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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Die sehr zahlreichen Beamten dieses Cabinets waren Freigelassene, und ge¬
langten in unscheinbaren Stellungen mitunter zu einem allmächtigen Einfluß,
wie die Beispiele der Cabinetssccrctäre Pallas und Narcissus zeigen, die in
der That in Claudius Namen regierten. Endlich waren die mit der Zeit ins
Grenzenlose vervielfachten Chargen des Hofstaates mit kaiserlichen Sklaven
und Freigelassenen besetzt, und die Macht der Kammerdiener war damals
mindestens nicht kleiner als jetzt. Die Classe der kaiserlichen Militär- und
Hausbeamten, die also selten von hohem, oft vom allerniedrigsten Stande
war, besaß natürlich mit der Macht auch das Ansehn, auf das sie nach dem'
Gesetzbuch des Rangsystems keinen Anspruch hatte. Dergleichen Widersprüche
kommen in allen gesellschaftlichen Zuständen vor, aber niemals sind sie so
massenhaft, so grell und schneidend hervorgetreten, als in der Gesellschaft
des kaiserlichen Roms. Vor dem Freigelassenen, dem das nationale Vorur¬
theil nie die Ebenbürtigkeit mit dem geringsten Freigebornen zugestand, vor
dem Sklaven, dem das Recht selbst die Persönlichkeit absprach, erniedrigten
sich die Abkömmlinge der erlauchtesten Familien oft zu sklavischer Demuth,
und die höchsten Würdenträger der Monarchie wetteiferten in Beweisen von
Ehrerbietung gegen diese so tief verachteten Menschen.

Das Prototyp des ganzen geselligen Verkehrs in Rom war der Hof,
dessen Einrichtungen, Formen und Ceremoniel in den übrigen großen Häu¬
sern mehr oder minder genau nachgeahmt wurden. Die Personen, die an den
Hof gezogen wurden, wählte der Kaiser selbst, wobei durchaus nicht Stand
und Rang, sondern persönliche Eigenschaften maßgebend waren. August nahm
die hervorragendsten Mitglieder seiner Elite, wie bemerkt, absichtlich aus dem
Ritterstande, auch griechische Philosophen, Gelehrte und Literaten wurden
der täglichen Tischgenossenschaft des Kaisers gewürdigt. Diese Personen
führten den Namen Freunde und Begleiter des Kaisers, der mit der Zeit zum
förmlichen Titel wurde. Sie bildeten sein Gefolge, begleiteten ihn auf Reisen
und speisten-an seiner Tafel; sielen sie in Ungnade, so wurden sie davon
ausgeschlossen. Ein Theil der Hofdienerschaft war eigens zu ihrer Bedienung
bestimmt. Da die Kaiser selbst noch in späterer Zeit öfter sich als hoch¬
gestellte Privatleute zu geriren liebten, wechselten sie mit dieser Elite allerlei
Höflichkeiten, nahmen Einladungen an ihre Tafeln an, besuchten sie in Krank¬
heiten (wenn sie sehr herablassend waren, ohne Leibwache) und erwiesen ihnen
die letzte Ehre. Die Elite der kaiserlichen Freunde zerfiel in Classen, es gab
Freunde erster, zweiter und dritter Classe, (eine Einteilung, die schon
C. Gracchus getroffen haben soll), von denen die ersten zu Einzelaudienzen ge¬
zogen, die nächstfolgenden gruppenweise, die letzten nur in Masse vorgelassen
wurden. Diese Classenunterschiede wurden überhaupt genau festgehalten, z. B.
bei der Vertheilung von Geldgeschenken und Legaten, wo die zweite Classe


Die sehr zahlreichen Beamten dieses Cabinets waren Freigelassene, und ge¬
langten in unscheinbaren Stellungen mitunter zu einem allmächtigen Einfluß,
wie die Beispiele der Cabinetssccrctäre Pallas und Narcissus zeigen, die in
der That in Claudius Namen regierten. Endlich waren die mit der Zeit ins
Grenzenlose vervielfachten Chargen des Hofstaates mit kaiserlichen Sklaven
und Freigelassenen besetzt, und die Macht der Kammerdiener war damals
mindestens nicht kleiner als jetzt. Die Classe der kaiserlichen Militär- und
Hausbeamten, die also selten von hohem, oft vom allerniedrigsten Stande
war, besaß natürlich mit der Macht auch das Ansehn, auf das sie nach dem'
Gesetzbuch des Rangsystems keinen Anspruch hatte. Dergleichen Widersprüche
kommen in allen gesellschaftlichen Zuständen vor, aber niemals sind sie so
massenhaft, so grell und schneidend hervorgetreten, als in der Gesellschaft
des kaiserlichen Roms. Vor dem Freigelassenen, dem das nationale Vorur¬
theil nie die Ebenbürtigkeit mit dem geringsten Freigebornen zugestand, vor
dem Sklaven, dem das Recht selbst die Persönlichkeit absprach, erniedrigten
sich die Abkömmlinge der erlauchtesten Familien oft zu sklavischer Demuth,
und die höchsten Würdenträger der Monarchie wetteiferten in Beweisen von
Ehrerbietung gegen diese so tief verachteten Menschen.

