dieser würde es nicht möglich gewesen sein, zumal sogar
auch mit London schon Verhandlungen gepflogen worden sein sollen.

Nicht schon um 27. Dec. berichtete Heister den Unfall, sondern erst am
5. Jan. und erst im Anfange des März bringen die deutschen Zeitungen die
Kunde davon. Auch am 5. Jan. vermochte Heister noch keine Angabe über
die Größe des Verlustes zu machen, ja nach zwei vollen Jahren, im Dec.
1778, hatte man noch keine Gewißheit darüber. Da Oberst Rail, der Conr-
mandirende zu Trenton, schwer verwundet schon am 27. Dec. gestorben, und
alle Papiere in die Hände der Amerikaner gefallen waren, so wußte man
nicht einmal, wie stark an jenem Tage die drei Regimenter gewesen waren,
und auch noch 1781 war man darüber in derselben Unklarheit. Erst durch
zahlreiche von dem in Bezug auf die Sache niedergesetzten Kriegsgerichte be¬
wirkte Vernehmungen gelang es, den Verlust mit einiger Sicherheit festzu¬
stellen. Derselbe betrug darnach an Getödteten 17; an Verwundeten 78; an
Gefangenen 84 Offiziere, 25 Trommler und 759 Soldaten*). Die drei Re¬
gimenter waren sehr geschwächt gewesen, indem sie durch das Gefecht bei
White Plain, durch die Erstürmung des Forts Washington und durch fort¬
währende starke Märsche in Schnee und Eis einen bedeutenden Abgang er¬
litten hatten. Was das Unglück überhaupt möglich machte, war lediglich die
Verachtung des Feindes. Oberst Rail hatte alle, auch die gewöhnlichsten Vor¬
sichtsmaßregeln vernachlässigt, trotzdem er von vielen Seiten gewarnt worden
war. Als nun der Feind plötzlich in großer Ueberzahl angriff, fehlte, well
für diesen Fall auch nicht die mindeste Disposition getroffen war, jede Ein¬
heit des Handelns, und es entstand die größte Verwirrung, welche durch die
bald eintretende tödtliche Verwundung Rails noch gesteigert wurde. Da auch
die im Rücken der Hessen liegende, über einen ziemlich tiefen Creek führende
Brücke von den Amerikanern schnell mit einer ansehnlichen Truppenmasse be¬
setzt worden war, so blieb den hessischen Truppen auch bei dem besten Willen
kein anderer Ausweg übrig, als das Gewehr zu strecken. Nur Einzelne ver¬
mochten sich dadurch zu retten, daß sie den an 4 Fuß tiefen Creek durch¬
wateten, und ebenso entgingen auch diejenigen Truppen, welche unter dem
Obersten von Donop jenseits des Creek lagen, der Gefangenschaft. Die An¬
gabe des Briefs in Bezug auf den Verlust ist zu lächerlich, als daß sie einer
ernsten Widerlegung bedürfte. Die ganze Affaire war von der Art, daß ein
anhaltender Widerstand der Truppen schlechterdings unmöglich war.

Die in dem Briefe sich kundgebenden Gefühle und Anschauungen sind
überhaupt dem Landgrafen Friedrich II. durchaus fremd. Dieser Fürst war
nichts weniger als geizig. Wol hatte auch er Fehler und darunter solche,



") Sparks in seinem Leben Washingtons gibt den hessischen Verlust auf etwa rooo Ge¬
fangene an; getödtet seien 6 Offiziere und 20--so Soldaten.

Und selbst mittelst dieser würde es nicht möglich gewesen sein, zumal sogar
auch mit London schon Verhandlungen gepflogen worden sein sollen.

Nicht schon um 27. Dec. berichtete Heister den Unfall, sondern erst am
5. Jan. und erst im Anfange des März bringen die deutschen Zeitungen die
Kunde davon. Auch am 5. Jan. vermochte Heister noch keine Angabe über
die Größe des Verlustes zu machen, ja nach zwei vollen Jahren, im Dec.
1778, hatte man noch keine Gewißheit darüber. Da Oberst Rail, der Conr-
mandirende zu Trenton, schwer verwundet schon am 27. Dec. gestorben, und
alle Papiere in die Hände der Amerikaner gefallen waren, so wußte man
nicht einmal, wie stark an jenem Tage die drei Regimenter gewesen waren,
und auch noch 1781 war man darüber in derselben Unklarheit. Erst durch
zahlreiche von dem in Bezug auf die Sache niedergesetzten Kriegsgerichte be¬
wirkte Vernehmungen gelang es, den Verlust mit einiger Sicherheit festzu¬
stellen. Derselbe betrug darnach an Getödteten 17; an Verwundeten 78; an
Gefangenen 84 Offiziere, 25 Trommler und 759 Soldaten*). Die drei Re¬
gimenter waren sehr geschwächt gewesen, indem sie durch das Gefecht bei
White Plain, durch die Erstürmung des Forts Washington und durch fort¬
währende starke Märsche in Schnee und Eis einen bedeutenden Abgang er¬
litten hatten. Was das Unglück überhaupt möglich machte, war lediglich die
Verachtung des Feindes. Oberst Rail hatte alle, auch die gewöhnlichsten Vor¬
sichtsmaßregeln vernachlässigt, trotzdem er von vielen Seiten gewarnt worden
war. Als nun der Feind plötzlich in großer Ueberzahl angriff, fehlte, well
für diesen Fall auch nicht die mindeste Disposition getroffen war, jede Ein¬
heit des Handelns, und es entstand die größte Verwirrung, welche durch die
bald eintretende tödtliche Verwundung Rails noch gesteigert wurde. Da auch
die im Rücken der Hessen liegende, über einen ziemlich tiefen Creek führende
Brücke von den Amerikanern schnell mit einer ansehnlichen Truppenmasse be¬
setzt worden war, so blieb den hessischen Truppen auch bei dem besten Willen
kein anderer Ausweg übrig, als das Gewehr zu strecken. Nur Einzelne ver¬
mochten sich dadurch zu retten, daß sie den an 4 Fuß tiefen Creek durch¬
wateten, und ebenso entgingen auch diejenigen Truppen, welche unter dem
Obersten von Donop jenseits des Creek lagen, der Gefangenschaft. Die An¬
gabe des Briefs in Bezug auf den Verlust ist zu lächerlich, als daß sie einer
ernsten Widerlegung bedürfte. Die ganze Affaire war von der Art, daß ein
anhaltender Widerstand der Truppen schlechterdings unmöglich war.

Die in dem Briefe sich kundgebenden Gefühle und Anschauungen sind
überhaupt dem Landgrafen Friedrich II. durchaus fremd. Dieser Fürst war
nichts weniger als geizig. Wol hatte auch er Fehler und darunter solche,



«) Sparks in seinem Leben Washingtons gibt den hessischen Verlust auf etwa rooo Ge¬
fangene an; getödtet seien 6 Offiziere und 20—so Soldaten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/103>, abgerufen am 22.07.2024.