Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

punkt der deutschen Entwickelung in Preußen gefunden habe. Die Beweis¬
führung S. 115 ist ungewöhnlich. "Fichte sagt in seinen Gesprächen über
Patriotismus: der in Preußen lebende Deutsche könne nichts Anderes wollen,
als daß, zunächst in dieser Staatseinheit, der deutsche Nationalcharakter her¬
vortrete und von da sich über die übrigen deutschen Stämme verbreite."
"Nur einmal in einer Stelle des Entwurfs zu einer politischen Schrift vom
Frühjahr 1813, hat Fichte etwas wie den "deutschen Beruf Preußens"
im Auge. Die Frage behandelnd, welcher von beiden deutschen Großstaaten
geeigneter sei für ein deutsches Kaiserthum/ räumt er Preußen den Vorzug
ein. weil es nicht wie Oestreich außerdeutsche Interessen zu verfechten habe.
Der Geist seiner bisherigen Geschichte, setzt er hinzu, zwingt es fortzuschreiten
in der Freiheit, in den Schritten zum Reiche, nur so kann es fortexistiren,
sonst geht es zu Grunde." -- Damit ist natürlich bewiesen, daß Fichte den
Schwerpunkt deutscher Entwickelung nicht in Preußen findet; um so mehr da er
hinzusetzt, daß diejenige Partei, die auf Absonderung Preußens von Deutsch¬
land dränge, gegen den preußischen Geist handele. -- Offener geht der
dritte Mitarbeiter zu Werk, der sich N. unterzeichnet, und das Leben des Mi¬
nisters Brück beschreibt. Oestreich ist unter allen deutschen Staaten der ein¬
zige, der nicht durch Auflehnung gegen Kaiser und Reich entstanden ist;
"aber die Consequenzen dieser Abnormität kamen eben nur bei Preußen, die¬
sem ganz bürgerlich durch Kauf entstandenen, auf keiner naturwüchsigen Stamm¬
grundlage fußender, durch seine ganze Stellung zu ehrgeizigen Plänen beson¬
ders berufenen Staate mit seiner vorwiegend protestantischen und verständig-
kritischen Bevölkerung zur Reife und Ausbildung." Wie gemein sieht doch
dieser bürgerliche Ursprung Preußens aus, da das aristokratische Oestreich
sich durch Heirathen vermehrt hat.


IZolls, Mi'3.M alii, tu deux ^.u"erit>,, nul>0!

In Folge dieses verschiedenen Ursprungs hat Preußen stets zwischen Li¬
beralismus und Reaction geschwankt, "während man in Oestreich in der
Abwehr der freiheitlichen Elemente sich immer getreu blieb." (S. 125) 1849
ist für Oestreich die Periode der Umkehr, "nicht zwar in dem Sinn einer
Angliederung, wie man ihn bei Preußen vorfand, wol aber in dem, künftig¬
hin für Deutschland zu werden, was es immer hätte sein sollen: als erster
deutscher Großstaat auch erster Vertreter der deutschen Nationalinteressen,
Deutschland Stärke gebend und von Deutschland Stärke erhaltend." Ja
wol! Die Paciscirung Hessen-Kassels und Schleswig-Holsteins waren der
Anfang. -- Nun werden die bruckschen Denkschriften über die deutsche Handels¬
einigung paraphrasirt, mit dem Refrain: "man wird bekennen, mit einer
Organisation, wie die hier in Aussicht genommene, wäre ungefähr dasjenige
gegeben, was vom nationalen Gesichtspunkt für das Gedeihen unserer Volks-


punkt der deutschen Entwickelung in Preußen gefunden habe. Die Beweis¬
führung S. 115 ist ungewöhnlich. „Fichte sagt in seinen Gesprächen über
Patriotismus: der in Preußen lebende Deutsche könne nichts Anderes wollen,
als daß, zunächst in dieser Staatseinheit, der deutsche Nationalcharakter her¬
vortrete und von da sich über die übrigen deutschen Stämme verbreite."
„Nur einmal in einer Stelle des Entwurfs zu einer politischen Schrift vom
Frühjahr 1813, hat Fichte etwas wie den „deutschen Beruf Preußens"
im Auge. Die Frage behandelnd, welcher von beiden deutschen Großstaaten
geeigneter sei für ein deutsches Kaiserthum/ räumt er Preußen den Vorzug
ein. weil es nicht wie Oestreich außerdeutsche Interessen zu verfechten habe.
Der Geist seiner bisherigen Geschichte, setzt er hinzu, zwingt es fortzuschreiten
in der Freiheit, in den Schritten zum Reiche, nur so kann es fortexistiren,
sonst geht es zu Grunde." — Damit ist natürlich bewiesen, daß Fichte den
Schwerpunkt deutscher Entwickelung nicht in Preußen findet; um so mehr da er
hinzusetzt, daß diejenige Partei, die auf Absonderung Preußens von Deutsch¬
land dränge, gegen den preußischen Geist handele. — Offener geht der
dritte Mitarbeiter zu Werk, der sich N. unterzeichnet, und das Leben des Mi¬
nisters Brück beschreibt. Oestreich ist unter allen deutschen Staaten der ein¬
zige, der nicht durch Auflehnung gegen Kaiser und Reich entstanden ist;
„aber die Consequenzen dieser Abnormität kamen eben nur bei Preußen, die¬
sem ganz bürgerlich durch Kauf entstandenen, auf keiner naturwüchsigen Stamm¬
grundlage fußender, durch seine ganze Stellung zu ehrgeizigen Plänen beson¬
ders berufenen Staate mit seiner vorwiegend protestantischen und verständig-
kritischen Bevölkerung zur Reife und Ausbildung." Wie gemein sieht doch
dieser bürgerliche Ursprung Preußens aus, da das aristokratische Oestreich
sich durch Heirathen vermehrt hat.


