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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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drücken höchster Huld mit ihm correspondirt, war so raffinirt berechnet, daß man
ihn aus blos äußerlichen Zwecken nicht erklären kann. Indem sie ihn aus¬
übte, fühlte sich Katharina gewissermaßen als Künstlerin, sie hatte das Be¬
wußtsein einer großen dramatischen Action. Unumschränkte Monarchen haben
das Bedürfniß, sich ihrer Allmacht von Zeit zu Zeit durch eine in die Augen
fallende Handlung bewußt zu werden. Nur in den Blitzen, mit welchen er
die Titanen zerschmettert, fühlt sich Zeus als den König der Götter. Es ist
zu allen Zeiten so gewesen, und da es auch heute noch nicht überflüssig ist,
die Physiologie des Despotismus zu studiren, so machen wir auf das Bild
aufmerksam, welches ein großer Geschichtschreiber von dem eigentlichen Be¬
gründer der Despotie im modernen Europa, von Philipp II. von Spanien
entwirft. Er litt, erzählt Ranke (Fürsten und Volker S. 154.), daß sich
entrüstete Feinde bis in sein Cabinet verfolgten; er nahm die Schriften des
einen gegen den andern an. Weil man wußte, wie geheim er alles zu
halten pflegte, so hatte man keine Scheu, ihm auch das Geheimste anzu¬
vertrauen, Sachen, die man nie einem anderen gesagt haben würde. Solche
Eingaben hatten vielleicht nicht alle die Wirkung, welche sie beabsichtigten,
aber einige hatten sie doch, und dieser Fürst war immer mit Verdacht an¬
gefüllt. Nun ward es niemandem leichter, das gewohnte Vertrauen zurücke
zuziehn, die alte Gunst zu beschränken, als ihm. Eine Zeit lang verbarg er
wol seine geheime Unzufriedenheit. ' Vielleicht hatte der Minister noch
wichtige Sachen in den Händen, vielleicht war seine Persönlichkeit noth¬
wendig, um irgend eine Absicht durchzusetzen. So lange ging er mit ihm
klüglich um, wie mit einer fremden Macht. Ost will er ihm dann, was er
wünscht, weder gewähren noch versagen. Endlich aber erfolgt der Ausbruch
seines Unwillens mit einem Mal. Cabrera merkt von nicht Wenigen an, daß
seine Ungnade sie getödtet. Das mochte e-s sagen wollen, wenn man am
Hofe den Spruch halte: von seinem Lächeln sei nicht weit bis zu seinem
Dolch. Das ganze Glück der Günstlinge hing an seinem Wohlgefallen;
ohne dieses sank ihr Dasein in nichts. --

Nun trifft freilich der Blitz des Monarchen nicht jeden ohne Unterschied,
er wählt am liebsten solche aus, die, wenn auch im treuen Dienst des
Herrschers, sich vermessen, an Einsicht und Thatkraft mit ihm zu wetteifern,
die ihn in unbequemer Stunde an ihre Wichtigkeit erinnern und sich wol
gar für unentbehrlich halten. Nach dieser Seite hui hatte Siepers vielfach
gefehlt. Weit entfernt, den Absichten seiner Gebieterin auf Polen zu wider¬
streben, hatte er fortwährend angefragt, ob sie nicht mehr haben wolle, er
hatte merken lassen, daß es ganz in seiner Disposition stehe. Sehr häufig
hatte er bei einzelnen dringenden Fällen die Instruction nicht abgewartet
und nach eigenem Ermessen ziemlich willkürlich entschieden. Katharina war


drücken höchster Huld mit ihm correspondirt, war so raffinirt berechnet, daß man
ihn aus blos äußerlichen Zwecken nicht erklären kann. Indem sie ihn aus¬
übte, fühlte sich Katharina gewissermaßen als Künstlerin, sie hatte das Be¬
wußtsein einer großen dramatischen Action. Unumschränkte Monarchen haben
das Bedürfniß, sich ihrer Allmacht von Zeit zu Zeit durch eine in die Augen
fallende Handlung bewußt zu werden. Nur in den Blitzen, mit welchen er
die Titanen zerschmettert, fühlt sich Zeus als den König der Götter. Es ist
zu allen Zeiten so gewesen, und da es auch heute noch nicht überflüssig ist,
die Physiologie des Despotismus zu studiren, so machen wir auf das Bild
aufmerksam, welches ein großer Geschichtschreiber von dem eigentlichen Be¬
gründer der Despotie im modernen Europa, von Philipp II. von Spanien
entwirft. Er litt, erzählt Ranke (Fürsten und Volker S. 154.), daß sich
entrüstete Feinde bis in sein Cabinet verfolgten; er nahm die Schriften des
einen gegen den andern an. Weil man wußte, wie geheim er alles zu
halten pflegte, so hatte man keine Scheu, ihm auch das Geheimste anzu¬
vertrauen, Sachen, die man nie einem anderen gesagt haben würde. Solche
Eingaben hatten vielleicht nicht alle die Wirkung, welche sie beabsichtigten,
aber einige hatten sie doch, und dieser Fürst war immer mit Verdacht an¬
gefüllt. Nun ward es niemandem leichter, das gewohnte Vertrauen zurücke
zuziehn, die alte Gunst zu beschränken, als ihm. Eine Zeit lang verbarg er
wol seine geheime Unzufriedenheit. ' Vielleicht hatte der Minister noch
wichtige Sachen in den Händen, vielleicht war seine Persönlichkeit noth¬
wendig, um irgend eine Absicht durchzusetzen. So lange ging er mit ihm
klüglich um, wie mit einer fremden Macht. Ost will er ihm dann, was er
wünscht, weder gewähren noch versagen. Endlich aber erfolgt der Ausbruch
seines Unwillens mit einem Mal. Cabrera merkt von nicht Wenigen an, daß
seine Ungnade sie getödtet. Das mochte e-s sagen wollen, wenn man am
Hofe den Spruch halte: von seinem Lächeln sei nicht weit bis zu seinem
Dolch. Das ganze Glück der Günstlinge hing an seinem Wohlgefallen;
ohne dieses sank ihr Dasein in nichts. —

