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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Zu Augsburg bin ich in eine öffentliche Herberge am Weinmarkt einge¬
ritten, dort habe ich zwei Stuben und bei jeder eine Schlafkammer bestellt,
die eine für die pommerschen Gesandten, die andere für ihre Kanzlei, welche
der Kanzler Jacob Citzcwitz einnahm und mit den Secretären Herzogs Bar-
nim und mir benutzte. Am Ende des Heumonats ist die Kais. Majestät mit
dem ganzen Heer herangekommen. Den Landgrafen hat er mit einem Haufen
Spanier zu Donauwörth gelassen, aber den gefangenen Kurfürsten hat er
mit nach Augsburg gebracht und in dem Haus der Welser einquartirt, am
Weinmarkt, durch zwei Häuser und ein kleines Gäßlein von des Kaisers Pa¬
last getrennt, hart an meiner Herberge. Durch die Nebenhäuser hatte der
Kaiser durchbrechen und über das Güßlein ein hölzern Gerüst legen lassen,
so daß man ans des Kaisers Logis in das des Kurfürsten gehn konnte.
Der Kurfürst hat seine eigene Küche gehalten, auch seinen Kanzler Minkwitz
und sein aufwartendes Gesinde bei sich gehabt, so daß die Spanier nicht in
seine Stube und Schlafkammer haben kommen dürfen. Der Herzog von Alba
und andere große Herrn am Knif. Hofe sind bei ihm aus- und eingegangen
und haben ihm mit freundlichem Gespräch, auch allerlei Kurzweil, Gesellschaft
geleistet. Er hatte im Hofe seiner Herberge, die recht herrlich und fürstlich
gebaut und eingerichtet ist, einen Rennplatz, wo sie über die Stange stachen,
ihm wurde erlaubt, in der Stadt an lustige Orte und zierlich mit besonderer
Kunst eingerichtete Gärten, deren zu Augsburg etliche sind, zu reiten;
und, weil er von Jugend auf Lust zum Fechten gehabt, und als er
jung und rühriger war, mit allen Wehren gern gefochten hat, wurden ihm
zu Gefallen Fechtschulen eingerichtet; jedoch sind die spanischen Soldaten vor
und hinter ihm gegangen; ihm war fast bis zum Ende des Reichstags, wo
er sich weigerte das Interim anzunehmen, nicht verwehrt, Bücher zu lesen u. s. w.
Aber bei dem Landgrafen zu Donauwörth sind die Spanier bei Tage in der
Stube gewesen. Wenn er im Fenster gelegen und auf den Platz gesehn, so
haben auch ein oder zwei Spanier neben ihm am Fenster gelegen, welche die
Köpfe ebenso lang heraussteckten; Tag und Nacht haben sie mit Pfeifen
und Trommeln die spanische Besatzung aus- und abgeführt. Die bewaffneten
Spanier haben des Nachts bei ihm in der Kaminer gelegen und wenn die
Wache abgewechselt wurde und die frische mit Trommeln und Pfeifen in
die Kammer kam, haben die, welche ihn die halbe Nacht bewacht hatten,
in Bette aufgedeckt und gesagt: "Sieh da, wir wollen ihn euch geliefert
haben, hinfort mögt ihr ihn bewahren." Ich meine, das heißt die Worte


ihrem Gemahl, während sie mit diesem zu Liegnitz in derCustodia lebte, erzählt Bd. I. S. 30
eine charakteristische Anekdote von ihr, Vettel- und Gevatterbriefe schlesischer Fürsten waren
noch im vorigen Jahrhundert nichts Unerhörtes.
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Zu Augsburg bin ich in eine öffentliche Herberge am Weinmarkt einge¬
ritten, dort habe ich zwei Stuben und bei jeder eine Schlafkammer bestellt,
die eine für die pommerschen Gesandten, die andere für ihre Kanzlei, welche
der Kanzler Jacob Citzcwitz einnahm und mit den Secretären Herzogs Bar-
nim und mir benutzte. Am Ende des Heumonats ist die Kais. Majestät mit
dem ganzen Heer herangekommen. Den Landgrafen hat er mit einem Haufen
Spanier zu Donauwörth gelassen, aber den gefangenen Kurfürsten hat er
mit nach Augsburg gebracht und in dem Haus der Welser einquartirt, am
Weinmarkt, durch zwei Häuser und ein kleines Gäßlein von des Kaisers Pa¬
last getrennt, hart an meiner Herberge. Durch die Nebenhäuser hatte der
Kaiser durchbrechen und über das Güßlein ein hölzern Gerüst legen lassen,
so daß man ans des Kaisers Logis in das des Kurfürsten gehn konnte.
Der Kurfürst hat seine eigene Küche gehalten, auch seinen Kanzler Minkwitz
und sein aufwartendes Gesinde bei sich gehabt, so daß die Spanier nicht in
seine Stube und Schlafkammer haben kommen dürfen. Der Herzog von Alba
und andere große Herrn am Knif. Hofe sind bei ihm aus- und eingegangen
und haben ihm mit freundlichem Gespräch, auch allerlei Kurzweil, Gesellschaft
geleistet. Er hatte im Hofe seiner Herberge, die recht herrlich und fürstlich
gebaut und eingerichtet ist, einen Rennplatz, wo sie über die Stange stachen,
ihm wurde erlaubt, in der Stadt an lustige Orte und zierlich mit besonderer
Kunst eingerichtete Gärten, deren zu Augsburg etliche sind, zu reiten;
und, weil er von Jugend auf Lust zum Fechten gehabt, und als er
jung und rühriger war, mit allen Wehren gern gefochten hat, wurden ihm
zu Gefallen Fechtschulen eingerichtet; jedoch sind die spanischen Soldaten vor
und hinter ihm gegangen; ihm war fast bis zum Ende des Reichstags, wo
er sich weigerte das Interim anzunehmen, nicht verwehrt, Bücher zu lesen u. s. w.
