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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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zu fressen funden, aber nichts zu sausen; da spricht er, er wolle heim und
zu trinken bringen. Weil sie nun gedachten, er möchte ihnen ausreiften, nah¬
men sie das Zinn und Essen alle mit. und kommen in mein Haus. Es wählte
nicht lange, so fordert einer Geld, da er sich nun entschuldigt, stach ihn der
Tropfs mit seinem eigenen Brodmesser, in Gegenwart meines und seines Weibes,
daß er zu Boden sank. Hilft' Gott! wie schrie mein Weib und Kind. Ich
stak in des Baders Haus über dem Stätlein im Stroh, sprang herab und wagte
mich unter sie. Wunder war. daß sie mich in der Harzkappe nicht singen.
Ich nahm meinen Schwätzer, der da wie ein Trunkener taumelte, und trug ihn
in die Badstube, daß er verbunden würde. Ich mußte zusehen, daß einer
eurer Mutter. sB. redet seine Kinder ans die Schuh und Kleider auszog, und
dich, Sohn Michael, auf den Armen trug. Hiermit räumten sie das Haus
und Gassen. Ich wagte mich weiter, ging von Baders Höflcin durch in meines
Schwähers Kammer, trug Kissen und Betten hinüber, worauf wir' ihn legten.
Noch weiter mußt ichs wagen, ging in Keiler, darinnen sein Bruder. Herr
Georg Böhm. Pfarrer zu Lindenau. in 3 Stückfässern 2 Fuder guten Wein
liegen hatte, ich sollte für den Schwäher einen Labetrunk holen, aber die Fäs¬
ser waren oben so fleißig und dichte zugemacht, daß. wenn ich gleich den
Zapfen herausholte, doch nichts heraus laufen wollte, ich mußte gar lang vor
dem Zapfen mit großer Gefahr stehen, ehe ich einen Löffel voll bekam. Kaum
war ich hinüber, kommt ein Schelm in die Badstuben, wirft den Kranken vom
Bett, und sucht alles aus.,. Ich hatte mich nerlich verkrochen unter die Schwitz-
dank, wo ich wol zu schwitzen bekam, denn vorigen Tags war Badetag ge-
Wesen. Weil nun in der Stadt ein Metzeln und ein Niederschießen, auch
uinncmd sicher war. kamen in einer Stund unterschiedliche Bürger, wollten
sia, verbinden lassen. Da gab mein Schwüher zu. daß ich ein Loch suchte
und aus der Stadt käme, mein Weib und Kinder aber wollte er nicht mit
nur lassen. Also ging ich aus die Schloßgärten zu. und kam an der Hohe
hinter das Schloß, daß ich gen Holtzhausen und Gellershausen zu sehen
konnte, obs sicher wäre? Da funden sich Bürger und Weiber zu mir. an nur
einen Trost zu haben, und mit mir zu reisen. Kam also über den Hunds-
Hanger Teich' ins Hatz. und wollte auf den Strauchhahn zu. Als wir nun
bei den Heidcäckern waren, ritten acht Reiter, (waren Kroaten) oben
auf der Höhe. Da sie unser gewahr werden, enannten sie uns eilends. Zwei
Bürger, Kührlein und Brehme. entkamen, ich mußte ain meisten aushalten.
Sie zogen mich eins, Schuhe, Strumpf und Hosen, und ließen mir nur die
Hartzkappe. Mit den Hosen gab ich ihnen meinen Beutel mit Geld, den ich
vor drer Stunden hinten in die Hosen gesteckt und also vor den ersten Man
erhalten hatte. Die Noth war so groß, daß ich nicht an meinen Beutel
gedacht, bis ich ihn das letzte Mal sahe. Forderten 1000 Thlr.. darnach


zu fressen funden, aber nichts zu sausen; da spricht er, er wolle heim und
zu trinken bringen. Weil sie nun gedachten, er möchte ihnen ausreiften, nah¬
men sie das Zinn und Essen alle mit. und kommen in mein Haus. Es wählte
nicht lange, so fordert einer Geld, da er sich nun entschuldigt, stach ihn der
Tropfs mit seinem eigenen Brodmesser, in Gegenwart meines und seines Weibes,
daß er zu Boden sank. Hilft' Gott! wie schrie mein Weib und Kind. Ich
stak in des Baders Haus über dem Stätlein im Stroh, sprang herab und wagte
mich unter sie. Wunder war. daß sie mich in der Harzkappe nicht singen.
Ich nahm meinen Schwätzer, der da wie ein Trunkener taumelte, und trug ihn
in die Badstube, daß er verbunden würde. Ich mußte zusehen, daß einer
eurer Mutter. sB. redet seine Kinder ans die Schuh und Kleider auszog, und
dich, Sohn Michael, auf den Armen trug. Hiermit räumten sie das Haus
und Gassen. Ich wagte mich weiter, ging von Baders Höflcin durch in meines
Schwähers Kammer, trug Kissen und Betten hinüber, worauf wir' ihn legten.
