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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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malige Abtragung geeignet werden, mi^ einem Worte: der Pfandbriefcredit.
Bevor die nöthige Anzahl solcher Institute mit zweckmäßiger Einrichtung ins
Leben gerufen ist, mag der Grundbesitzer durch die Aufhebung der Zins¬
beschränkungen zu manchen Opfern gezwungen werden, wenn ihm ein Capital
gekündigt wird. So lange das aber geschehen kann, wird seine Lage bei
freiem Zins noch immer viel günstiger sein, als wenn er das Geld von pro-
fcsfionirten Wucherern aufnehmen oder es zur Subhastation kommen lassen
müßte. Was er-durch hohem Zins---der übrigens unter sonst gleichen Be¬
dingungen keine nothwendige Folge der Zinsfreiheit ist -- einbüßen sollte,
kann er freilich nicht durch Steigerung seiner Getreidepreise auf die Consumenten
überwülzen, ebenso wenig wie der Hausbesitzer im gleichen Fall die Miethe
steigern kann. Denn die Preise von Getreide und Wohnungen beruhen ledig¬
lich auf dem Verhältniß von Angebot und Nachfrage. Dagegen ist gar nicht
abzusehen, ob die gesteigerte Entfaltung von Handel und Industrie oder der
Sporn, seinem Boden mehr Ertrag abzugewinnen, nicht zu einem vermehrten
Absatz und zu technischen Verbesserungen der Landwirthschaft führen, welche
die Einnahmen des Grundbesitzes trotz der hohem Zinsen vergrößern. Wir
haben von ähnlichen Wirkungen scheinbarer Verluste schon mehr als ein Bei¬
spiel, und nichts kann thörichter sein, -als eine volkswirthschaftliche Erscheinung
ur sich allein zu betrachten, oder nach ihren nächsten Folgen zu beurtheilen.
Wir haben es auch als ein "wohlerworbnes Recht" aller derer, die bei dem
jetzigen Zinsfuß ein Grundstück kauften, bezeichnen hören, nicht mehr als fünf
bis sechs Procent Hypothekenzinsen zu zahlen. Wir meinen aber, daß Verluste
an wohlerworbnen Rechten, welche aus der Aufhebung unmöglich gewordner
Gesetze erwachsen, ebenso von den Betroffenen getragen werden müssen,
wie ein Kaufmann sich die Minderung seiner Einnahmen bei Verkehrs¬
störungen in Kriegeszeit, oder wie der Rentier sich Verringerung seines
jährlichen Einkommens durch Entdeckung neuer Goldminen gefallen las¬
sen muß.

Was der Grundbesitz von Aufhebung der Wuchergesetze fürchtet, ist also
entweder unbegründet, oder kann nicht als rechtsgiltiger Einwand dagegen
gebraucht werden. Dem Handel, der großen Industrie schaden die Zins¬
beschränkungen offenbar, und wenn sie dem Grundbesitz wirklich nützen sollten,
so würde hier nur der Widerspruch zwischen den Interessen zweier für das
Staatsleben gleich wichtiger Stände nachgewiesen sein. Es wäre wol billig,
dann die Frage so zu entscheiden: Vereinigen lassen sich eure Wünsche nicht;
bisher hat der Grundbesitz den Vortheil gehabt, von heute ab mag er den
andern zu gut kommen. -- Ganz anders steht es um den dritten Einwand,
der von den Vertretern der Resolution gemacht ist. Auch hier handelt es sich
darum, daß der Handels- und Gewerbestand ein Opfer bringen soll, aber


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malige Abtragung geeignet werden, mi^ einem Worte: der Pfandbriefcredit.
Bevor die nöthige Anzahl solcher Institute mit zweckmäßiger Einrichtung ins
Leben gerufen ist, mag der Grundbesitzer durch die Aufhebung der Zins¬
beschränkungen zu manchen Opfern gezwungen werden, wenn ihm ein Capital
gekündigt wird. So lange das aber geschehen kann, wird seine Lage bei
freiem Zins noch immer viel günstiger sein, als wenn er das Geld von pro-
fcsfionirten Wucherern aufnehmen oder es zur Subhastation kommen lassen
müßte. Was er-durch hohem Zins-—der übrigens unter sonst gleichen Be¬
dingungen keine nothwendige Folge der Zinsfreiheit ist — einbüßen sollte,
kann er freilich nicht durch Steigerung seiner Getreidepreise auf die Consumenten
überwülzen, ebenso wenig wie der Hausbesitzer im gleichen Fall die Miethe
steigern kann. Denn die Preise von Getreide und Wohnungen beruhen ledig¬
lich auf dem Verhältniß von Angebot und Nachfrage. Dagegen ist gar nicht
abzusehen, ob die gesteigerte Entfaltung von Handel und Industrie oder der
Sporn, seinem Boden mehr Ertrag abzugewinnen, nicht zu einem vermehrten
Absatz und zu technischen Verbesserungen der Landwirthschaft führen, welche
die Einnahmen des Grundbesitzes trotz der hohem Zinsen vergrößern. Wir
haben von ähnlichen Wirkungen scheinbarer Verluste schon mehr als ein Bei¬
spiel, und nichts kann thörichter sein, -als eine volkswirthschaftliche Erscheinung
ur sich allein zu betrachten, oder nach ihren nächsten Folgen zu beurtheilen.
Wir haben es auch als ein „wohlerworbnes Recht" aller derer, die bei dem
jetzigen Zinsfuß ein Grundstück kauften, bezeichnen hören, nicht mehr als fünf
bis sechs Procent Hypothekenzinsen zu zahlen. Wir meinen aber, daß Verluste
an wohlerworbnen Rechten, welche aus der Aufhebung unmöglich gewordner
Gesetze erwachsen, ebenso von den Betroffenen getragen werden müssen,
wie ein Kaufmann sich die Minderung seiner Einnahmen bei Verkehrs¬
störungen in Kriegeszeit, oder wie der Rentier sich Verringerung seines
jährlichen Einkommens durch Entdeckung neuer Goldminen gefallen las¬
sen muß.

