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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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den Senatoren eine eigne Nangclasse der Consularen, die in späterer Zeit
erblich wurde. Ebenso wurden nun die Rangstufen und Jnsignien der übrigen
Aemter, der Prätur, Aedilität u. s. w. ohne das Amt selbst verliehen; die Jn¬
signien auch solchen Personen, die zum Eintritt in den Senat nicht berechtigt
waren, als Rittern und Freigelassenen, selbst Ausländern. So erhielt z. B.
der jüdische Konig Agrippa, ein Enkel Herodes des Großen, von dem ihm
sehr verbundenen Claudius die consul arischen Jnsignien, dessen Bruder He¬
rodes die prätorischen. Es leuchtet ein, wie zweckmäßig diese wohlfeilen Aus-
zeichnungen waren, um den Untcrthanenehrgeiz in eine für die Monarchie
ersprießliche Richtung zu lenken, und der Eifer, mit dem sie erstrebt, der Werth,
der ihnen beigelegt wurde, zeigt, daß die Absicht vollkommen erreicht worden
ist. Auch kam es vor. daß die Kaiser Senatoren, die sich vergangen hatten,
zu einer tiefern Rangstufe degradirten. Von einem so ausgebildeten, com-
plicirten, und durch äußere Abzeichen nüancirten Nangsvstcm war zur Uni-
sormirung der verschiedenen Classen nur noch ein Schritt, und einmal wenig¬
stens ist dieser Gedanke wirklich gehegt worden. Der Kaiser Alexander Se-
verus hatte im Sinne, allen Würden und allen Aemtern eigne Trachten zu
verleihen, an denen sie sogleich erkennbar sein sollten, so wie er auch die
Sklaven durch eine besondere Tracht von den Freien unterscheiden wollte.
Aber die beiden berühmten Juristen Paulus und Ulpian sollen ihn davon
durch die Vorstellung zurückgehalten haben, daß daraus sich fortwährende
Reibungen und Streitigkeiten ergeben würden. So hatte es denn bei der
Unterscheidung der drei Stunde durch den Purpurstrich sein Bewenden. Welche
Wichtigkeit auf die Standes- und Nangesunterschicde gelegt wurde, zeigt am
besten die scrupulöse Genauigkeit, mit der in Inschriften die Aemter. Würden
und Titel in der gehörigen Reihenfolge aufgezählt werden. Diese dehnte sich
beim ersten Stande auch auf die Frauen auf, unter deren Titulaturen nicht
nur Mutter, Schwester, Großmutter, sondern auch "Verwandte von Männern
senatorischen Standes" vorkommt. Natürlich waren die Rangunterschiede im
geselligen Verkehr sür Vortritt, die Ordnung der Plätze bei Tafel u. s. w.
maßgebend. Wie stark das Standesgefühl war, mag man daraus ermessen,
daß ein Tacitus es als einen Gegenstand der öffentlichen Trauer bezeichnen
konnte, daß ein Mitglied des kaiserlichen Hauses einen Mann heirathete, dessen
Großvater aus der Landstadt Tivoli herstammte und nur zum Ritterstande
gehört hatte. Nicht minder charakteristisch ist die Art, wie er sich über das
ehebrecherische Verhältniß von Germaniens Schwester Livia mit Tibers allmäch¬
tigen Günstling Sejan äußert: "sie. deren Oheim August, deren Schwieger¬
vater Tiber war, die von Drusus Kinder hatte, schändete sich, ihre Ahnen
und ihre Nachkommen durch Ehebruch mit einem Manne, dessen Vorfahren
nicht zum Amtsadel gehört hatten." War schon der Abstand zwischen den


den Senatoren eine eigne Nangclasse der Consularen, die in späterer Zeit
erblich wurde. Ebenso wurden nun die Rangstufen und Jnsignien der übrigen
Aemter, der Prätur, Aedilität u. s. w. ohne das Amt selbst verliehen; die Jn¬
signien auch solchen Personen, die zum Eintritt in den Senat nicht berechtigt
waren, als Rittern und Freigelassenen, selbst Ausländern. So erhielt z. B.
der jüdische Konig Agrippa, ein Enkel Herodes des Großen, von dem ihm
sehr verbundenen Claudius die consul arischen Jnsignien, dessen Bruder He¬
rodes die prätorischen. Es leuchtet ein, wie zweckmäßig diese wohlfeilen Aus-
zeichnungen waren, um den Untcrthanenehrgeiz in eine für die Monarchie
ersprießliche Richtung zu lenken, und der Eifer, mit dem sie erstrebt, der Werth,
der ihnen beigelegt wurde, zeigt, daß die Absicht vollkommen erreicht worden
ist. Auch kam es vor. daß die Kaiser Senatoren, die sich vergangen hatten,
zu einer tiefern Rangstufe degradirten. Von einem so ausgebildeten, com-
plicirten, und durch äußere Abzeichen nüancirten Nangsvstcm war zur Uni-
sormirung der verschiedenen Classen nur noch ein Schritt, und einmal wenig¬
stens ist dieser Gedanke wirklich gehegt worden. Der Kaiser Alexander Se-
verus hatte im Sinne, allen Würden und allen Aemtern eigne Trachten zu
verleihen, an denen sie sogleich erkennbar sein sollten, so wie er auch die
Sklaven durch eine besondere Tracht von den Freien unterscheiden wollte.