IZolls, Mi'3.M alii, tu deux ^.u«erit>,, nul>0!

In Folge dieses verschiedenen Ursprungs hat Preußen stets zwischen Li¬
beralismus und Reaction geschwankt, „während man in Oestreich in der
Abwehr der freiheitlichen Elemente sich immer getreu blieb." (S. 125) 1849
ist für Oestreich die Periode der Umkehr, „nicht zwar in dem Sinn einer
Angliederung, wie man ihn bei Preußen vorfand, wol aber in dem, künftig¬
hin für Deutschland zu werden, was es immer hätte sein sollen: als erster
deutscher Großstaat auch erster Vertreter der deutschen Nationalinteressen,
Deutschland Stärke gebend und von Deutschland Stärke erhaltend." Ja
wol! Die Paciscirung Hessen-Kassels und Schleswig-Holsteins waren der
Anfang. — Nun werden die bruckschen Denkschriften über die deutsche Handels¬
einigung paraphrasirt, mit dem Refrain: „man wird bekennen, mit einer
Organisation, wie die hier in Aussicht genommene, wäre ungefähr dasjenige
gegeben, was vom nationalen Gesichtspunkt für das Gedeihen unserer Volks-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105355"/>
            <p xml:id="ID_162" prev="#ID_161"> punkt der deutschen Entwickelung in Preußen gefunden habe. Die Beweis¬<lb/>
führung S. 115 ist ungewöhnlich. &#x201E;Fichte sagt in seinen Gesprächen über<lb/>
Patriotismus: der in Preußen lebende Deutsche könne nichts Anderes wollen,<lb/>
als daß, zunächst in dieser Staatseinheit, der deutsche Nationalcharakter her¬<lb/>
vortrete und von da sich über die übrigen deutschen Stämme verbreite."<lb/>
&#x201E;Nur einmal in einer Stelle des Entwurfs zu einer politischen Schrift vom<lb/>
Frühjahr 1813, hat Fichte etwas wie den &#x201E;deutschen Beruf Preußens"<lb/>
im Auge. Die Frage behandelnd, welcher von beiden deutschen Großstaaten<lb/>
geeigneter sei für ein deutsches Kaiserthum/ räumt er Preußen den Vorzug<lb/>
ein. weil es nicht wie Oestreich außerdeutsche Interessen zu verfechten habe.<lb/>
Der Geist seiner bisherigen Geschichte, setzt er hinzu, zwingt es fortzuschreiten<lb/>
in der Freiheit, in den Schritten zum Reiche, nur so kann es fortexistiren,<lb/>
sonst geht es zu Grunde." &#x2014; Damit ist natürlich bewiesen, daß Fichte den<lb/>
Schwerpunkt deutscher Entwickelung nicht in Preußen findet; um so mehr da er<lb/>
hinzusetzt, daß diejenige Partei, die auf Absonderung Preußens von Deutsch¬<lb/>
land dränge, gegen den preußischen Geist handele. &#x2014; Offener geht der<lb/>
dritte Mitarbeiter zu Werk, der sich N. unterzeichnet, und das Leben des Mi¬<lb/>
nisters Brück beschreibt. Oestreich ist unter allen deutschen Staaten der ein¬<lb/>
zige, der nicht durch Auflehnung gegen Kaiser und Reich entstanden ist;<lb/>
&#x201E;aber die Consequenzen dieser Abnormität kamen eben nur bei Preußen, die¬<lb/>
sem ganz bürgerlich durch Kauf entstandenen, auf keiner naturwüchsigen Stamm¬<lb/>
grundlage fußender, durch seine ganze Stellung zu ehrgeizigen Plänen beson¬<lb/>
ders berufenen Staate mit seiner vorwiegend protestantischen und verständig-<lb/>
kritischen Bevölkerung zur Reife und Ausbildung." Wie gemein sieht doch<lb/>
dieser bürgerliche Ursprung Preußens aus, da das aristokratische Oestreich<lb/>
sich durch Heirathen vermehrt hat.</p><lb/>
            <quote> IZolls, Mi'3.M alii, tu deux ^.u«erit&gt;,, nul&gt;0!</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_163" next="#ID_164"> In Folge dieses verschiedenen Ursprungs hat Preußen stets zwischen Li¬<lb/>
beralismus und Reaction geschwankt, &#x201E;während man in Oestreich in der<lb/>
Abwehr der freiheitlichen Elemente sich immer getreu blieb." (S. 125) 1849<lb/>
ist für Oestreich die Periode der Umkehr, &#x201E;nicht zwar in dem Sinn einer<lb/>
Angliederung, wie man ihn bei Preußen vorfand, wol aber in dem, künftig¬<lb/>
