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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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lösten. Aber da erfahre ich, das, auch Poppenhäuser Kinder wären mit weg¬
genommen worden, und dazu der Marsch auf viele Straßen gegangen wäre,
dazu ein Bote Leibes und Lebens unsicher wäre. Unterdessen bereiten meine
Pfarrkinder zu Poppenhausen eine Kuh. welche den Kriegsleuten entlaufen,
diese erwartete ich mit hungrigem Magen. Da aßen wir Fleisch genug ohne
Salz und Brot. Ueber der Mahlzeit kam mir Post, mein Weib wäre gekom¬
men, welches auch wahr, und also zugegangen war. Sie war von etlichen
Musketieren mit sammt ihren zwei Kindern mitgenommen worden bis Altenhau-
sen, dort war sie aus Furcht der Ehre mit zwei Kindern über die Brücke ins Wasser
gesprungen. Da war sie nun von den Soldaten selbst wieder herausgezogen wor¬
den, und mit ins Dorf gebracht worden, wo sie in der Küche die Abendmahl¬
zeit zuschicken helfen mußte. Unterdes? kommt ein Haufe anderer Soldaten, die
höher und mehr waren, und trieben diese aus dem Quartier. Da bekommt mein
Weib Gelegenheit zu entlaufen. Drehet sich aus. und läßt die 2 Kinder im
Haus uuter den Soldaten. Eine arme Bettelfrau führet sie durch heimliche
Winkel aus dem Dorf, und bringt sie ins Holz, in eine alte Spelunke, darin
sie die Nacht und den andern Tag bis gegen Abend verbleibt. Diesen Tag
brach das Boll aus allen Quartieren auf. also macht sich meine Frau aus.
und kam gesund und in Ehren zu mir. daß wir alle frol, waren und Gott
dankten. --

Wie es aber zu Heldburg mit Mord. Brand etc. hergegangen, will ich auch
melden. Die Stadt Heldburg hatte Defensioner und Ausschuß und es war decre-
tut. wenn Truppen vom Feind ankamen, die Stadt zu defcndiren. Denn
man hoffte immer. Herzog Bernhards Völker sollten nicht weit sein, und das
Land entsetzen. Da es nun am h. Michaelistage 32 anging, wichen unsere reichsten
Bürger und Rathsherrn aus mit Wagen und Pferden. Mein H. Schwäher
aber war gesetzt zum Pulverthurm, daß er täglich der Wache Lunten. Kugeln
und Pulver mußte austheilen, daher ihm nicht geziemen wollte, die Stadt,
wie andere thaten, zu dcseriren. Darüber er nicht allein in seinem Haus von
einem Reuter gestochen ward, sondern sich also verblutet, daß er gar matt
wurde. Als nun die Stadt angezündet ward, eilet er mit vielen andern
Bürgern und Bürgersleuten aus der Stadt, und kommt mit meinem Weib
und zwei Kindern in der Nacht nach Poppenhausen, mein Weib richtet ihm ein
recht Krcmkenbettiein zu. Denn es war von Edelleuten und Boigten mein
Pfarrhaus mit allerlei Hausgeräth gestöhret/, Und obgleich Mauser darin
gewesen, war doch noch genug da. Des Tags kommt eine ganzer Haufe
Reiter ins Pfarrhaus. exanuniren die Meinigen, lassen sie aber passiren, weil
da ein Beschädigter lag. bestellen die Nachtmahlzeit, ziehen fort aufs Beulen.



") Flöhnen, flüchten, dann d.is Geflüchtet- unterbnn^en.
""rcnzl'oder I. IM".

lösten. Aber da erfahre ich, das, auch Poppenhäuser Kinder wären mit weg¬
genommen worden, und dazu der Marsch auf viele Straßen gegangen wäre,
dazu ein Bote Leibes und Lebens unsicher wäre. Unterdessen bereiten meine
Pfarrkinder zu Poppenhausen eine Kuh. welche den Kriegsleuten entlaufen,
diese erwartete ich mit hungrigem Magen. Da aßen wir Fleisch genug ohne
Salz und Brot. Ueber der Mahlzeit kam mir Post, mein Weib wäre gekom¬
men, welches auch wahr, und also zugegangen war. Sie war von etlichen
Musketieren mit sammt ihren zwei Kindern mitgenommen worden bis Altenhau-
sen, dort war sie aus Furcht der Ehre mit zwei Kindern über die Brücke ins Wasser
gesprungen. Da war sie nun von den Soldaten selbst wieder herausgezogen wor¬
den, und mit ins Dorf gebracht worden, wo sie in der Küche die Abendmahl¬
zeit zuschicken helfen mußte. Unterdes? kommt ein Haufe anderer Soldaten, die
höher und mehr waren, und trieben diese aus dem Quartier. Da bekommt mein
Weib Gelegenheit zu entlaufen. Drehet sich aus. und läßt die 2 Kinder im
Haus uuter den Soldaten. Eine arme Bettelfrau führet sie durch heimliche
Winkel aus dem Dorf, und bringt sie ins Holz, in eine alte Spelunke, darin
sie die Nacht und den andern Tag bis gegen Abend verbleibt. Diesen Tag
brach das Boll aus allen Quartieren auf. also macht sich meine Frau aus.
und kam gesund und in Ehren zu mir. daß wir alle frol, waren und Gott
dankten. —