Was der Grundbesitz von Aufhebung der Wuchergesetze fürchtet, ist also
entweder unbegründet, oder kann nicht als rechtsgiltiger Einwand dagegen
gebraucht werden. Dem Handel, der großen Industrie schaden die Zins¬
beschränkungen offenbar, und wenn sie dem Grundbesitz wirklich nützen sollten,
so würde hier nur der Widerspruch zwischen den Interessen zweier für das
Staatsleben gleich wichtiger Stände nachgewiesen sein. Es wäre wol billig,
dann die Frage so zu entscheiden: Vereinigen lassen sich eure Wünsche nicht;
bisher hat der Grundbesitz den Vortheil gehabt, von heute ab mag er den
andern zu gut kommen. — Ganz anders steht es um den dritten Einwand,
der von den Vertretern der Resolution gemacht ist. Auch hier handelt es sich
darum, daß der Handels- und Gewerbestand ein Opfer bringen soll, aber


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[0425] malige Abtragung geeignet werden, mi^ einem Worte: der Pfandbriefcredit. Bevor die nöthige Anzahl solcher Institute mit zweckmäßiger Einrichtung ins Leben gerufen ist, mag der Grundbesitzer durch die Aufhebung der Zins¬ beschränkungen zu manchen Opfern gezwungen werden, wenn ihm ein Capital gekündigt wird. So lange das aber geschehen kann, wird seine Lage bei freiem Zins noch immer viel günstiger sein, als wenn er das Geld von pro- fcsfionirten Wucherern aufnehmen oder es zur Subhastation kommen lassen müßte. Was er-durch hohem Zins-—der übrigens unter sonst gleichen Be¬ dingungen keine nothwendige Folge der Zinsfreiheit ist — einbüßen sollte, kann er freilich nicht durch Steigerung seiner Getreidepreise auf die Consumenten überwülzen, ebenso wenig wie der Hausbesitzer im gleichen Fall die Miethe steigern kann. Denn die Preise von Getreide und Wohnungen beruhen ledig¬ lich auf dem Verhältniß von Angebot und Nachfrage. Dagegen ist gar nicht abzusehen, ob die gesteigerte Entfaltung von Handel und Industrie oder der Sporn, seinem Boden mehr Ertrag abzugewinnen, nicht zu einem vermehrten Absatz und zu technischen Verbesserungen der Landwirthschaft führen, welche die Einnahmen des Grundbesitzes trotz der hohem Zinsen vergrößern. Wir haben von ähnlichen Wirkungen scheinbarer Verluste schon mehr als ein Bei¬ spiel, und nichts kann thörichter sein, -als eine volkswirthschaftliche Erscheinung ur sich allein zu betrachten, oder nach ihren nächsten Folgen zu beurtheilen. Wir haben es auch als ein „wohlerworbnes Recht" aller derer, die bei dem jetzigen Zinsfuß ein Grundstück kauften, bezeichnen hören, nicht mehr als fünf bis sechs Procent Hypothekenzinsen zu zahlen. Wir meinen aber, daß Verluste an wohlerworbnen Rechten, welche aus der Aufhebung unmöglich gewordner Gesetze erwachsen, ebenso von den Betroffenen getragen werden müssen, wie ein Kaufmann sich die Minderung seiner Einnahmen bei Verkehrs¬ störungen in Kriegeszeit, oder wie der Rentier sich Verringerung seines jährlichen Einkommens durch Entdeckung neuer Goldminen gefallen las¬ sen muß. Was der Grundbesitz von Aufhebung der Wuchergesetze fürchtet, ist also entweder unbegründet, oder kann nicht als rechtsgiltiger Einwand dagegen gebraucht werden. Dem Handel, der großen Industrie schaden die Zins¬ beschränkungen offenbar, und wenn sie dem Grundbesitz wirklich nützen sollten, so würde hier nur der Widerspruch zwischen den Interessen zweier für das Staatsleben gleich wichtiger Stände nachgewiesen sein. Es wäre wol billig, dann die Frage so zu entscheiden: Vereinigen lassen sich eure Wünsche nicht; bisher hat der Grundbesitz den Vortheil gehabt, von heute ab mag er den andern zu gut kommen. — Ganz anders steht es um den dritten Einwand, der von den Vertretern der Resolution gemacht ist. Auch hier handelt es sich darum, daß der Handels- und Gewerbestand ein Opfer bringen soll, aber Grenzboten I. 13S8. 5.3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/425>, abgerufen am 28.07.2024.