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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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zwei Drittel, die dritte ein Drittel der an die erste fallenden Summen er¬
halten zu haben scheint; ferner ohne Zweifel bei Tafel und sonst. Von
Alexander Severus wird als Zeichen ungewöhnlicher Herablassung erwähnt, daß
er nicht blos bei Freunden erster und zweiter, sondern auch dritter Clalje
Krankenbesuche machte.

In der Regel fand am Hofe ein täglicher Morgenempfang Statt. Ber
diesem erschien im Palast nicht blos die kaiserliche Elite, sondern regelmäßig
auch der größte Theil der Senatoren. Auch die übrigen Stände wurden,
namentlich'von herablassenden Kaisern, wenn auch wahrscheinlich nicht oft.
empfangen. Frühaudienz wurde gleich nach Sonnenaufgang ertheilt, eine nach
uusern Begriffen sehr unbequeme, aber der römischen Tageseinteilung ange¬
messene Zeit. Diese war insofern vollkommen naturgemäß geblieben, als sie die
sämmtlichen Verrichtungen und Geschäfte in die Zeit der Tageshelle verlegte
und in der Nachmittagszeit mit dem Hauptmahl beschloß; deshalb mußte der
gesellige Verkehr mit Tagesanbruch seinen Anfang nehmen. Vespasian. der
ungemein thätig war, empfing schon vor Tagesanbruch im Bett und ließ sich
während der Audienz ankleiden. Eine eigne Abtheilung der kaiserlichen Haus¬
beamten war ausschließlich für den Dienst bei den Audienzen bestimmt. Die
Art des Empfangs richtete sich theils nach der größern oder geringern Herab¬
lassung der Kaiser, theils nach dem Range und dem persönlichen Verhältniß
der Vorgelassenen. Auch hier wurde wenigstens während des ersten Jahr¬
hunderts von den meisten Kaisern noch die Fiction durchgeführt, daß sie sich
nicht als absolute Monarchen, sondern nur als die Ersten des Senatoren-
standcs gerirten. und dessen Mitglieder so viel als möglich wie ihres Gleichen
behandelten. Sie begrüßten z. B. die bevorzugten und ihnen näherstehenden
Senatoren mit Kuß und Umarmung. Diese zärtliche Sitte fand jedoch schon
Tiber so unbequem. daß er sie für seinen Hof durch einen eignen Erlaß auf¬
hob: sie wurde aber an den spätern Höfen wieder eingeführt. Die nicht des
Kusses gewürdigten Senatoren wurden von gnädigen Kaisern wenigstens
so viel als möglich angeredet, wobei man großen Werth darauf legte, wenn
der Kaiser den Namen selbst im Kopfe hatte und nicht erst von dem hiermit
beauftragten Freigelassenen daran erinnert zu werden brauchte. Auch gestatteten
die Kaiser im ersten Jahrhundert nicht die Anrede "Herr" (äomiuo), weil co
die des Sklaven an seinen Eigenthümer war; erst Domitian führte sie ein,
von da ab war sie gewiß stehend (der jüngere Plinius schreibt z. B. immer
s" anTrajan), Alexander Severus verbot sie sich ausnahmsweise. Auch Kaiserinnen
hielten ihre Cour. Livia empfing die Senatoren und auch Personen der
übrigen Stände, wenigstens während' der Regierungszeit ihres Sohnes Tiber,
und ließ die Namen derer, die sich zur Cour eingehenden hatten, im öffent-
lichen Anzeiger mittheilen; dasselbe that Agrippnm als Claudius Gemahlin.


zwei Drittel, die dritte ein Drittel der an die erste fallenden Summen er¬
halten zu haben scheint; ferner ohne Zweifel bei Tafel und sonst. Von
Alexander Severus wird als Zeichen ungewöhnlicher Herablassung erwähnt, daß
er nicht blos bei Freunden erster und zweiter, sondern auch dritter Clalje
Krankenbesuche machte.