Nun trifft freilich der Blitz des Monarchen nicht jeden ohne Unterschied,
er wählt am liebsten solche aus, die, wenn auch im treuen Dienst des
Herrschers, sich vermessen, an Einsicht und Thatkraft mit ihm zu wetteifern,
die ihn in unbequemer Stunde an ihre Wichtigkeit erinnern und sich wol
gar für unentbehrlich halten. Nach dieser Seite hui hatte Siepers vielfach
gefehlt. Weit entfernt, den Absichten seiner Gebieterin auf Polen zu wider¬
streben, hatte er fortwährend angefragt, ob sie nicht mehr haben wolle, er
hatte merken lassen, daß es ganz in seiner Disposition stehe. Sehr häufig
hatte er bei einzelnen dringenden Fällen die Instruction nicht abgewartet
und nach eigenem Ermessen ziemlich willkürlich entschieden. Katharina war


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[0312] drücken höchster Huld mit ihm correspondirt, war so raffinirt berechnet, daß man ihn aus blos äußerlichen Zwecken nicht erklären kann. Indem sie ihn aus¬ übte, fühlte sich Katharina gewissermaßen als Künstlerin, sie hatte das Be¬ wußtsein einer großen dramatischen Action. Unumschränkte Monarchen haben das Bedürfniß, sich ihrer Allmacht von Zeit zu Zeit durch eine in die Augen fallende Handlung bewußt zu werden. Nur in den Blitzen, mit welchen er die Titanen zerschmettert, fühlt sich Zeus als den König der Götter. Es ist zu allen Zeiten so gewesen, und da es auch heute noch nicht überflüssig ist, die Physiologie des Despotismus zu studiren, so machen wir auf das Bild aufmerksam, welches ein großer Geschichtschreiber von dem eigentlichen Be¬ gründer der Despotie im modernen Europa, von Philipp II. von Spanien entwirft. Er litt, erzählt Ranke (Fürsten und Volker S. 154.), daß sich entrüstete Feinde bis in sein Cabinet verfolgten; er nahm die Schriften des einen gegen den andern an. Weil man wußte, wie geheim er alles zu halten pflegte, so hatte man keine Scheu, ihm auch das Geheimste anzu¬ vertrauen, Sachen, die man nie einem anderen gesagt haben würde. Solche Eingaben hatten vielleicht nicht alle die Wirkung, welche sie beabsichtigten, aber einige hatten sie doch, und dieser Fürst war immer mit Verdacht an¬ gefüllt. Nun ward es niemandem leichter, das gewohnte Vertrauen zurücke zuziehn, die alte Gunst zu beschränken, als ihm. Eine Zeit lang verbarg er wol seine geheime Unzufriedenheit. ' Vielleicht hatte der Minister noch wichtige Sachen in den Händen, vielleicht war seine Persönlichkeit noth¬ wendig, um irgend eine Absicht durchzusetzen. So lange ging er mit ihm klüglich um, wie mit einer fremden Macht. Ost will er ihm dann, was er wünscht, weder gewähren noch versagen. Endlich aber erfolgt der Ausbruch seines Unwillens mit einem Mal. Cabrera merkt von nicht Wenigen an, daß seine Ungnade sie getödtet. Das mochte e-s sagen wollen, wenn man am Hofe den Spruch halte: von seinem Lächeln sei nicht weit bis zu seinem Dolch. Das ganze Glück der Günstlinge hing an seinem Wohlgefallen; ohne dieses sank ihr Dasein in nichts. — Nun trifft freilich der Blitz des Monarchen nicht jeden ohne Unterschied, er wählt am liebsten solche aus, die, wenn auch im treuen Dienst des Herrschers, sich vermessen, an Einsicht und Thatkraft mit ihm zu wetteifern, die ihn in unbequemer Stunde an ihre Wichtigkeit erinnern und sich wol gar für unentbehrlich halten. Nach dieser Seite hui hatte Siepers vielfach gefehlt. Weit entfernt, den Absichten seiner Gebieterin auf Polen zu wider¬ streben, hatte er fortwährend angefragt, ob sie nicht mehr haben wolle, er hatte merken lassen, daß es ganz in seiner Disposition stehe. Sehr häufig hatte er bei einzelnen dringenden Fällen die Instruction nicht abgewartet und nach eigenem Ermessen ziemlich willkürlich entschieden. Katharina war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/312>, abgerufen am 28.07.2024.