Noch weiter mußt ichs wagen, ging in Keiler, darinnen sein Bruder. Herr
Georg Böhm. Pfarrer zu Lindenau. in 3 Stückfässern 2 Fuder guten Wein
liegen hatte, ich sollte für den Schwäher einen Labetrunk holen, aber die Fäs¬
ser waren oben so fleißig und dichte zugemacht, daß. wenn ich gleich den
Zapfen herausholte, doch nichts heraus laufen wollte, ich mußte gar lang vor
dem Zapfen mit großer Gefahr stehen, ehe ich einen Löffel voll bekam. Kaum
war ich hinüber, kommt ein Schelm in die Badstuben, wirft den Kranken vom
Bett, und sucht alles aus.,. Ich hatte mich nerlich verkrochen unter die Schwitz-
dank, wo ich wol zu schwitzen bekam, denn vorigen Tags war Badetag ge-
Wesen. Weil nun in der Stadt ein Metzeln und ein Niederschießen, auch
uinncmd sicher war. kamen in einer Stund unterschiedliche Bürger, wollten
sia, verbinden lassen. Da gab mein Schwüher zu. daß ich ein Loch suchte
und aus der Stadt käme, mein Weib und Kinder aber wollte er nicht mit
nur lassen. Also ging ich aus die Schloßgärten zu. und kam an der Hohe
hinter das Schloß, daß ich gen Holtzhausen und Gellershausen zu sehen
konnte, obs sicher wäre? Da funden sich Bürger und Weiber zu mir. an nur
einen Trost zu haben, und mit mir zu reisen. Kam also über den Hunds-
Hanger Teich' ins Hatz. und wollte auf den Strauchhahn zu. Als wir nun
bei den Heidcäckern waren, ritten acht Reiter, (waren Kroaten) oben
auf der Höhe. Da sie unser gewahr werden, enannten sie uns eilends. Zwei
Bürger, Kührlein und Brehme. entkamen, ich mußte ain meisten aushalten.
Sie zogen mich eins, Schuhe, Strumpf und Hosen, und ließen mir nur die
Hartzkappe. Mit den Hosen gab ich ihnen meinen Beutel mit Geld, den ich
vor drer Stunden hinten in die Hosen gesteckt und also vor den ersten Man
erhalten hatte. Die Noth war so groß, daß ich nicht an meinen Beutel
gedacht, bis ich ihn das letzte Mal sahe. Forderten 1000 Thlr.. darnach


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[0061] zu fressen funden, aber nichts zu sausen; da spricht er, er wolle heim und zu trinken bringen. Weil sie nun gedachten, er möchte ihnen ausreiften, nah¬ men sie das Zinn und Essen alle mit. und kommen in mein Haus. Es wählte nicht lange, so fordert einer Geld, da er sich nun entschuldigt, stach ihn der Tropfs mit seinem eigenen Brodmesser, in Gegenwart meines und seines Weibes, daß er zu Boden sank. Hilft' Gott! wie schrie mein Weib und Kind. Ich stak in des Baders Haus über dem Stätlein im Stroh, sprang herab und wagte mich unter sie. Wunder war. daß sie mich in der Harzkappe nicht singen. Ich nahm meinen Schwätzer, der da wie ein Trunkener taumelte, und trug ihn in die Badstube, daß er verbunden würde. Ich mußte zusehen, daß einer eurer Mutter. sB. redet seine Kinder ans die Schuh und Kleider auszog, und dich, Sohn Michael, auf den Armen trug. Hiermit räumten sie das Haus und Gassen. Ich wagte mich weiter, ging von Baders Höflcin durch in meines Schwähers Kammer, trug Kissen und Betten hinüber, worauf wir' ihn legten. Noch weiter mußt ichs wagen, ging in Keiler, darinnen sein Bruder. Herr Georg Böhm. Pfarrer zu Lindenau. in 3 Stückfässern 2 Fuder guten Wein liegen hatte, ich sollte für den Schwäher einen Labetrunk holen, aber die Fäs¬ ser waren oben so fleißig und dichte zugemacht, daß. wenn ich gleich den Zapfen herausholte, doch nichts heraus laufen wollte, ich mußte gar lang vor dem Zapfen mit großer Gefahr stehen, ehe ich einen Löffel voll bekam. Kaum war ich hinüber, kommt ein Schelm in die Badstuben, wirft den Kranken vom Bett, und sucht alles aus.,. Ich hatte mich nerlich verkrochen unter die Schwitz- dank, wo ich wol zu schwitzen bekam, denn vorigen Tags war Badetag ge- Wesen. Weil nun in der Stadt ein Metzeln und ein Niederschießen, auch uinncmd sicher war. kamen in einer Stund unterschiedliche Bürger, wollten sia, verbinden lassen. Da gab mein Schwüher zu. daß ich ein Loch suchte und aus der Stadt käme, mein Weib und Kinder aber wollte er nicht mit nur lassen. Also ging ich aus die Schloßgärten zu. und kam an der Hohe hinter das Schloß, daß ich gen Holtzhausen und Gellershausen zu sehen konnte, obs sicher wäre? Da funden sich Bürger und Weiber zu mir. an nur einen Trost zu haben, und mit mir zu reisen. Kam also über den Hunds- Hanger Teich' ins Hatz. und wollte auf den Strauchhahn zu. Als wir nun bei den Heidcäckern waren, ritten acht Reiter, (waren Kroaten) oben auf der Höhe. Da sie unser gewahr werden, enannten sie uns eilends. Zwei Bürger, Kührlein und Brehme. entkamen, ich mußte ain meisten aushalten. Sie zogen mich eins, Schuhe, Strumpf und Hosen, und ließen mir nur die Hartzkappe. Mit den Hosen gab ich ihnen meinen Beutel mit Geld, den ich vor drer Stunden hinten in die Hosen gesteckt und also vor den ersten Man erhalten hatte. Die Noth war so groß, daß ich nicht an meinen Beutel gedacht, bis ich ihn das letzte Mal sahe. Forderten 1000 Thlr.. darnach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/61>, abgerufen am 27.07.2024.