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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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um sich als Schönredner hören zu lassen, und es galt hier nicht einer phan¬
tastischen Lorbeerkrone, sondern einer andern, einer Krone von solidem Metall.
Wer daran zweifeln konnte, mußte sich durch den König selbst eines Bessern
belehren lassen, als derselbe den Reichstag dieses Jahres mit den Worten
schloß: "Die glückliche Vereinigung im Norden schlägt mit jedem Jahre tiefere
Wurzeln in dem Herzen und in dem Bewußtsein der skandinavischen Bruder¬
völker. Treu meinen Pflichten als Unionskönig, durchdrungen von dem
Gedanken, der dem Bunde zu Grunde liegt, bemühe ich mich, den gro߬
artigen Bau zu vollenden, die Theile desselben auszuführen,
welche ins Leben zu rufen die Umstände bisher noch nicht zu¬
ließen."

Deutlicher konnte man nicht sprechen. Man sah sofort in Kopenhagen,
daß es nicht die poetische Idee der nordischen Union, nicht die Träume von
"Faedrelandet" und Genossen, sondern das in die Formen jener Idee geklei¬
dete Streben des schwedischen Königshauses war, welches hier sich ausdrückte.
Die scheele'sche Depesche machte die Sache nur ärger. Sie brachte eine Anklage,
ohne sie beweisen zu können und wurde so vom schwedischen Cabinet mit
leichter Mühe widerlegt. Der "Unionskönig" aber war in der gewonnenen
Position dadurch nur gestärkt und denen, die ihn bisher übersehen, gezeigt.
Ob man in Stockholm bald oder überhaupt einmal ganz offen mit der Sprache
herausgehen oder warten wird, bis der Drang der Umstände nöthigt, sich der
Dänen anzunehmen, wird die Zukunft lehren. Vom deutschen Standpunkte
ist die skandinavische Idee in dieser Gestalt willkommen zu heißen, da sie die
Dänen in dem Gefühl bestärkt, daß es unmöglich für sie ist, ihre bisherige
staatliche Existenz auf die Dauer fortzuführen, und da sie dieselben andrerseits
an die Obmacht Schwedens gewöhnt. In Betreff Schleswig-Holsteins dürste
auch von dem Könige gelten, was vorhin hinsichtlich der Volksmeinung in
Schweden und Norwegen gesagt wurde. Ein von russischer Freundschaft
emancipirtes Skandinavien ist nicht stark genug, um es auch mit Deutschland
zu verderben, nicht stark genug, um nicht das dringende Bedürfniß zu empfin¬
den, Deutschland zum Bundesgenossen zu haben. Dann aber müßte es die
deutschen Herzogtümer aufgeben, vielleicht sogar Jütland, das ihm bei jedem
von einem südlichen Gegner mit Energie geführten Kriege in wenigen Wochen
verloren gehen würde. Wenn in neuester Zeit davon gesprochen worden ist,
Schweden habe dem kopenhagner Cabinet das Anerbieten gemacht, ihm Schles¬
wig zu garantiren, so wäre diese Offerte, die Begründung des Gerüchts voraus¬
gesetzt, bei der jetzigen Lage der Dinge ohne Sinn, wenigstens nur in dem
Sinne begreiflich, als es dem Hause Bernadotte vorläufig darum zu thun ist,
sich möglichst tief in die dänischen Angelegenheiten zu mischen, eine Art Pro-
tectorat über Dünemark zu gewinnen und damit das Gefühl der Abhängig-


um sich als Schönredner hören zu lassen, und es galt hier nicht einer phan¬
tastischen Lorbeerkrone, sondern einer andern, einer Krone von solidem Metall.
Wer daran zweifeln konnte, mußte sich durch den König selbst eines Bessern
belehren lassen, als derselbe den Reichstag dieses Jahres mit den Worten
schloß: „Die glückliche Vereinigung im Norden schlägt mit jedem Jahre tiefere
Wurzeln in dem Herzen und in dem Bewußtsein der skandinavischen Bruder¬
völker. Treu meinen Pflichten als Unionskönig, durchdrungen von dem
Gedanken, der dem Bunde zu Grunde liegt, bemühe ich mich, den gro߬
artigen Bau zu vollenden, die Theile desselben auszuführen,
welche ins Leben zu rufen die Umstände bisher noch nicht zu¬
ließen."

Deutlicher konnte man nicht sprechen. Man sah sofort in Kopenhagen,
daß es nicht die poetische Idee der nordischen Union, nicht die Träume von
„Faedrelandet" und Genossen, sondern das in die Formen jener Idee geklei¬
dete Streben des schwedischen Königshauses war, welches hier sich ausdrückte.
Die scheele'sche Depesche machte die Sache nur ärger. Sie brachte eine Anklage,
ohne sie beweisen zu können und wurde so vom schwedischen Cabinet mit
leichter Mühe widerlegt. Der „Unionskönig" aber war in der gewonnenen
Position dadurch nur gestärkt und denen, die ihn bisher übersehen, gezeigt.
Ob man in Stockholm bald oder überhaupt einmal ganz offen mit der Sprache
herausgehen oder warten wird, bis der Drang der Umstände nöthigt, sich der
Dänen anzunehmen, wird die Zukunft lehren. Vom deutschen Standpunkte
ist die skandinavische Idee in dieser Gestalt willkommen zu heißen, da sie die
Dänen in dem Gefühl bestärkt, daß es unmöglich für sie ist, ihre bisherige
staatliche Existenz auf die Dauer fortzuführen, und da sie dieselben andrerseits
an die Obmacht Schwedens gewöhnt. In Betreff Schleswig-Holsteins dürste
auch von dem Könige gelten, was vorhin hinsichtlich der Volksmeinung in
Schweden und Norwegen gesagt wurde. Ein von russischer Freundschaft
emancipirtes Skandinavien ist nicht stark genug, um es auch mit Deutschland
zu verderben, nicht stark genug, um nicht das dringende Bedürfniß zu empfin¬
den, Deutschland zum Bundesgenossen zu haben. Dann aber müßte es die
deutschen Herzogtümer aufgeben, vielleicht sogar Jütland, das ihm bei jedem
von einem südlichen Gegner mit Energie geführten Kriege in wenigen Wochen
verloren gehen würde. Wenn in neuester Zeit davon gesprochen worden ist,
Schweden habe dem kopenhagner Cabinet das Anerbieten gemacht, ihm Schles¬
wig zu garantiren, so wäre diese Offerte, die Begründung des Gerüchts voraus¬
gesetzt, bei der jetzigen Lage der Dinge ohne Sinn, wenigstens nur in dem
Sinne begreiflich, als es dem Hause Bernadotte vorläufig darum zu thun ist,
sich möglichst tief in die dänischen Angelegenheiten zu mischen, eine Art Pro-
tectorat über Dünemark zu gewinnen und damit das Gefühl der Abhängig-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/500>, abgerufen am 28.07.2024.