hin für Deutschland zu werden, was es immer hätte sein sollen: als erster<lb/>
deutscher Großstaat auch erster Vertreter der deutschen Nationalinteressen,<lb/>
Deutschland Stärke gebend und von Deutschland Stärke erhaltend." Ja<lb/>
wol! Die Paciscirung Hessen-Kassels und Schleswig-Holsteins waren der<lb/>
Anfang. &#x2014; Nun werden die bruckschen Denkschriften über die deutsche Handels¬<lb/>
einigung paraphrasirt, mit dem Refrain: &#x201E;man wird bekennen, mit einer<lb/>
Organisation, wie die hier in Aussicht genommene, wäre ungefähr dasjenige<lb/>
gegeben, was vom nationalen Gesichtspunkt für das Gedeihen unserer Volks-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0078] punkt der deutschen Entwickelung in Preußen gefunden habe. Die Beweis¬ führung S. 115 ist ungewöhnlich. „Fichte sagt in seinen Gesprächen über Patriotismus: der in Preußen lebende Deutsche könne nichts Anderes wollen, als daß, zunächst in dieser Staatseinheit, der deutsche Nationalcharakter her¬ vortrete und von da sich über die übrigen deutschen Stämme verbreite." „Nur einmal in einer Stelle des Entwurfs zu einer politischen Schrift vom Frühjahr 1813, hat Fichte etwas wie den „deutschen Beruf Preußens" im Auge. Die Frage behandelnd, welcher von beiden deutschen Großstaaten geeigneter sei für ein deutsches Kaiserthum/ räumt er Preußen den Vorzug ein. weil es nicht wie Oestreich außerdeutsche Interessen zu verfechten habe. Der Geist seiner bisherigen Geschichte, setzt er hinzu, zwingt es fortzuschreiten in der Freiheit, in den Schritten zum Reiche, nur so kann es fortexistiren, sonst geht es zu Grunde." — Damit ist natürlich bewiesen, daß Fichte den Schwerpunkt deutscher Entwickelung nicht in Preußen findet; um so mehr da er hinzusetzt, daß diejenige Partei, die auf Absonderung Preußens von Deutsch¬ land dränge, gegen den preußischen Geist handele. — Offener geht der dritte Mitarbeiter zu Werk, der sich N. unterzeichnet, und das Leben des Mi¬ nisters Brück beschreibt. Oestreich ist unter allen deutschen Staaten der ein¬ zige, der nicht durch Auflehnung gegen Kaiser und Reich entstanden ist; „aber die Consequenzen dieser Abnormität kamen eben nur bei Preußen, die¬ sem ganz bürgerlich durch Kauf entstandenen, auf keiner naturwüchsigen Stamm¬ grundlage fußender, durch seine ganze Stellung zu ehrgeizigen Plänen beson¬ ders berufenen Staate mit seiner vorwiegend protestantischen und verständig- kritischen Bevölkerung zur Reife und Ausbildung." Wie gemein sieht doch dieser bürgerliche Ursprung Preußens aus, da das aristokratische Oestreich sich durch Heirathen vermehrt hat. IZolls, Mi'3.M alii, tu deux ^.u«erit>,, nul>0! In Folge dieses verschiedenen Ursprungs hat Preußen stets zwischen Li¬ beralismus und Reaction geschwankt, „während man in Oestreich in der Abwehr der freiheitlichen Elemente sich immer getreu blieb." (S. 125) 1849 ist für Oestreich die Periode der Umkehr, „nicht zwar in dem Sinn einer Angliederung, wie man ihn bei Preußen vorfand, wol aber in dem, künftig¬ hin für Deutschland zu werden, was es immer hätte sein sollen: als erster deutscher Großstaat auch erster Vertreter der deutschen Nationalinteressen, Deutschland Stärke gebend und von Deutschland Stärke erhaltend." Ja wol! Die Paciscirung Hessen-Kassels und Schleswig-Holsteins waren der Anfang. — Nun werden die bruckschen Denkschriften über die deutsche Handels¬ einigung paraphrasirt, mit dem Refrain: „man wird bekennen, mit einer Organisation, wie die hier in Aussicht genommene, wäre ungefähr dasjenige gegeben, was vom nationalen Gesichtspunkt für das Gedeihen unserer Volks-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/78
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/78>, abgerufen am 27.07.2024.