Aber die beiden berühmten Juristen Paulus und Ulpian sollen ihn davon
durch die Vorstellung zurückgehalten haben, daß daraus sich fortwährende
Reibungen und Streitigkeiten ergeben würden. So hatte es denn bei der
Unterscheidung der drei Stunde durch den Purpurstrich sein Bewenden. Welche
Wichtigkeit auf die Standes- und Nangesunterschicde gelegt wurde, zeigt am
besten die scrupulöse Genauigkeit, mit der in Inschriften die Aemter. Würden
und Titel in der gehörigen Reihenfolge aufgezählt werden. Diese dehnte sich
beim ersten Stande auch auf die Frauen auf, unter deren Titulaturen nicht
nur Mutter, Schwester, Großmutter, sondern auch „Verwandte von Männern
senatorischen Standes" vorkommt. Natürlich waren die Rangunterschiede im
geselligen Verkehr sür Vortritt, die Ordnung der Plätze bei Tafel u. s. w.
maßgebend. Wie stark das Standesgefühl war, mag man daraus ermessen,
daß ein Tacitus es als einen Gegenstand der öffentlichen Trauer bezeichnen
konnte, daß ein Mitglied des kaiserlichen Hauses einen Mann heirathete, dessen
Großvater aus der Landstadt Tivoli herstammte und nur zum Ritterstande
gehört hatte. Nicht minder charakteristisch ist die Art, wie er sich über das
ehebrecherische Verhältniß von Germaniens Schwester Livia mit Tibers allmäch¬
tigen Günstling Sejan äußert: „sie. deren Oheim August, deren Schwieger¬
vater Tiber war, die von Drusus Kinder hatte, schändete sich, ihre Ahnen
und ihre Nachkommen durch Ehebruch mit einem Manne, dessen Vorfahren
nicht zum Amtsadel gehört hatten." War schon der Abstand zwischen den


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[0052] den Senatoren eine eigne Nangclasse der Consularen, die in späterer Zeit erblich wurde. Ebenso wurden nun die Rangstufen und Jnsignien der übrigen Aemter, der Prätur, Aedilität u. s. w. ohne das Amt selbst verliehen; die Jn¬ signien auch solchen Personen, die zum Eintritt in den Senat nicht berechtigt waren, als Rittern und Freigelassenen, selbst Ausländern. So erhielt z. B. der jüdische Konig Agrippa, ein Enkel Herodes des Großen, von dem ihm sehr verbundenen Claudius die consul arischen Jnsignien, dessen Bruder He¬ rodes die prätorischen. Es leuchtet ein, wie zweckmäßig diese wohlfeilen Aus- zeichnungen waren, um den Untcrthanenehrgeiz in eine für die Monarchie ersprießliche Richtung zu lenken, und der Eifer, mit dem sie erstrebt, der Werth, der ihnen beigelegt wurde, zeigt, daß die Absicht vollkommen erreicht worden ist. Auch kam es vor. daß die Kaiser Senatoren, die sich vergangen hatten, zu einer tiefern Rangstufe degradirten. Von einem so ausgebildeten, com- plicirten, und durch äußere Abzeichen nüancirten Nangsvstcm war zur Uni- sormirung der verschiedenen Classen nur noch ein Schritt, und einmal wenig¬ stens ist dieser Gedanke wirklich gehegt worden. Der Kaiser Alexander Se- verus hatte im Sinne, allen Würden und allen Aemtern eigne Trachten zu verleihen, an denen sie sogleich erkennbar sein sollten, so wie er auch die Sklaven durch eine besondere Tracht von den Freien unterscheiden wollte. Aber die beiden berühmten Juristen Paulus und Ulpian sollen ihn davon durch die Vorstellung zurückgehalten haben, daß daraus sich fortwährende Reibungen und Streitigkeiten ergeben würden. So hatte es denn bei der Unterscheidung der drei Stunde durch den Purpurstrich sein Bewenden. Welche Wichtigkeit auf die Standes- und Nangesunterschicde gelegt wurde, zeigt am besten die scrupulöse Genauigkeit, mit der in Inschriften die Aemter. Würden und Titel in der gehörigen Reihenfolge aufgezählt werden. Diese dehnte sich beim ersten Stande auch auf die Frauen auf, unter deren Titulaturen nicht nur Mutter, Schwester, Großmutter, sondern auch „Verwandte von Männern senatorischen Standes" vorkommt. Natürlich waren die Rangunterschiede im geselligen Verkehr sür Vortritt, die Ordnung der Plätze bei Tafel u. s. w. maßgebend. Wie stark das Standesgefühl war, mag man daraus ermessen, daß ein Tacitus es als einen Gegenstand der öffentlichen Trauer bezeichnen konnte, daß ein Mitglied des kaiserlichen Hauses einen Mann heirathete, dessen Großvater aus der Landstadt Tivoli herstammte und nur zum Ritterstande gehört hatte. Nicht minder charakteristisch ist die Art, wie er sich über das ehebrecherische Verhältniß von Germaniens Schwester Livia mit Tibers allmäch¬ tigen Günstling Sejan äußert: „sie. deren Oheim August, deren Schwieger¬ vater Tiber war, die von Drusus Kinder hatte, schändete sich, ihre Ahnen und ihre Nachkommen durch Ehebruch mit einem Manne, dessen Vorfahren nicht zum Amtsadel gehört hatten." War schon der Abstand zwischen den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/52>, abgerufen am 22.12.2024.