Aber bei dem Landgrafen zu Donauwörth sind die Spanier bei Tage in der
Stube gewesen. Wenn er im Fenster gelegen und auf den Platz gesehn, so
haben auch ein oder zwei Spanier neben ihm am Fenster gelegen, welche die
Köpfe ebenso lang heraussteckten; Tag und Nacht haben sie mit Pfeifen
und Trommeln die spanische Besatzung aus- und abgeführt. Die bewaffneten
Spanier haben des Nachts bei ihm in der Kaminer gelegen und wenn die
Wache abgewechselt wurde und die frische mit Trommeln und Pfeifen in
die Kammer kam, haben die, welche ihn die halbe Nacht bewacht hatten,
in Bette aufgedeckt und gesagt: „Sieh da, wir wollen ihn euch geliefert
haben, hinfort mögt ihr ihn bewahren." Ich meine, das heißt die Worte


ihrem Gemahl, während sie mit diesem zu Liegnitz in derCustodia lebte, erzählt Bd. I. S. 30
eine charakteristische Anekdote von ihr, Vettel- und Gevatterbriefe schlesischer Fürsten waren
noch im vorigen Jahrhundert nichts Unerhörtes.
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[0299] Zu Augsburg bin ich in eine öffentliche Herberge am Weinmarkt einge¬ ritten, dort habe ich zwei Stuben und bei jeder eine Schlafkammer bestellt, die eine für die pommerschen Gesandten, die andere für ihre Kanzlei, welche der Kanzler Jacob Citzcwitz einnahm und mit den Secretären Herzogs Bar- nim und mir benutzte. Am Ende des Heumonats ist die Kais. Majestät mit dem ganzen Heer herangekommen. Den Landgrafen hat er mit einem Haufen Spanier zu Donauwörth gelassen, aber den gefangenen Kurfürsten hat er mit nach Augsburg gebracht und in dem Haus der Welser einquartirt, am Weinmarkt, durch zwei Häuser und ein kleines Gäßlein von des Kaisers Pa¬ last getrennt, hart an meiner Herberge. Durch die Nebenhäuser hatte der Kaiser durchbrechen und über das Güßlein ein hölzern Gerüst legen lassen, so daß man ans des Kaisers Logis in das des Kurfürsten gehn konnte. Der Kurfürst hat seine eigene Küche gehalten, auch seinen Kanzler Minkwitz und sein aufwartendes Gesinde bei sich gehabt, so daß die Spanier nicht in seine Stube und Schlafkammer haben kommen dürfen. Der Herzog von Alba und andere große Herrn am Knif. Hofe sind bei ihm aus- und eingegangen und haben ihm mit freundlichem Gespräch, auch allerlei Kurzweil, Gesellschaft geleistet. Er hatte im Hofe seiner Herberge, die recht herrlich und fürstlich gebaut und eingerichtet ist, einen Rennplatz, wo sie über die Stange stachen, ihm wurde erlaubt, in der Stadt an lustige Orte und zierlich mit besonderer Kunst eingerichtete Gärten, deren zu Augsburg etliche sind, zu reiten; und, weil er von Jugend auf Lust zum Fechten gehabt, und als er jung und rühriger war, mit allen Wehren gern gefochten hat, wurden ihm zu Gefallen Fechtschulen eingerichtet; jedoch sind die spanischen Soldaten vor und hinter ihm gegangen; ihm war fast bis zum Ende des Reichstags, wo er sich weigerte das Interim anzunehmen, nicht verwehrt, Bücher zu lesen u. s. w. Aber bei dem Landgrafen zu Donauwörth sind die Spanier bei Tage in der Stube gewesen. Wenn er im Fenster gelegen und auf den Platz gesehn, so haben auch ein oder zwei Spanier neben ihm am Fenster gelegen, welche die Köpfe ebenso lang heraussteckten; Tag und Nacht haben sie mit Pfeifen und Trommeln die spanische Besatzung aus- und abgeführt. Die bewaffneten Spanier haben des Nachts bei ihm in der Kaminer gelegen und wenn die Wache abgewechselt wurde und die frische mit Trommeln und Pfeifen in die Kammer kam, haben die, welche ihn die halbe Nacht bewacht hatten, in Bette aufgedeckt und gesagt: „Sieh da, wir wollen ihn euch geliefert haben, hinfort mögt ihr ihn bewahren." Ich meine, das heißt die Worte ihrem Gemahl, während sie mit diesem zu Liegnitz in derCustodia lebte, erzählt Bd. I. S. 30 eine charakteristische Anekdote von ihr, Vettel- und Gevatterbriefe schlesischer Fürsten waren noch im vorigen Jahrhundert nichts Unerhörtes. 37*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/299>, abgerufen am 28.07.2024.