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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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daß auf beiden Seiten mit gründlicher Vorbereitung und gutem Material, auf
Seiten der Resolutionsgegner leider mit weniger Geschick als bei andern Ge¬
legenheiten, debattirt worden ist.

Zunächst war die Rechte bemüht, ihrer Auffassung ein wissenschaftliches Funda¬
ment zu geben. Wir hatten geglaubt, daß der Zins mit dem Geld als solches
nichts zu thun habe, daß er eine Frucht des Capitals sei, und deshalb, wie die
Goldländer gezeigt haben, wol sehr hoch stehen könne, während der Geldwerth
gleichzeitig ein sehr geringer ist. Denn wo vieles Geld ist, darf noch gar
nicht überhaupt vieles Capital sein. Nun hörten wir, daß der Zins die
Miethe für eine empfangene Geldsumme sei. -- Wir hatten ferner geglaubt,
daß Geld eine zum Circulationsmittel besonders geeignete Waare sei vermöge
mancher schätzbarer Eigenschaften, unter andern auch dadurch, daß es aus
einem allgemein für werthvoll gehaltnen Stoff besteht, oder wie das Papier¬
geld jederzeit in einen solchen umgewechselt werden kann, und daß der Staat
durch seinen Stempel jedem ohne lange Untersuchung Gewicht und Feingehalt
richtig anzeigt. Wir haben jetzt erfahren, Geld sei gar keine Waare, sondern
der gesetzliche Werthmesser unter Garantie des Staats, der daher das Recht
und die Pflicht habe, zu bestimmen, wie hoch die Geldnutzung geschehen
dürfe. Daß Geld eine eigenthümliche Waare ist, wird niemand bestreiten,
aber es sollte doch schwer werden, zu beweisen, daß es gar keine Waare sei,
sondern ein gesetzlicher Werthmesser, etwa wie das Pfund der gesetzliche Schwere¬
messer, der Fuß das gesetzliche Längenmaß ist. Man mache doch den Versuch
und messe mit einem Thaler den Werth eines Scheffels Weizen heute und nach
einem Jahr! Man mag das Geld als den Generalnenner bezeichnen, aus
welchen sich alle Wirthschaftlichen Güter reduciren lassen, niemals aber wird
es den Namen eines eigentlichen Werthmessers beanspruchen können, da es
selbst nur einer und noch dazu ein nicht constanter Factor unter den zahllosen,
ewig sluctuirenden Gliedern der Werthgleichung ist. Und abgesehen davon!
Wer in aller Welt mit Ausnahme eines Bankiers oder eines Gold- und
Silberarbeiters, borgt sich denn Geld, um es als Geld zu nutzen? Die Regel
ist doch, daß man sofort Waaren dafür eintauscht und diese dann nutzt, so
weit man kann, und ohne daß der Staat dafür eine Grenze vorschreibt, oder
daß man ein Geldcapital aufnimmt, um ein anderes zurückzuzahlen, welches
man früher in der gedachten Weise benutzt hat.

In diesem Falle werden sich besonders häusig die Grundbesitzer befinden.
Was sie auf ihren Boden gewandt haben, fixirt sich in ihm und kann leur
durch den gesteigerten Ertrag einer langen Reihe von Jahren allmälig heraus¬
gezogen werden. Daher empfiehlt sich für den Grundbesitz eine andere Form
des Credits, durch welche seine Darlehen zwar nicht unkündbar gemacht werden,
Wie einige unserer Herren es zu wünschen scheinen, aber doch für eine all-


daß auf beiden Seiten mit gründlicher Vorbereitung und gutem Material, auf
Seiten der Resolutionsgegner leider mit weniger Geschick als bei andern Ge¬
legenheiten, debattirt worden ist.

Zunächst war die Rechte bemüht, ihrer Auffassung ein wissenschaftliches Funda¬
ment zu geben. Wir hatten geglaubt, daß der Zins mit dem Geld als solches
nichts zu thun habe, daß er eine Frucht des Capitals sei, und deshalb, wie die
Goldländer gezeigt haben, wol sehr hoch stehen könne, während der Geldwerth
gleichzeitig ein sehr geringer ist. Denn wo vieles Geld ist, darf noch gar
nicht überhaupt vieles Capital sein. Nun hörten wir, daß der Zins die
Miethe für eine empfangene Geldsumme sei. — Wir hatten ferner geglaubt,
daß Geld eine zum Circulationsmittel besonders geeignete Waare sei vermöge
mancher schätzbarer Eigenschaften, unter andern auch dadurch, daß es aus
einem allgemein für werthvoll gehaltnen Stoff besteht, oder wie das Papier¬
geld jederzeit in einen solchen umgewechselt werden kann, und daß der Staat
durch seinen Stempel jedem ohne lange Untersuchung Gewicht und Feingehalt
richtig anzeigt. Wir haben jetzt erfahren, Geld sei gar keine Waare, sondern
der gesetzliche Werthmesser unter Garantie des Staats, der daher das Recht
und die Pflicht habe, zu bestimmen, wie hoch die Geldnutzung geschehen
dürfe. Daß Geld eine eigenthümliche Waare ist, wird niemand bestreiten,
aber es sollte doch schwer werden, zu beweisen, daß es gar keine Waare sei,
sondern ein gesetzlicher Werthmesser, etwa wie das Pfund der gesetzliche Schwere¬
messer, der Fuß das gesetzliche Längenmaß ist. Man mache doch den Versuch
und messe mit einem Thaler den Werth eines Scheffels Weizen heute und nach
einem Jahr! Man mag das Geld als den Generalnenner bezeichnen, aus
welchen sich alle Wirthschaftlichen Güter reduciren lassen, niemals aber wird
es den Namen eines eigentlichen Werthmessers beanspruchen können, da es
selbst nur einer und noch dazu ein nicht constanter Factor unter den zahllosen,
ewig sluctuirenden Gliedern der Werthgleichung ist. Und abgesehen davon!
Wer in aller Welt mit Ausnahme eines Bankiers oder eines Gold- und
Silberarbeiters, borgt sich denn Geld, um es als Geld zu nutzen? Die Regel
ist doch, daß man sofort Waaren dafür eintauscht und diese dann nutzt, so
weit man kann, und ohne daß der Staat dafür eine Grenze vorschreibt, oder
daß man ein Geldcapital aufnimmt, um ein anderes zurückzuzahlen, welches
man früher in der gedachten Weise benutzt hat.