In der Regel fand am Hofe ein täglicher Morgenempfang Statt. Ber
diesem erschien im Palast nicht blos die kaiserliche Elite, sondern regelmäßig
auch der größte Theil der Senatoren. Auch die übrigen Stände wurden,
namentlich'von herablassenden Kaisern, wenn auch wahrscheinlich nicht oft.
empfangen. Frühaudienz wurde gleich nach Sonnenaufgang ertheilt, eine nach
uusern Begriffen sehr unbequeme, aber der römischen Tageseinteilung ange¬
messene Zeit. Diese war insofern vollkommen naturgemäß geblieben, als sie die
sämmtlichen Verrichtungen und Geschäfte in die Zeit der Tageshelle verlegte
und in der Nachmittagszeit mit dem Hauptmahl beschloß; deshalb mußte der
gesellige Verkehr mit Tagesanbruch seinen Anfang nehmen. Vespasian. der
ungemein thätig war, empfing schon vor Tagesanbruch im Bett und ließ sich
während der Audienz ankleiden. Eine eigne Abtheilung der kaiserlichen Haus¬
beamten war ausschließlich für den Dienst bei den Audienzen bestimmt. Die
Art des Empfangs richtete sich theils nach der größern oder geringern Herab¬
lassung der Kaiser, theils nach dem Range und dem persönlichen Verhältniß
der Vorgelassenen. Auch hier wurde wenigstens während des ersten Jahr¬
hunderts von den meisten Kaisern noch die Fiction durchgeführt, daß sie sich
nicht als absolute Monarchen, sondern nur als die Ersten des Senatoren-
standcs gerirten. und dessen Mitglieder so viel als möglich wie ihres Gleichen
behandelten. Sie begrüßten z. B. die bevorzugten und ihnen näherstehenden
Senatoren mit Kuß und Umarmung. Diese zärtliche Sitte fand jedoch schon
Tiber so unbequem. daß er sie für seinen Hof durch einen eignen Erlaß auf¬
hob: sie wurde aber an den spätern Höfen wieder eingeführt. Die nicht des
Kusses gewürdigten Senatoren wurden von gnädigen Kaisern wenigstens
so viel als möglich angeredet, wobei man großen Werth darauf legte, wenn
der Kaiser den Namen selbst im Kopfe hatte und nicht erst von dem hiermit
beauftragten Freigelassenen daran erinnert zu werden brauchte. Auch gestatteten
die Kaiser im ersten Jahrhundert nicht die Anrede „Herr" (äomiuo), weil co
die des Sklaven an seinen Eigenthümer war; erst Domitian führte sie ein,
von da ab war sie gewiß stehend (der jüngere Plinius schreibt z. B. immer
s" anTrajan), Alexander Severus verbot sie sich ausnahmsweise. Auch Kaiserinnen
hielten ihre Cour. Livia empfing die Senatoren und auch Personen der
übrigen Stände, wenigstens während' der Regierungszeit ihres Sohnes Tiber,
und ließ die Namen derer, die sich zur Cour eingehenden hatten, im öffent-
lichen Anzeiger mittheilen; dasselbe that Agrippnm als Claudius Gemahlin.


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[0055] zwei Drittel, die dritte ein Drittel der an die erste fallenden Summen er¬ halten zu haben scheint; ferner ohne Zweifel bei Tafel und sonst. Von Alexander Severus wird als Zeichen ungewöhnlicher Herablassung erwähnt, daß er nicht blos bei Freunden erster und zweiter, sondern auch dritter Clalje Krankenbesuche machte. In der Regel fand am Hofe ein täglicher Morgenempfang Statt. Ber diesem erschien im Palast nicht blos die kaiserliche Elite, sondern regelmäßig auch der größte Theil der Senatoren. Auch die übrigen Stände wurden, namentlich'von herablassenden Kaisern, wenn auch wahrscheinlich nicht oft. empfangen. Frühaudienz wurde gleich nach Sonnenaufgang ertheilt, eine nach uusern Begriffen sehr unbequeme, aber der römischen Tageseinteilung ange¬ messene Zeit. Diese war insofern vollkommen naturgemäß geblieben, als sie die sämmtlichen Verrichtungen und Geschäfte in die Zeit der Tageshelle verlegte und in der Nachmittagszeit mit dem Hauptmahl beschloß; deshalb mußte der gesellige Verkehr mit Tagesanbruch seinen Anfang nehmen. Vespasian. der ungemein thätig war, empfing schon vor Tagesanbruch im Bett und ließ sich während der Audienz ankleiden. Eine eigne Abtheilung der kaiserlichen Haus¬ beamten war ausschließlich für den Dienst bei den Audienzen bestimmt. Die Art des Empfangs richtete sich theils nach der größern oder geringern Herab¬ lassung der Kaiser, theils nach dem Range und dem persönlichen Verhältniß der Vorgelassenen. Auch hier wurde wenigstens während des ersten Jahr¬ hunderts von den meisten Kaisern noch die Fiction durchgeführt, daß sie sich nicht als absolute Monarchen, sondern nur als die Ersten des Senatoren- standcs gerirten. und dessen Mitglieder so viel als möglich wie ihres Gleichen behandelten. Sie begrüßten z. B. die bevorzugten und ihnen näherstehenden Senatoren mit Kuß und Umarmung. Diese zärtliche Sitte fand jedoch schon Tiber so unbequem. daß er sie für seinen Hof durch einen eignen Erlaß auf¬ hob: sie wurde aber an den spätern Höfen wieder eingeführt. Die nicht des Kusses gewürdigten Senatoren wurden von gnädigen Kaisern wenigstens so viel als möglich angeredet, wobei man großen Werth darauf legte, wenn der Kaiser den Namen selbst im Kopfe hatte und nicht erst von dem hiermit beauftragten Freigelassenen daran erinnert zu werden brauchte. Auch gestatteten die Kaiser im ersten Jahrhundert nicht die Anrede „Herr" (äomiuo), weil co die des Sklaven an seinen Eigenthümer war; erst Domitian führte sie ein, von da ab war sie gewiß stehend (der jüngere Plinius schreibt z. B. immer s" anTrajan), Alexander Severus verbot sie sich ausnahmsweise. Auch Kaiserinnen hielten ihre Cour. Livia empfing die Senatoren und auch Personen der übrigen Stände, wenigstens während' der Regierungszeit ihres Sohnes Tiber, und ließ die Namen derer, die sich zur Cour eingehenden hatten, im öffent- lichen Anzeiger mittheilen; dasselbe that Agrippnm als Claudius Gemahlin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/55>, abgerufen am 27.07.2024.