Wie es aber zu Heldburg mit Mord. Brand etc. hergegangen, will ich auch
melden. Die Stadt Heldburg hatte Defensioner und Ausschuß und es war decre-
tut. wenn Truppen vom Feind ankamen, die Stadt zu defcndiren. Denn
man hoffte immer. Herzog Bernhards Völker sollten nicht weit sein, und das
Land entsetzen. Da es nun am h. Michaelistage 32 anging, wichen unsere reichsten
Bürger und Rathsherrn aus mit Wagen und Pferden. Mein H. Schwäher
aber war gesetzt zum Pulverthurm, daß er täglich der Wache Lunten. Kugeln
und Pulver mußte austheilen, daher ihm nicht geziemen wollte, die Stadt,
wie andere thaten, zu dcseriren. Darüber er nicht allein in seinem Haus von
einem Reuter gestochen ward, sondern sich also verblutet, daß er gar matt
wurde. Als nun die Stadt angezündet ward, eilet er mit vielen andern
Bürgern und Bürgersleuten aus der Stadt, und kommt mit meinem Weib
und zwei Kindern in der Nacht nach Poppenhausen, mein Weib richtet ihm ein
recht Krcmkenbettiein zu. Denn es war von Edelleuten und Boigten mein
Pfarrhaus mit allerlei Hausgeräth gestöhret/, Und obgleich Mauser darin
gewesen, war doch noch genug da. Des Tags kommt eine ganzer Haufe
Reiter ins Pfarrhaus. exanuniren die Meinigen, lassen sie aber passiren, weil
da ein Beschädigter lag. bestellen die Nachtmahlzeit, ziehen fort aufs Beulen.



") Flöhnen, flüchten, dann d.is Geflüchtet- unterbnn^en.
««rcnzl'oder I. IM».
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[0065] lösten. Aber da erfahre ich, das, auch Poppenhäuser Kinder wären mit weg¬ genommen worden, und dazu der Marsch auf viele Straßen gegangen wäre, dazu ein Bote Leibes und Lebens unsicher wäre. Unterdessen bereiten meine Pfarrkinder zu Poppenhausen eine Kuh. welche den Kriegsleuten entlaufen, diese erwartete ich mit hungrigem Magen. Da aßen wir Fleisch genug ohne Salz und Brot. Ueber der Mahlzeit kam mir Post, mein Weib wäre gekom¬ men, welches auch wahr, und also zugegangen war. Sie war von etlichen Musketieren mit sammt ihren zwei Kindern mitgenommen worden bis Altenhau- sen, dort war sie aus Furcht der Ehre mit zwei Kindern über die Brücke ins Wasser gesprungen. Da war sie nun von den Soldaten selbst wieder herausgezogen wor¬ den, und mit ins Dorf gebracht worden, wo sie in der Küche die Abendmahl¬ zeit zuschicken helfen mußte. Unterdes? kommt ein Haufe anderer Soldaten, die höher und mehr waren, und trieben diese aus dem Quartier. Da bekommt mein Weib Gelegenheit zu entlaufen. Drehet sich aus. und läßt die 2 Kinder im Haus uuter den Soldaten. Eine arme Bettelfrau führet sie durch heimliche Winkel aus dem Dorf, und bringt sie ins Holz, in eine alte Spelunke, darin sie die Nacht und den andern Tag bis gegen Abend verbleibt. Diesen Tag brach das Boll aus allen Quartieren auf. also macht sich meine Frau aus. und kam gesund und in Ehren zu mir. daß wir alle frol, waren und Gott dankten. — Wie es aber zu Heldburg mit Mord. Brand etc. hergegangen, will ich auch melden. Die Stadt Heldburg hatte Defensioner und Ausschuß und es war decre- tut. wenn Truppen vom Feind ankamen, die Stadt zu defcndiren. Denn man hoffte immer. Herzog Bernhards Völker sollten nicht weit sein, und das Land entsetzen. Da es nun am h. Michaelistage 32 anging, wichen unsere reichsten Bürger und Rathsherrn aus mit Wagen und Pferden. Mein H. Schwäher aber war gesetzt zum Pulverthurm, daß er täglich der Wache Lunten. Kugeln und Pulver mußte austheilen, daher ihm nicht geziemen wollte, die Stadt, wie andere thaten, zu dcseriren. Darüber er nicht allein in seinem Haus von einem Reuter gestochen ward, sondern sich also verblutet, daß er gar matt wurde. Als nun die Stadt angezündet ward, eilet er mit vielen andern Bürgern und Bürgersleuten aus der Stadt, und kommt mit meinem Weib und zwei Kindern in der Nacht nach Poppenhausen, mein Weib richtet ihm ein recht Krcmkenbettiein zu. Denn es war von Edelleuten und Boigten mein Pfarrhaus mit allerlei Hausgeräth gestöhret/, Und obgleich Mauser darin gewesen, war doch noch genug da. Des Tags kommt eine ganzer Haufe Reiter ins Pfarrhaus. exanuniren die Meinigen, lassen sie aber passiren, weil da ein Beschädigter lag. bestellen die Nachtmahlzeit, ziehen fort aufs Beulen. ") Flöhnen, flüchten, dann d.is Geflüchtet- unterbnn^en. ««rcnzl'oder I. IM».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/65>, abgerufen am 27.07.2024.