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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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kommen gegen Abend und bringen Raub allerlei. Da muß man sieden und
braten, helfen auch die benachbarten Weiberlein weidlich dazu. Da die Reiter aber
aufbrechen, rathen sie meinem Schwiegervater, er solle nicht wohl trauen,
dieser Lärm werde noch 8 Tage dauern, und weil die Straße daher ginge,
möchte er und seine Tochter Gewalt erfahren, drum sollte er, weil die nächsten
Dörfer papistisch wären, sich in ein anderes Dorf machen. Das thut mein
Schwiegervater und geht bei Nacht und Nebel gen Gleichmuthausen, Sicher¬
heit zu haben; aber die gottlosen Nachbarn bringen ein Geschrei aus, daß
die Reiter die lutherischen Leute wollten verbrennen und erschlagen. Sie
thätens aber zu ihrem Vvrcheil, denn die Papisten liefen mit den Reitern
in unsere Dörfer und Häuser, stahlen ja so sehr als andere. Da wollte mein
Schwiegervater auch dort nicht länger verbleiben, ging mit den Seinigen ins Ein¬
öder Holz und blieb da Tag und Nacht. Macht sich darnach hervor, daß er
auf die Heldburger Straße gegen Einöd sehen konnte; als er nun eines Tags
niemand sonderlichs auf der Straße weder fahren noch reiten sah, und auch das
kleine Glöcklein, so man pflegt zu läuten, wenn man Kinder tauft, hörte,
gedachte er, es wäre so. schleicht der Stadt näher zu, und sieht den ganzen
Weg nichts Hinderliches. Sobald er aber in die Stadt kommt, wird ihm
nachgelauscht, wo er einkehre. Da kommt ein ganzer Haus Drossen und
führen ihn und mein Weib und Schwiegerin in Herrn Göckels Haus. Ach,
da war ein Banquettiren und Gehäuse! Als er nun angestrengt wird, Geld zu
geben, und allerlei vorwcndct, haben sie ihm mit Talglichtern seine Augen,
Bart und Maul scheußlich geschmieret und verherget, mein Weib aber un¬
verschämt in der Stube vor jedermann wollen nothzüchtigen, welche aber so
sehr schrie, daß ihre Mutter mit Gewalt in die Stube sprang, und sie durch
die Stubenthür, welche zwar zu. aber das untere Feld, das mit Leisten künst¬
lich eingemacht und zerbrochen war, herausschlüpft. Da hat sich der Koch
über sie erbarmt und sie aus dem Haus geführt; und als ihm mein Weib
etliche Ducaten (welche sie 8 Tage lang vorn im Ueberschlag an ihrem
Ermel erhalten), gegeben, hat er meinen Schwäher, (aber übel zugerichtet)
ihr zugestellt. Also sind sie mehr todt als lebendig aus der Stadt gegangen,
und weil er der Mattigkeit halber nicht weiter kommen mögen, ins
Siechhaus. Da hielten sich auf nicht allein die armen siechen Leute, sondern
auch viele ehrbare Bürger und Weiber, in Hoffnung an diesem Ort sicherer
zu sein. Aber weit gefehlt. Obgleich mein Schwüher dem Tod nahe auf ein Bett
gelegt worden, und jedermann sah,- wie blutig und übel er zugerichtet war,
dennoch ist er hin und her geschleppt, und ohne Zweifel von losen Leuten
verrathen worden, daß er ein Reicher wäre. Meine Schwieger hat man ge¬
radelt, mein Weib und Kinder in die Stadt gefangen geführt, sie hat den Sol¬
daten Hemden mache" sollen. Als sie nun auf dem Kirchhof sitzet, und ihr


kommen gegen Abend und bringen Raub allerlei. Da muß man sieden und
braten, helfen auch die benachbarten Weiberlein weidlich dazu. Da die Reiter aber
aufbrechen, rathen sie meinem Schwiegervater, er solle nicht wohl trauen,
dieser Lärm werde noch 8 Tage dauern, und weil die Straße daher ginge,
möchte er und seine Tochter Gewalt erfahren, drum sollte er, weil die nächsten
Dörfer papistisch wären, sich in ein anderes Dorf machen. Das thut mein
Schwiegervater und geht bei Nacht und Nebel gen Gleichmuthausen, Sicher¬
heit zu haben; aber die gottlosen Nachbarn bringen ein Geschrei aus, daß
die Reiter die lutherischen Leute wollten verbrennen und erschlagen. Sie
thätens aber zu ihrem Vvrcheil, denn die Papisten liefen mit den Reitern
in unsere Dörfer und Häuser, stahlen ja so sehr als andere. Da wollte mein
Schwiegervater auch dort nicht länger verbleiben, ging mit den Seinigen ins Ein¬
öder Holz und blieb da Tag und Nacht. Macht sich darnach hervor, daß er
auf die Heldburger Straße gegen Einöd sehen konnte; als er nun eines Tags
niemand sonderlichs auf der Straße weder fahren noch reiten sah, und auch das
kleine Glöcklein, so man pflegt zu läuten, wenn man Kinder tauft, hörte,
gedachte er, es wäre so. schleicht der Stadt näher zu, und sieht den ganzen
Weg nichts Hinderliches. Sobald er aber in die Stadt kommt, wird ihm
nachgelauscht, wo er einkehre. Da kommt ein ganzer Haus Drossen und
führen ihn und mein Weib und Schwiegerin in Herrn Göckels Haus. Ach,