In diesem Falle werden sich besonders häusig die Grundbesitzer befinden.
Was sie auf ihren Boden gewandt haben, fixirt sich in ihm und kann leur
durch den gesteigerten Ertrag einer langen Reihe von Jahren allmälig heraus¬
gezogen werden. Daher empfiehlt sich für den Grundbesitz eine andere Form
des Credits, durch welche seine Darlehen zwar nicht unkündbar gemacht werden,
Wie einige unserer Herren es zu wünschen scheinen, aber doch für eine all-


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[0424] daß auf beiden Seiten mit gründlicher Vorbereitung und gutem Material, auf Seiten der Resolutionsgegner leider mit weniger Geschick als bei andern Ge¬ legenheiten, debattirt worden ist. Zunächst war die Rechte bemüht, ihrer Auffassung ein wissenschaftliches Funda¬ ment zu geben. Wir hatten geglaubt, daß der Zins mit dem Geld als solches nichts zu thun habe, daß er eine Frucht des Capitals sei, und deshalb, wie die Goldländer gezeigt haben, wol sehr hoch stehen könne, während der Geldwerth gleichzeitig ein sehr geringer ist. Denn wo vieles Geld ist, darf noch gar nicht überhaupt vieles Capital sein. Nun hörten wir, daß der Zins die Miethe für eine empfangene Geldsumme sei. — Wir hatten ferner geglaubt, daß Geld eine zum Circulationsmittel besonders geeignete Waare sei vermöge mancher schätzbarer Eigenschaften, unter andern auch dadurch, daß es aus einem allgemein für werthvoll gehaltnen Stoff besteht, oder wie das Papier¬ geld jederzeit in einen solchen umgewechselt werden kann, und daß der Staat durch seinen Stempel jedem ohne lange Untersuchung Gewicht und Feingehalt richtig anzeigt. Wir haben jetzt erfahren, Geld sei gar keine Waare, sondern der gesetzliche Werthmesser unter Garantie des Staats, der daher das Recht und die Pflicht habe, zu bestimmen, wie hoch die Geldnutzung geschehen dürfe. Daß Geld eine eigenthümliche Waare ist, wird niemand bestreiten, aber es sollte doch schwer werden, zu beweisen, daß es gar keine Waare sei, sondern ein gesetzlicher Werthmesser, etwa wie das Pfund der gesetzliche Schwere¬ messer, der Fuß das gesetzliche Längenmaß ist. Man mache doch den Versuch und messe mit einem Thaler den Werth eines Scheffels Weizen heute und nach einem Jahr! Man mag das Geld als den Generalnenner bezeichnen, aus welchen sich alle Wirthschaftlichen Güter reduciren lassen, niemals aber wird es den Namen eines eigentlichen Werthmessers beanspruchen können, da es selbst nur einer und noch dazu ein nicht constanter Factor unter den zahllosen, ewig sluctuirenden Gliedern der Werthgleichung ist. Und abgesehen davon! Wer in aller Welt mit Ausnahme eines Bankiers oder eines Gold- und Silberarbeiters, borgt sich denn Geld, um es als Geld zu nutzen? Die Regel ist doch, daß man sofort Waaren dafür eintauscht und diese dann nutzt, so weit man kann, und ohne daß der Staat dafür eine Grenze vorschreibt, oder daß man ein Geldcapital aufnimmt, um ein anderes zurückzuzahlen, welches man früher in der gedachten Weise benutzt hat. In diesem Falle werden sich besonders häusig die Grundbesitzer befinden. Was sie auf ihren Boden gewandt haben, fixirt sich in ihm und kann leur durch den gesteigerten Ertrag einer langen Reihe von Jahren allmälig heraus¬ gezogen werden. Daher empfiehlt sich für den Grundbesitz eine andere Form des Credits, durch welche seine Darlehen zwar nicht unkündbar gemacht werden, Wie einige unserer Herren es zu wünschen scheinen, aber doch für eine all-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/424>, abgerufen am 28.07.2024.