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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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beiden ersten Ständen so groß, so trennte vollends den ersten vom dritten
eine unermeßliche Kluft. Ein Senator prätorischen Ranges, der unter Domi-
tian wegen eines zweifelhaften Vergehens angeklagt, die freiwillige Verbannung
der sichern Veurtheilung vorzog, sah sich genöthigt, zu seinem Lebensunter¬
halt in Sicilien Unterricht in der Beredsamkeit zu ertheilen. Einst als er
vor seinem Auditorium auftrat, sagte er in der Einleitung seiner Rede : "Welches
Spiel treibst du mit uns. Fortuna! du machst aus Senatoren Professoren, aus
Professoren Senatoren!" In diesem Satz, sagt der jüngere Plinius, ist so viel
Galle, so viel Bitterkeit, das; ich glaube, er hat das Lehramt nur übernom¬
men . um dies sagen zu tonnen. Der zweite Theil dieser Antithese spielt
wahrscheinlich auf den berühmten Rhetor Quintilian an, der längere Zeit eine
öffentliche Professur bekleidet hatte, und darauf von Domitian zum Prmzen-
crzicher gemacht und durch Verleihung der consularischen Insignien geehrt
wurde, eine Standeserhöhung, die später noch einigen Prinzenlehrern zu Theil
wurde, aber offenbar selten war und großes Aufsehen erregte. Alle Stande
vereinigten sich übrigens in der entschiedensten Geringschätzung der Ausländer,
besonders wenn sie so unglücklich waren, unfrei geboren zu sein. Man mochte
sich vor ihnen noch so tief demüthigen, wenn sie reich und mächtig waren,
man dünkte sich doch unendlich mehr als sie.

Während der senatorische Stand die höchste Stufe des gesellschaftlichen
Rangsystems einnahm, hatte er doch als solcher nur einen sehr geringen An¬
theil an der Regierungsgewalt. Es war ein oberster Grundsatz der von Au-
Aust begründeten cüsarischcn Politik, den Schwerpunkt der wirklichen Macht
außerhalb der Aristokratie zu legen, weil nur von dieser eine bedenkliche
Opposition zu befürchten war, und dieser Grundsatz ist so lange beibehalten
worden, bis (im dritten Jahrhundert) die Besorgnis; vor dem ^mal gänzlich
geschwunden, war. Deshalb wurden die lieugcschaffenen, mit der Macht be¬
kleideten Behörden, die den alten Staatsämtern entzogen war. zum Theil
mit Rittern beseM, wie namentlich das Commando der Garden, dessen In¬
haber schon unter Tiber die erste Person nach dem Kaiser war, später, wo er
auch die höchste Gerichtsbarkeit und das Recht erlangte. Rescripte mit Gesetzes¬
kraft zu erlassen, eine beinahe der kaiserlichen gleichkommende Macht besaß.
Auch die Vicekönige mehrer Provinzen, die als kaiserliche Domänen admini-
stirt wurden, waren Ritter, (namentlich der wichtigsten. Aegypten, die ohne
kaiserliche Erlaubnis; ein Senator nicht einmal betreten durste), zum Theil
sogar Freigelassene, z. B. Felix, der Procumtor von Judäa. Auch in den
Eabinetsrath. der mehr und mehr die factische Bedeutung erhielt, die der
Senat nur noch dem Scheine nach besaß, zogen die Kaiser Männer aus dem
Nitterstmide. dem auch Augusts vertrautester Rath Mäcen, ohne Zweisel im
Einverständnis; mit seinem kaiserlichen Freunde, bis zu seinem Ende angehörte.


beiden ersten Ständen so groß, so trennte vollends den ersten vom dritten
eine unermeßliche Kluft. Ein Senator prätorischen Ranges, der unter Domi-
tian wegen eines zweifelhaften Vergehens angeklagt, die freiwillige Verbannung
der sichern Veurtheilung vorzog, sah sich genöthigt, zu seinem Lebensunter¬
halt in Sicilien Unterricht in der Beredsamkeit zu ertheilen. Einst als er
vor seinem Auditorium auftrat, sagte er in der Einleitung seiner Rede : „Welches
Spiel treibst du mit uns. Fortuna! du machst aus Senatoren Professoren, aus
Professoren Senatoren!" In diesem Satz, sagt der jüngere Plinius, ist so viel
Galle, so viel Bitterkeit, das; ich glaube, er hat das Lehramt nur übernom¬
men . um dies sagen zu tonnen. Der zweite Theil dieser Antithese spielt
wahrscheinlich auf den berühmten Rhetor Quintilian an, der längere Zeit eine
öffentliche Professur bekleidet hatte, und darauf von Domitian zum Prmzen-
crzicher gemacht und durch Verleihung der consularischen Insignien geehrt
wurde, eine Standeserhöhung, die später noch einigen Prinzenlehrern zu Theil
wurde, aber offenbar selten war und großes Aufsehen erregte. Alle Stande
vereinigten sich übrigens in der entschiedensten Geringschätzung der Ausländer,
besonders wenn sie so unglücklich waren, unfrei geboren zu sein. Man mochte
sich vor ihnen noch so tief demüthigen, wenn sie reich und mächtig waren,
man dünkte sich doch unendlich mehr als sie.

