Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Lord Palmerstons Fall.

Im Jahr 1851 wurde Lord Palmerston durch die Königin gezwungen
aus dem Ministerium zu scheiden, weil er den Staatsstreich in Frankreich,
und was darauf folgte, eigenmächtig und in illoyaler Verletzung der gegen die
Souveränin zu beobachtenden Formen anerkannt hatte. Damals war die
Herrscherin Englands tief durch ihn getränkt, und ihn aus dem Amte zu bringen
war die Drohung nöthig, daß sie das Parlament zum Richter seiner Hand¬
lungsweise machen werde. Palmerstons Sturz war damals Plötzlich, uner¬
wartet, für ihn selbst mit nicht gewöhnlicher Bitterkeit versetzt. Er nahm
seine Rache. Die Whigs sielen, die Tones vermochten sich nicht ein Jahr
zu halten, seine Popularität war in stetem Steigen. Es kam das plötzliche
Zorngeschrei der englischen Blätter über ungesetzlichen deutschen Einfluß auf
die Entschlüsse der Souveränin, verbunden mit kräftigen Empfehlungen des
entschlossenen, rücksichtslosen, feuerschleudemden. echt englischen Politikers, der
allein England retten könne. Man thut ihm wol nicht Unrecht, wenn man
annimmt, daß er. der alte Intriguant und Faiseur seiner Partei, einen ge¬
wissen bescheidenen Antheil an jenen Angriffen hatte, die ihn rächen sollten
und an jenem Enthusiasmus, der ihn empfehlen sollte. Durch eine immense
Popularität wurde er der Krone wieder aufgedrängt. Er wurde Premier¬
minister, allmächtig im Parlament, allmächtig im Lande; und seltsam! nach
kurzer Zeit wird derselbe Staatsmann wieder plötzlich, unerwartet aus dem
Amte getrieben, wieder wegen zu großer ConnivenF gegen Napoleon, wieder
wird ihm der Vorwurf gemacht, daß er die Würde Englands compromittirt
habe; aber diesmal ist es nicht die Königin, sondern die Nation selbst in
ihren Vertretern, welche ihn fallen läßt. So ausfallend hat ihn die Nemesis
ereilt für alte Unwahrheit und "M Intriguen.

Wer aus der Ferne weniger genau, aber vielleicht unbefangener als die
Engländer die englischen Staatsmänner abschätzt, der wirdost ein Urtheil über
ihren Werth fälle", welches dem Engländer durchaus ungerecht erscheint. Wir


Greujbole" 1. 185L. 46
Lord Palmerstons Fall.

Im Jahr 1851 wurde Lord Palmerston durch die Königin gezwungen
aus dem Ministerium zu scheiden, weil er den Staatsstreich in Frankreich,
und was darauf folgte, eigenmächtig und in illoyaler Verletzung der gegen die
Souveränin zu beobachtenden Formen anerkannt hatte. Damals war die
Herrscherin Englands tief durch ihn getränkt, und ihn aus dem Amte zu bringen
war die Drohung nöthig, daß sie das Parlament zum Richter seiner Hand¬
lungsweise machen werde. Palmerstons Sturz war damals Plötzlich, uner¬
wartet, für ihn selbst mit nicht gewöhnlicher Bitterkeit versetzt. Er nahm
seine Rache. Die Whigs sielen, die Tones vermochten sich nicht ein Jahr
zu halten, seine Popularität war in stetem Steigen. Es kam das plötzliche
Zorngeschrei der englischen Blätter über ungesetzlichen deutschen Einfluß auf
die Entschlüsse der Souveränin, verbunden mit kräftigen Empfehlungen des
entschlossenen, rücksichtslosen, feuerschleudemden. echt englischen Politikers, der
allein England retten könne. Man thut ihm wol nicht Unrecht, wenn man
annimmt, daß er. der alte Intriguant und Faiseur seiner Partei, einen ge¬
wissen bescheidenen Antheil an jenen Angriffen hatte, die ihn rächen sollten
und an jenem Enthusiasmus, der ihn empfehlen sollte. Durch eine immense
Popularität wurde er der Krone wieder aufgedrängt. Er wurde Premier¬
minister, allmächtig im Parlament, allmächtig im Lande; und seltsam! nach
kurzer Zeit wird derselbe Staatsmann wieder plötzlich, unerwartet aus dem
Amte getrieben, wieder wegen zu großer ConnivenF gegen Napoleon, wieder
wird ihm der Vorwurf gemacht, daß er die Würde Englands compromittirt
habe; aber diesmal ist es nicht die Königin, sondern die Nation selbst in
ihren Vertretern, welche ihn fallen läßt. So ausfallend hat ihn die Nemesis
ereilt für alte Unwahrheit und «M Intriguen.