da war ein Banquettiren und Gehäuse! Als er nun angestrengt wird, Geld zu
geben, und allerlei vorwcndct, haben sie ihm mit Talglichtern seine Augen,
Bart und Maul scheußlich geschmieret und verherget, mein Weib aber un¬
verschämt in der Stube vor jedermann wollen nothzüchtigen, welche aber so
sehr schrie, daß ihre Mutter mit Gewalt in die Stube sprang, und sie durch
die Stubenthür, welche zwar zu. aber das untere Feld, das mit Leisten künst¬
lich eingemacht und zerbrochen war, herausschlüpft. Da hat sich der Koch
über sie erbarmt und sie aus dem Haus geführt; und als ihm mein Weib
etliche Ducaten (welche sie 8 Tage lang vorn im Ueberschlag an ihrem
Ermel erhalten), gegeben, hat er meinen Schwäher, (aber übel zugerichtet)
ihr zugestellt. Also sind sie mehr todt als lebendig aus der Stadt gegangen,
und weil er der Mattigkeit halber nicht weiter kommen mögen, ins
Siechhaus. Da hielten sich auf nicht allein die armen siechen Leute, sondern
auch viele ehrbare Bürger und Weiber, in Hoffnung an diesem Ort sicherer
zu sein. Aber weit gefehlt. Obgleich mein Schwüher dem Tod nahe auf ein Bett
gelegt worden, und jedermann sah,- wie blutig und übel er zugerichtet war,
dennoch ist er hin und her geschleppt, und ohne Zweifel von losen Leuten
verrathen worden, daß er ein Reicher wäre. Meine Schwieger hat man ge¬
radelt, mein Weib und Kinder in die Stadt gefangen geführt, sie hat den Sol¬
daten Hemden mache» sollen. Als sie nun auf dem Kirchhof sitzet, und ihr


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[0066] kommen gegen Abend und bringen Raub allerlei. Da muß man sieden und braten, helfen auch die benachbarten Weiberlein weidlich dazu. Da die Reiter aber aufbrechen, rathen sie meinem Schwiegervater, er solle nicht wohl trauen, dieser Lärm werde noch 8 Tage dauern, und weil die Straße daher ginge, möchte er und seine Tochter Gewalt erfahren, drum sollte er, weil die nächsten Dörfer papistisch wären, sich in ein anderes Dorf machen. Das thut mein Schwiegervater und geht bei Nacht und Nebel gen Gleichmuthausen, Sicher¬ heit zu haben; aber die gottlosen Nachbarn bringen ein Geschrei aus, daß die Reiter die lutherischen Leute wollten verbrennen und erschlagen. Sie thätens aber zu ihrem Vvrcheil, denn die Papisten liefen mit den Reitern in unsere Dörfer und Häuser, stahlen ja so sehr als andere. Da wollte mein Schwiegervater auch dort nicht länger verbleiben, ging mit den Seinigen ins Ein¬ öder Holz und blieb da Tag und Nacht. Macht sich darnach hervor, daß er auf die Heldburger Straße gegen Einöd sehen konnte; als er nun eines Tags niemand sonderlichs auf der Straße weder fahren noch reiten sah, und auch das kleine Glöcklein, so man pflegt zu läuten, wenn man Kinder tauft, hörte, gedachte er, es wäre so. schleicht der Stadt näher zu, und sieht den ganzen Weg nichts Hinderliches. Sobald er aber in die Stadt kommt, wird ihm nachgelauscht, wo er einkehre. Da kommt ein ganzer Haus Drossen und führen ihn und mein Weib und Schwiegerin in Herrn Göckels Haus. Ach, da war ein Banquettiren und Gehäuse! Als er nun angestrengt wird, Geld zu geben, und allerlei vorwcndct, haben sie ihm mit Talglichtern seine Augen, Bart und Maul scheußlich geschmieret und verherget, mein Weib aber un¬ verschämt in der Stube vor jedermann wollen nothzüchtigen, welche aber so sehr schrie, daß ihre Mutter mit Gewalt in die Stube sprang, und sie durch die Stubenthür, welche zwar zu. aber das untere Feld, das mit Leisten künst¬ lich eingemacht und zerbrochen war, herausschlüpft. Da hat sich der Koch über sie erbarmt und sie aus dem Haus geführt; und als ihm mein Weib etliche Ducaten (welche sie 8 Tage lang vorn im Ueberschlag an ihrem Ermel erhalten), gegeben, hat er meinen Schwäher, (aber übel zugerichtet) ihr zugestellt. Also sind sie mehr todt als lebendig aus der Stadt gegangen, und weil er der Mattigkeit halber nicht weiter kommen mögen, ins Siechhaus. Da hielten sich auf nicht allein die armen siechen Leute, sondern auch viele ehrbare Bürger und Weiber, in Hoffnung an diesem Ort sicherer zu sein. Aber weit gefehlt. Obgleich mein Schwüher dem Tod nahe auf ein Bett gelegt worden, und jedermann sah,- wie blutig und übel er zugerichtet war, dennoch ist er hin und her geschleppt, und ohne Zweifel von losen Leuten verrathen worden, daß er ein Reicher wäre. Meine Schwieger hat man ge¬ radelt, mein Weib und Kinder in die Stadt gefangen geführt, sie hat den Sol¬ daten Hemden mache» sollen. Als sie nun auf dem Kirchhof sitzet, und ihr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/66>, abgerufen am 22.12.2024.