Während der senatorische Stand die höchste Stufe des gesellschaftlichen
Rangsystems einnahm, hatte er doch als solcher nur einen sehr geringen An¬
theil an der Regierungsgewalt. Es war ein oberster Grundsatz der von Au-
Aust begründeten cüsarischcn Politik, den Schwerpunkt der wirklichen Macht
außerhalb der Aristokratie zu legen, weil nur von dieser eine bedenkliche
Opposition zu befürchten war, und dieser Grundsatz ist so lange beibehalten
worden, bis (im dritten Jahrhundert) die Besorgnis; vor dem ^mal gänzlich
geschwunden, war. Deshalb wurden die lieugcschaffenen, mit der Macht be¬
kleideten Behörden, die den alten Staatsämtern entzogen war. zum Theil
mit Rittern beseM, wie namentlich das Commando der Garden, dessen In¬
haber schon unter Tiber die erste Person nach dem Kaiser war, später, wo er
auch die höchste Gerichtsbarkeit und das Recht erlangte. Rescripte mit Gesetzes¬
kraft zu erlassen, eine beinahe der kaiserlichen gleichkommende Macht besaß.
Auch die Vicekönige mehrer Provinzen, die als kaiserliche Domänen admini-
stirt wurden, waren Ritter, (namentlich der wichtigsten. Aegypten, die ohne
kaiserliche Erlaubnis; ein Senator nicht einmal betreten durste), zum Theil
sogar Freigelassene, z. B. Felix, der Procumtor von Judäa. Auch in den
Eabinetsrath. der mehr und mehr die factische Bedeutung erhielt, die der
Senat nur noch dem Scheine nach besaß, zogen die Kaiser Männer aus dem
Nitterstmide. dem auch Augusts vertrautester Rath Mäcen, ohne Zweisel im
Einverständnis; mit seinem kaiserlichen Freunde, bis zu seinem Ende angehörte.


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[0053] beiden ersten Ständen so groß, so trennte vollends den ersten vom dritten eine unermeßliche Kluft. Ein Senator prätorischen Ranges, der unter Domi- tian wegen eines zweifelhaften Vergehens angeklagt, die freiwillige Verbannung der sichern Veurtheilung vorzog, sah sich genöthigt, zu seinem Lebensunter¬ halt in Sicilien Unterricht in der Beredsamkeit zu ertheilen. Einst als er vor seinem Auditorium auftrat, sagte er in der Einleitung seiner Rede : „Welches Spiel treibst du mit uns. Fortuna! du machst aus Senatoren Professoren, aus Professoren Senatoren!" In diesem Satz, sagt der jüngere Plinius, ist so viel Galle, so viel Bitterkeit, das; ich glaube, er hat das Lehramt nur übernom¬ men . um dies sagen zu tonnen. Der zweite Theil dieser Antithese spielt wahrscheinlich auf den berühmten Rhetor Quintilian an, der längere Zeit eine öffentliche Professur bekleidet hatte, und darauf von Domitian zum Prmzen- crzicher gemacht und durch Verleihung der consularischen Insignien geehrt wurde, eine Standeserhöhung, die später noch einigen Prinzenlehrern zu Theil wurde, aber offenbar selten war und großes Aufsehen erregte. Alle Stande vereinigten sich übrigens in der entschiedensten Geringschätzung der Ausländer, besonders wenn sie so unglücklich waren, unfrei geboren zu sein. Man mochte sich vor ihnen noch so tief demüthigen, wenn sie reich und mächtig waren, man dünkte sich doch unendlich mehr als sie. Während der senatorische Stand die höchste Stufe des gesellschaftlichen Rangsystems einnahm, hatte er doch als solcher nur einen sehr geringen An¬ theil an der Regierungsgewalt. Es war ein oberster Grundsatz der von Au- Aust begründeten cüsarischcn Politik, den Schwerpunkt der wirklichen Macht außerhalb der Aristokratie zu legen, weil nur von dieser eine bedenkliche Opposition zu befürchten war, und dieser Grundsatz ist so lange beibehalten worden, bis (im dritten Jahrhundert) die Besorgnis; vor dem ^mal gänzlich geschwunden, war. Deshalb wurden die lieugcschaffenen, mit der Macht be¬ kleideten Behörden, die den alten Staatsämtern entzogen war. zum Theil mit Rittern beseM, wie namentlich das Commando der Garden, dessen In¬ haber schon unter Tiber die erste Person nach dem Kaiser war, später, wo er auch die höchste Gerichtsbarkeit und das Recht erlangte. Rescripte mit Gesetzes¬ kraft zu erlassen, eine beinahe der kaiserlichen gleichkommende Macht besaß. Auch die Vicekönige mehrer Provinzen, die als kaiserliche Domänen admini- stirt wurden, waren Ritter, (namentlich der wichtigsten. Aegypten, die ohne kaiserliche Erlaubnis; ein Senator nicht einmal betreten durste), zum Theil sogar Freigelassene, z. B. Felix, der Procumtor von Judäa. Auch in den Eabinetsrath. der mehr und mehr die factische Bedeutung erhielt, die der Senat nur noch dem Scheine nach besaß, zogen die Kaiser Männer aus dem Nitterstmide. dem auch Augusts vertrautester Rath Mäcen, ohne Zweisel im Einverständnis; mit seinem kaiserlichen Freunde, bis zu seinem Ende angehörte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/53>, abgerufen am 27.07.2024.