Das Prototyp des ganzen geselligen Verkehrs in Rom war der Hof,
dessen Einrichtungen, Formen und Ceremoniel in den übrigen großen Häu¬
sern mehr oder minder genau nachgeahmt wurden. Die Personen, die an den
Hof gezogen wurden, wählte der Kaiser selbst, wobei durchaus nicht Stand
und Rang, sondern persönliche Eigenschaften maßgebend waren. August nahm
die hervorragendsten Mitglieder seiner Elite, wie bemerkt, absichtlich aus dem
Ritterstande, auch griechische Philosophen, Gelehrte und Literaten wurden
der täglichen Tischgenossenschaft des Kaisers gewürdigt. Diese Personen
führten den Namen Freunde und Begleiter des Kaisers, der mit der Zeit zum
förmlichen Titel wurde. Sie bildeten sein Gefolge, begleiteten ihn auf Reisen
und speisten-an seiner Tafel; sielen sie in Ungnade, so wurden sie davon
ausgeschlossen. Ein Theil der Hofdienerschaft war eigens zu ihrer Bedienung
bestimmt. Da die Kaiser selbst noch in späterer Zeit öfter sich als hoch¬
gestellte Privatleute zu geriren liebten, wechselten sie mit dieser Elite allerlei
Höflichkeiten, nahmen Einladungen an ihre Tafeln an, besuchten sie in Krank¬
heiten (wenn sie sehr herablassend waren, ohne Leibwache) und erwiesen ihnen
die letzte Ehre. Die Elite der kaiserlichen Freunde zerfiel in Classen, es gab
Freunde erster, zweiter und dritter Classe, (eine Einteilung, die schon
C. Gracchus getroffen haben soll), von denen die ersten zu Einzelaudienzen ge¬
zogen, die nächstfolgenden gruppenweise, die letzten nur in Masse vorgelassen
wurden. Diese Classenunterschiede wurden überhaupt genau festgehalten, z. B.
bei der Vertheilung von Geldgeschenken und Legaten, wo die zweite Classe


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[0054] Die sehr zahlreichen Beamten dieses Cabinets waren Freigelassene, und ge¬ langten in unscheinbaren Stellungen mitunter zu einem allmächtigen Einfluß, wie die Beispiele der Cabinetssccrctäre Pallas und Narcissus zeigen, die in der That in Claudius Namen regierten. Endlich waren die mit der Zeit ins Grenzenlose vervielfachten Chargen des Hofstaates mit kaiserlichen Sklaven und Freigelassenen besetzt, und die Macht der Kammerdiener war damals mindestens nicht kleiner als jetzt. Die Classe der kaiserlichen Militär- und Hausbeamten, die also selten von hohem, oft vom allerniedrigsten Stande war, besaß natürlich mit der Macht auch das Ansehn, auf das sie nach dem' Gesetzbuch des Rangsystems keinen Anspruch hatte. Dergleichen Widersprüche kommen in allen gesellschaftlichen Zuständen vor, aber niemals sind sie so massenhaft, so grell und schneidend hervorgetreten, als in der Gesellschaft des kaiserlichen Roms. Vor dem Freigelassenen, dem das nationale Vorur¬ theil nie die Ebenbürtigkeit mit dem geringsten Freigebornen zugestand, vor dem Sklaven, dem das Recht selbst die Persönlichkeit absprach, erniedrigten sich die Abkömmlinge der erlauchtesten Familien oft zu sklavischer Demuth, und die höchsten Würdenträger der Monarchie wetteiferten in Beweisen von Ehrerbietung gegen diese so tief verachteten Menschen. Das Prototyp des ganzen geselligen Verkehrs in Rom war der Hof, dessen Einrichtungen, Formen und Ceremoniel in den übrigen großen Häu¬ sern mehr oder minder genau nachgeahmt wurden. Die Personen, die an den Hof gezogen wurden, wählte der Kaiser selbst, wobei durchaus nicht Stand und Rang, sondern persönliche Eigenschaften maßgebend waren. August nahm die hervorragendsten Mitglieder seiner Elite, wie bemerkt, absichtlich aus dem Ritterstande, auch griechische Philosophen, Gelehrte und Literaten wurden der täglichen Tischgenossenschaft des Kaisers gewürdigt. Diese Personen führten den Namen Freunde und Begleiter des Kaisers, der mit der Zeit zum förmlichen Titel wurde. Sie bildeten sein Gefolge, begleiteten ihn auf Reisen und speisten-an seiner Tafel; sielen sie in Ungnade, so wurden sie davon ausgeschlossen. Ein Theil der Hofdienerschaft war eigens zu ihrer Bedienung bestimmt. Da die Kaiser selbst noch in späterer Zeit öfter sich als hoch¬ gestellte Privatleute zu geriren liebten, wechselten sie mit dieser Elite allerlei Höflichkeiten, nahmen Einladungen an ihre Tafeln an, besuchten sie in Krank¬ heiten (wenn sie sehr herablassend waren, ohne Leibwache) und erwiesen ihnen die letzte Ehre. Die Elite der kaiserlichen Freunde zerfiel in Classen, es gab Freunde erster, zweiter und dritter Classe, (eine Einteilung, die schon C. Gracchus getroffen haben soll), von denen die ersten zu Einzelaudienzen ge¬ zogen, die nächstfolgenden gruppenweise, die letzten nur in Masse vorgelassen wurden. Diese Classenunterschiede wurden überhaupt genau festgehalten, z. B. bei der Vertheilung von Geldgeschenken und Legaten, wo die zweite Classe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/54>, abgerufen am 27.07.2024.