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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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keit zu befestigen, von dem es nicht weit bis zur Neigung sich zu unterwerfen
ist. Für eine endgiltige Regelung der Sache wäre damit nichts versprochen.

Wir werfen jetzt einen Blick auf die Parteien, welche sich im Süden in
Bezug auf die Schleswig-holsteinische Frage gebildet haben, und begegnen hier
zunächst einer Partei, die ihrer Natur nach nur mit Widerstreben und durch
Rücksichten bewogen, die mit der Sache selbst nichts zu schaffen haben, eine
Aenderung in dem bestehenden Verhältniß wünschen und unterstützen kann,
dann einer zweiten, welche die Rechte Holsteins und Lauenburgs innerhalb
ihrer Grenzen, wie diese Rechte durch die Vertrüge und Zusagen von 1851
und 1852 festgestellt sind, aufrichtig zur Geltung zu bringen bestrebt scheint, hierauf
noch etwas weiter links einer dritten, die an die Rechte Holsteins in
Schleswig erinnert, die der Bund ohne gegen die Großmächte zu verstoßen,
zu wahren im Stande sei. Dann schließen sich die an, welche das Recht
Holsteins aus Schleswig, entweder nach den alten Grundsatzungen auf
ganz Schleswig, oder in Berücksichtigung der Nationalitätsverhältnisse und
der größern Wahrscheinlichkeit eines gütlichen Abkommens auf Schleswig, so
weit es deutsch spricht, befürworten. Endlich gibt es Politiker, welche die
Schleswig-holsteinische Frage nicht eher für gelöst halten können, als bis auch
Jütland und damit die gesammte cimbrische Halbinsel aus dem Verbände
mit den dänischen Jnselstiftcrn gelöst, Cimbrien an Deutschland, die Inseln
an Schweden überwiesen sind -- eine Vertheilung, die, wie wir im Voraus
bemerken können, jedenfalls sehr andere Conjuncturen und Constellationen er¬
heischt, als sie die Gegenwart darbietet.

Wen wir unter der zuerst bezeichneten Partei verstehen, kann nicht zweifel.
haft sein. Oestreichs Politik in der Schleswig-holsteinischen Sache hat eine wesent¬
liche Veränderung auch in der letzten Zeit nicht erlitten. Das wiener Cabinet
hat nach seinen absolutistischen Principien den Widerstand der Herzogthümer
vom Anfang an als unberechtigte Auflehnung angesehen. Es hat als Regie¬
rung eines großentheils außerdeutschen Staates auch hierbei stets das europäische
Interesse, nicht das deutsche im Auge gehabt. Ihm lag die Betrachtung des
Gleichartigen in beiden Monarchien näher als die des Ungleichartigen, und es
konnte nach dem Genius seiner eignen neuen Staatsordnung nicht daran zwei¬
feln, daß es im Gesammtstaat Dünemark ebenso wie im GesaMmtstaat Oestreich
gelingen werde, die verschiedenen Theile desselben in Zucht und Ordnung zu
halten und den Widerstreit der Nationalitüten in kluger Weise zur Befestigung
der landesherrlichen Gewalt zu nutzen. Oestreich hat endlich kein Interesse
dabei, daß Deutschland sich auf der cimbrischen Halbinsel befestige, es wünscht im
Gegentheil, daß Deutschland und zunächst die norddeutsche Großmacht keinen
Einfluß auf die Geschicke Schleswig-Holsteins erlange, daß sich kein deutscher
Staat bilde, dem die Häfen und Küsten der Herzogthümer die Basis eines


keit zu befestigen, von dem es nicht weit bis zur Neigung sich zu unterwerfen
ist. Für eine endgiltige Regelung der Sache wäre damit nichts versprochen.

Wir werfen jetzt einen Blick auf die Parteien, welche sich im Süden in
Bezug auf die Schleswig-holsteinische Frage gebildet haben, und begegnen hier
zunächst einer Partei, die ihrer Natur nach nur mit Widerstreben und durch
Rücksichten bewogen, die mit der Sache selbst nichts zu schaffen haben, eine
Aenderung in dem bestehenden Verhältniß wünschen und unterstützen kann,
dann einer zweiten, welche die Rechte Holsteins und Lauenburgs innerhalb
ihrer Grenzen, wie diese Rechte durch die Vertrüge und Zusagen von 1851
und 1852 festgestellt sind, aufrichtig zur Geltung zu bringen bestrebt scheint, hierauf
noch etwas weiter links einer dritten, die an die Rechte Holsteins in
Schleswig erinnert, die der Bund ohne gegen die Großmächte zu verstoßen,
zu wahren im Stande sei. Dann schließen sich die an, welche das Recht
Holsteins aus Schleswig, entweder nach den alten Grundsatzungen auf
ganz Schleswig, oder in Berücksichtigung der Nationalitätsverhältnisse und
der größern Wahrscheinlichkeit eines gütlichen Abkommens auf Schleswig, so
weit es deutsch spricht, befürworten. Endlich gibt es Politiker, welche die
Schleswig-holsteinische Frage nicht eher für gelöst halten können, als bis auch
Jütland und damit die gesammte cimbrische Halbinsel aus dem Verbände
mit den dänischen Jnselstiftcrn gelöst, Cimbrien an Deutschland, die Inseln
an Schweden überwiesen sind — eine Vertheilung, die, wie wir im Voraus
bemerken können, jedenfalls sehr andere Conjuncturen und Constellationen er¬
heischt, als sie die Gegenwart darbietet.

Wen wir unter der zuerst bezeichneten Partei verstehen, kann nicht zweifel.
haft sein. Oestreichs Politik in der Schleswig-holsteinischen Sache hat eine wesent¬
liche Veränderung auch in der letzten Zeit nicht erlitten. Das wiener Cabinet
hat nach seinen absolutistischen Principien den Widerstand der Herzogthümer
vom Anfang an als unberechtigte Auflehnung angesehen. Es hat als Regie¬
rung eines großentheils außerdeutschen Staates auch hierbei stets das europäische
Interesse, nicht das deutsche im Auge gehabt. Ihm lag die Betrachtung des
Gleichartigen in beiden Monarchien näher als die des Ungleichartigen, und es
konnte nach dem Genius seiner eignen neuen Staatsordnung nicht daran zwei¬
feln, daß es im Gesammtstaat Dünemark ebenso wie im GesaMmtstaat Oestreich
gelingen werde, die verschiedenen Theile desselben in Zucht und Ordnung zu
halten und den Widerstreit der Nationalitüten in kluger Weise zur Befestigung
der landesherrlichen Gewalt zu nutzen. Oestreich hat endlich kein Interesse
dabei, daß Deutschland sich auf der cimbrischen Halbinsel befestige, es wünscht im
Gegentheil, daß Deutschland und zunächst die norddeutsche Großmacht keinen
Einfluß auf die Geschicke Schleswig-Holsteins erlange, daß sich kein deutscher
Staat bilde, dem die Häfen und Küsten der Herzogthümer die Basis eines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/501>, abgerufen am 27.07.2024.