Wer aus der Ferne weniger genau, aber vielleicht unbefangener als die
Engländer die englischen Staatsmänner abschätzt, der wirdost ein Urtheil über
ihren Werth fälle», welches dem Engländer durchaus ungerecht erscheint. Wir


Greujbole» 1. 185L. 46
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105646"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Lord Palmerstons Fall.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_968"> Im Jahr 1851 wurde Lord Palmerston durch die Königin gezwungen<lb/>
aus dem Ministerium zu scheiden, weil er den Staatsstreich in Frankreich,<lb/>
und was darauf folgte, eigenmächtig und in illoyaler Verletzung der gegen die<lb/>
Souveränin zu beobachtenden Formen anerkannt hatte. Damals war die<lb/>
Herrscherin Englands tief durch ihn getränkt, und ihn aus dem Amte zu bringen<lb/>
war die Drohung nöthig, daß sie das Parlament zum Richter seiner Hand¬<lb/>
lungsweise machen werde. Palmerstons Sturz war damals Plötzlich, uner¬<lb/>
wartet, für ihn selbst mit nicht gewöhnlicher Bitterkeit versetzt. Er nahm<lb/>
seine Rache. Die Whigs sielen, die Tones vermochten sich nicht ein Jahr<lb/>
zu halten, seine Popularität war in stetem Steigen. Es kam das plötzliche<lb/>
Zorngeschrei der englischen Blätter über ungesetzlichen deutschen Einfluß auf<lb/>
die Entschlüsse der Souveränin, verbunden mit kräftigen Empfehlungen des<lb/>
entschlossenen, rücksichtslosen, feuerschleudemden. echt englischen Politikers, der<lb/>
allein England retten könne. Man thut ihm wol nicht Unrecht, wenn man<lb/>
annimmt, daß er. der alte Intriguant und Faiseur seiner Partei, einen ge¬<lb/>
wissen bescheidenen Antheil an jenen Angriffen hatte, die ihn rächen sollten<lb/>
und an jenem Enthusiasmus, der ihn empfehlen sollte. Durch eine immense<lb/>
Popularität wurde er der Krone wieder aufgedrängt. Er wurde Premier¬<lb/>
minister, allmächtig im Parlament, allmächtig im Lande; und seltsam! nach<lb/>
kurzer Zeit wird derselbe Staatsmann wieder plötzlich, unerwartet aus dem<lb/>
Amte getrieben, wieder wegen zu großer ConnivenF gegen Napoleon, wieder<lb/>
wird ihm der Vorwurf gemacht, daß er die Würde Englands compromittirt<lb/>
habe; aber diesmal ist es nicht die Königin, sondern die Nation selbst in<lb/>
ihren Vertretern, welche ihn fallen läßt. So ausfallend hat ihn die Nemesis<lb/>
ereilt für alte Unwahrheit und «M Intriguen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_969" next="#ID_970"> Wer aus der Ferne weniger genau, aber vielleicht unbefangener als die<lb/>
Engländer die englischen Staatsmänner abschätzt, der wirdost ein Urtheil über<lb/>
ihren Werth fälle», welches dem Engländer durchaus ungerecht erscheint. Wir</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Greujbole» 1. 185L. 46</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0369] Lord Palmerstons Fall. Im Jahr 1851 wurde Lord Palmerston durch die Königin gezwungen aus dem Ministerium zu scheiden, weil er den Staatsstreich in Frankreich, und was darauf folgte, eigenmächtig und in illoyaler Verletzung der gegen die Souveränin zu beobachtenden Formen anerkannt hatte. Damals war die Herrscherin Englands tief durch ihn getränkt, und ihn aus dem Amte zu bringen war die Drohung nöthig, daß sie das Parlament zum Richter seiner Hand¬ lungsweise machen werde. Palmerstons Sturz war damals Plötzlich, uner¬ wartet, für ihn selbst mit nicht gewöhnlicher Bitterkeit versetzt. Er nahm seine Rache. Die Whigs sielen, die Tones vermochten sich nicht ein Jahr zu halten, seine Popularität war in stetem Steigen. Es kam das plötzliche Zorngeschrei der englischen Blätter über ungesetzlichen deutschen Einfluß auf die Entschlüsse der Souveränin, verbunden mit kräftigen Empfehlungen des entschlossenen, rücksichtslosen, feuerschleudemden. echt englischen Politikers, der allein England retten könne. Man thut ihm wol nicht Unrecht, wenn man annimmt, daß er. der alte Intriguant und Faiseur seiner Partei, einen ge¬ wissen bescheidenen Antheil an jenen Angriffen hatte, die ihn rächen sollten und an jenem Enthusiasmus, der ihn empfehlen sollte. Durch eine immense Popularität wurde er der Krone wieder aufgedrängt. Er wurde Premier¬ minister, allmächtig im Parlament, allmächtig im Lande; und seltsam! nach kurzer Zeit wird derselbe Staatsmann wieder plötzlich, unerwartet aus dem Amte getrieben, wieder wegen zu großer ConnivenF gegen Napoleon, wieder wird ihm der Vorwurf gemacht, daß er die Würde Englands compromittirt habe; aber diesmal ist es nicht die Königin, sondern die Nation selbst in ihren Vertretern, welche ihn fallen läßt. So ausfallend hat ihn die Nemesis ereilt für alte Unwahrheit und «M Intriguen. Wer aus der Ferne weniger genau, aber vielleicht unbefangener als die Engländer die englischen Staatsmänner abschätzt, der wirdost ein Urtheil über ihren Werth fälle», welches dem Engländer durchaus ungerecht erscheint. Wir Greujbole» 1. 185L. 46

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/369
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/369>, abgerufen am 22.12.2024.